USA: Statistische Korruption und Hochstapelei

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USA: Statistische Korruption und Hochstapelei

 
29.07.02 09:23
Amerikas Wirtschaft stöhnt unter der Last einer anhaltenden Investitionsschwäche. Um die wahren Bilanzen zu kaschieren, werden Statistiken geschönt, wo es nur geht. Jetzt wird das wahre Ausmaß des "Western-City-Syndrom" deutlich - tolle Fassaden und dahinter nichts als Bruchbuden.

Größter Investmentboom in der US-Geschichte, solides Wachstum der Wirtschaft, Amerika investiert in die Zukunft: So hat es jahrelang geklungen. So stand es in allen Zeitungen; so ist es schon zum Frühstück über das Fernsehen gekommen.

So wurde es naiv geglaubt, führte zum Nachäffen jeden US-Management-Unfugs, und das alles ist noch immer Grund für wirtschaftliche Minderwertigkeitskomplexe in Deutschland. In Wahrheit ist es ein Riesenbluff und ein Meisterwerk der Zahlenschönung. Nicht nur Corporate America führt eine kreative Buchhaltung, auch Public America tut es.

Gemäß Zahlen der NIPA (National Income Product Accounts), die vom US-Department of Commerce veröffentlicht werden, stiegen die so genannten Nonresidential Fixed Investments von 1995 bis 2000 um real rund 533 Milliarden Dollar. Das sind stolze 65 Prozent. Während desselben Zeitraums stieg den offiziellen Zahlen zufolge das GDP (Gross Domestic Product) um 22,2 Prozent.

Wunderrezept für eine prosperierende Wirtschaft?

Kein Wunder, dass das zu euphorischen Berichten Anlass gab. Nirgends sonst auf der Welt wurden auch nur annähernd solche Zahlen erreicht. Amerika schien tatsächlich das Wunderrezept für eine anhaltend prosperierende Wirtschaft gefunden zu haben.

Einer der auch bei uns bekannten US-Ökonomen, MIT-Professor R. Dornbusch erklärte im "Wall Street Journal" im Juni 1998: "The U.S. economy likely will not see a recession for years to come. We don't want one, we don't need one, and, as we have the tools to keep the current expansion going, we won't have one. This expansion will run forever."

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache

Amerika rechnet seit einiger Zeit in der nationalen Buchhaltung nicht mehr mit Netto-, sondern mit Bruttoinvestitionen. Wirtschaftlich relevant sind aber nur die Nettoziffern. Man weist die Investitionen somit um den Betrag der erforderlichen Abschreibungen zu hoch aus.

Außerdem werden seit 1995 durch das so genannte Hedonic Price Indexing sämtliche Zahlen systematisch geschönt. Das Ergebnis: Von 1995 bis 2000 stiegen die Computerinvestitionen in der US-Wirtschaft um rund 23 Milliarden Dollar auf 87 Milliarden Dollar.

Durch den Trick des Hedonic Price Indexing werden aus den eher bescheidenen 23 Milliarden Dollar aber stolze 240 Milliarden Dollar - allerdings nur statistisch, denn ökonomisch ist dadurch klarerweise nicht ein einziger Zusatz-Dollar Faktoreinkommen beziehungsweise Sozialprodukt entstanden. Hätten die Deutschen auch so gerechnet, hätten sich ihre IT-Investitionen von dürftigen sechs Prozent Zuwachs pro Jahr auf fast 30 Prozent jährlich gestellt - optisch also durch einen Rechentrick vom Entwicklungsland zum Mega-Hightech-Leader.

Des Weiteren hat man plötzlich die gerade in Zeiten sich überschlagenden technologischen Wandels besonders "weise" Entscheidung getroffen, Aufwendungen für Computersoftware nicht mehr als Aufwand zu behandeln, sondern sie zu kapitalisieren, was nochmals 110 Milliarden Scheinverbesserung ausmacht.

Eklatante Investitionsschwäche

Fasst man alles zusammen, ergibt sich folgendes Bild: Von 1995 bis 2000 wurden statt der ausgewiesenen 533 Milliarden Dollar Gesamtinvestitionen - umgerechnet pro Jahr also rund 106 Milliarden - lediglich insgesamt 110 Milliarden Euro investiert, also bescheidene 22 Milliarden pro Jahr. Das ist der niedrigste Stand der Nachkriegszeit.

Amerikas Problem ist seit langem eine eklatante Investitionsschwäche. Und das ist auch der entscheidende Grund für die miserablen Gewinnzahlen. Die Gewinnentwicklung hat bereits seit 1994 zu erodieren begonnen, aber das konnte man nur durch detaillierte Analyse der Zahlen erkennen, eine Knochenarbeit, die sich nur wenige antun wollten.

Im Jahr 2001 ist das ganze Debakel dann für jeden sichtbar geworden - aber für viele erscheint es noch immer als unerklärlich. Die Erklärung ist jedoch einfach: Man könnte sie als "Western-City-Syndrom" bezeichen - tolle Fassaden und dahinter nichts als Bruchbuden. Man könnte es aber noch einfacher statistische Korruption und Hochstapelei nennen.

mmd.de

Gruß
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