UMTS - das Ende einer Vision
(FAZ.NET) Vor genau zwei Jahren am 31. Juli 2000 war es, da versammelten sich die Strategen führender Mobilfunkkonzerne in einer alten Mainzer US-Kaserne, um die Zukunft zu ersteigern: UMTS, bis dato ein Begriff, der nur Branchenexperten etwas sagte, erlebte den Beginn eines mittlerweile zweifelhaften ANZEIGE
Ruhms.
Der neue Mobilfunkstandard, so die damalig euphorischen Versprechen, würde die Welt verändern: Ein global einheitlicher Standard mit Bandbreiten im Megabit-Bereich, der Sprach- und Datenübertragung integrieren und revolutionieren würde. Das Handy, so war sich die Expertenwelt einig, würde zum mobilen Büro und privaten Unterhaltungstool mutieren: E-Mail, Bilder, Filme, Live-Streaming, Internetzugang, ortsbezogene Tipps für den Restaurantbesuch in einer fremden Stadt, Bezahlfunktionen für Kino- und Flugtickets. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt.
Fantasie hat einen hohen Preis
Kein Wunder, dass die Versteigerung alles da Gewesene in den Schatten stellte. 8,5 Milliarden Euro bezahlten die sechs Mobilfunkfirmen und Konsortien jeweils für ihre UMTS-Lizenz. Finanzminister Hans Eichel konnte 51 Milliarden Euro zum Schuldenabbau einnehmen.
Doch die Freude währte nicht lange. Denn das Datum der Versteigerung und das Ende der Boomphase überlappten sich, was damals natürlich nicht unbedingt zu erkennen war. Technische Probleme zeigten sich alsbald. UMTS-Handys für Europa sind immer noch in der Produktpipeline. Wann sie auf den Markt kommen, ist ungewiss. Ein Problem sind die Batterien, die im leistungsstarken UMTS-Betrieb offenbar heiß laufen. Ein anderes sind die Kompatibilitäten: Der Mobilfunkbetreiber Hutchinson meldet, dass es Probleme gebe, wenn das UMTS-Telefon von einer UMTS-Sendestation auf eine Antenne des herkömmlichen GSM-Netzes wechseln muss.
Technische Probleme bei UMTS-Netzen
Ein solcher Wechsel wird jedoch die Regel sein, weil die Anbieter deutschlandweit zu Anfang nur rund 20 Prozent Abdeckung für UMTS anbieten werden - zunächst in den Großstädten. Die Kosten für die Netzwerke sind zu hoch und gleichzeitig die Geschäftsaussichten alles andere als rosig. Experten gehen davon aus, dass der maximale Monatsumsatz pro UMTS-Kunde (ARPU) rund 50 Euro betragen würde. Die im Zuge der Versteigerung bezahlten Preise gingen von weit höheren Nachfrageprognosen aus.
Zum Finanzierungsproblem der hoch verschuldeten Mobilfunkkonzerne gesellt sich die ketzerische Frage, ob UMTS überhaupt einen Markt haben wird. Andere, auf GSM basierende Standards wie GPRS, HSCSD oder Edge, sind ähnlich leistungsfähig und die Kosten für die Aufrüstung der GSM-Netze entsprechen nur einem Bruchteil der UMTS-Kosten. Gleichzeitig lauert mit so genannten Wireless LAN-Lösungen ein leistungsfähiger Konkurrent. Und nicht nur die Mobilfunkkonzerne leiden. Auch die Netzwerkausrüster wie Ericsson (Stockholm: ERICb.ST - Nachrichten) , Alcatel und Nortel bezahlten das UMTS-Debakel mit rückläufigem Umsatz und Schuldenbergen. UMTS entwickelte sich vom Segen zum Fluch, vom gesunden Vitamin C zum schädlichen Virus.
Die ersten UMTS-Aussteiger
Ausdruck dieses Pessimismus ist die Malaise der Anbieter. Quam, ein Joint-Venture der spanischen Telefónica und der finnischen Sonera, hat sich jüngst als erster aus dem UMTS-Geschäft in Deutschland verabschiedet. Auch bei der Mobilcom (Xetra: 662240.DE - Nachrichten - Forum) sieht es düster aus, obwohl der Büdelsdorfer Konzern mit einem Bankenkonsortium nun eine Stundung seiner fälligen UMTS-Kredite vereinbaren konnte. Allerdings steht diese Stundung unter dem Vorbehalt, dass France Télécom sein Engagement bei Mobilcom aufrecht erhält. Für den mit rund 70 Milliarden Euro verschuldeten französischen Konzern eine kaum tragbare Belastung.
Der UMTS-Start in Deutschland verzögert sich unterdessen weiter. Einzig VodafoneD2 will noch in diesem Jahr an den Start gehen - doch solche Prognosen wurden schon öfter aufgegeben. T-Mobile, E-Plus und O2 planen den Beginn für 2003. Bislang, und das sagt sehr viel, ist UMTS nur auf der kleinen britischen Insel Man im Testbetrieb.
Hat UMTS überhaupt einen Markt?
Eine Hoffnung bleibt noch für den einst hochgelobten Standard. Die Kapazitäten der GSM-Netze werden mittelfristig nicht reichen. Man merkt es als Nutzer zu Silvester oder Neujahr, wenn die halbe Republik telefoniert und man selbst aufgrund der Netzüberlastung keine Verbindung erhält. UMTS schafft genug Kapazität. Zudem werden die Sprechverbindungen qualitativ deutlich besser, vergleichbar mit einer Festnetzverbindung.
Besinnung auf die Realität
Ursprünglich waren diese Aspekte auch der Hintergrund und das Ziel für die Entwicklung von UMTS - plus dem Vorteil, dass es sich um einen globalen Standard handelt. Für die Sprachübertragung ist UMTS demnach ein Fortschritt. Doch die Ironie der Geschichte: Die Mobilfunkkonzerne gingen eigentlich davon aus, dass die Daten- und nicht die Stimmübertragung bei UMTS der große Umsatzgenerator sein würde. Vielleicht sollte man sich von diesem Traum verabschieden und der UMTS-Vision endlich ein realistisches Antlitz geben.
(FAZ.NET) Vor genau zwei Jahren am 31. Juli 2000 war es, da versammelten sich die Strategen führender Mobilfunkkonzerne in einer alten Mainzer US-Kaserne, um die Zukunft zu ersteigern: UMTS, bis dato ein Begriff, der nur Branchenexperten etwas sagte, erlebte den Beginn eines mittlerweile zweifelhaften ANZEIGE
Ruhms.
Der neue Mobilfunkstandard, so die damalig euphorischen Versprechen, würde die Welt verändern: Ein global einheitlicher Standard mit Bandbreiten im Megabit-Bereich, der Sprach- und Datenübertragung integrieren und revolutionieren würde. Das Handy, so war sich die Expertenwelt einig, würde zum mobilen Büro und privaten Unterhaltungstool mutieren: E-Mail, Bilder, Filme, Live-Streaming, Internetzugang, ortsbezogene Tipps für den Restaurantbesuch in einer fremden Stadt, Bezahlfunktionen für Kino- und Flugtickets. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt.
Fantasie hat einen hohen Preis
Kein Wunder, dass die Versteigerung alles da Gewesene in den Schatten stellte. 8,5 Milliarden Euro bezahlten die sechs Mobilfunkfirmen und Konsortien jeweils für ihre UMTS-Lizenz. Finanzminister Hans Eichel konnte 51 Milliarden Euro zum Schuldenabbau einnehmen.
Doch die Freude währte nicht lange. Denn das Datum der Versteigerung und das Ende der Boomphase überlappten sich, was damals natürlich nicht unbedingt zu erkennen war. Technische Probleme zeigten sich alsbald. UMTS-Handys für Europa sind immer noch in der Produktpipeline. Wann sie auf den Markt kommen, ist ungewiss. Ein Problem sind die Batterien, die im leistungsstarken UMTS-Betrieb offenbar heiß laufen. Ein anderes sind die Kompatibilitäten: Der Mobilfunkbetreiber Hutchinson meldet, dass es Probleme gebe, wenn das UMTS-Telefon von einer UMTS-Sendestation auf eine Antenne des herkömmlichen GSM-Netzes wechseln muss.
Technische Probleme bei UMTS-Netzen
Ein solcher Wechsel wird jedoch die Regel sein, weil die Anbieter deutschlandweit zu Anfang nur rund 20 Prozent Abdeckung für UMTS anbieten werden - zunächst in den Großstädten. Die Kosten für die Netzwerke sind zu hoch und gleichzeitig die Geschäftsaussichten alles andere als rosig. Experten gehen davon aus, dass der maximale Monatsumsatz pro UMTS-Kunde (ARPU) rund 50 Euro betragen würde. Die im Zuge der Versteigerung bezahlten Preise gingen von weit höheren Nachfrageprognosen aus.
Zum Finanzierungsproblem der hoch verschuldeten Mobilfunkkonzerne gesellt sich die ketzerische Frage, ob UMTS überhaupt einen Markt haben wird. Andere, auf GSM basierende Standards wie GPRS, HSCSD oder Edge, sind ähnlich leistungsfähig und die Kosten für die Aufrüstung der GSM-Netze entsprechen nur einem Bruchteil der UMTS-Kosten. Gleichzeitig lauert mit so genannten Wireless LAN-Lösungen ein leistungsfähiger Konkurrent. Und nicht nur die Mobilfunkkonzerne leiden. Auch die Netzwerkausrüster wie Ericsson (Stockholm: ERICb.ST - Nachrichten) , Alcatel und Nortel bezahlten das UMTS-Debakel mit rückläufigem Umsatz und Schuldenbergen. UMTS entwickelte sich vom Segen zum Fluch, vom gesunden Vitamin C zum schädlichen Virus.
Die ersten UMTS-Aussteiger
Ausdruck dieses Pessimismus ist die Malaise der Anbieter. Quam, ein Joint-Venture der spanischen Telefónica und der finnischen Sonera, hat sich jüngst als erster aus dem UMTS-Geschäft in Deutschland verabschiedet. Auch bei der Mobilcom (Xetra: 662240.DE - Nachrichten - Forum) sieht es düster aus, obwohl der Büdelsdorfer Konzern mit einem Bankenkonsortium nun eine Stundung seiner fälligen UMTS-Kredite vereinbaren konnte. Allerdings steht diese Stundung unter dem Vorbehalt, dass France Télécom sein Engagement bei Mobilcom aufrecht erhält. Für den mit rund 70 Milliarden Euro verschuldeten französischen Konzern eine kaum tragbare Belastung.
Der UMTS-Start in Deutschland verzögert sich unterdessen weiter. Einzig VodafoneD2 will noch in diesem Jahr an den Start gehen - doch solche Prognosen wurden schon öfter aufgegeben. T-Mobile, E-Plus und O2 planen den Beginn für 2003. Bislang, und das sagt sehr viel, ist UMTS nur auf der kleinen britischen Insel Man im Testbetrieb.
Hat UMTS überhaupt einen Markt?
Eine Hoffnung bleibt noch für den einst hochgelobten Standard. Die Kapazitäten der GSM-Netze werden mittelfristig nicht reichen. Man merkt es als Nutzer zu Silvester oder Neujahr, wenn die halbe Republik telefoniert und man selbst aufgrund der Netzüberlastung keine Verbindung erhält. UMTS schafft genug Kapazität. Zudem werden die Sprechverbindungen qualitativ deutlich besser, vergleichbar mit einer Festnetzverbindung.
Besinnung auf die Realität
Ursprünglich waren diese Aspekte auch der Hintergrund und das Ziel für die Entwicklung von UMTS - plus dem Vorteil, dass es sich um einen globalen Standard handelt. Für die Sprachübertragung ist UMTS demnach ein Fortschritt. Doch die Ironie der Geschichte: Die Mobilfunkkonzerne gingen eigentlich davon aus, dass die Daten- und nicht die Stimmübertragung bei UMTS der große Umsatzgenerator sein würde. Vielleicht sollte man sich von diesem Traum verabschieden und der UMTS-Vision endlich ein realistisches Antlitz geben.