Link: http://www.daytrading.de/blog/2008/04/24/...och-ein-gluecksspiel-ist/
Warum Trading DOCH ein Gluecksspiel ist…
Apr 24th, 2008 | By pierre | Category: Live Trading 2.0
Im November 2007 habe ich einen BlogPost unter dem Titel gemacht, dass Trading kein Gluecksspiel ist. Und heute behaupte ich, es ist doch ein Gluecksspiel? Nach all den Monaten der Technischen Analyse, des Widerlegen der Effizenten-Markttheorie, der Trendfolge-Strategien und all der bereits erstellten Charts, ist es im Endeffekt doch nur Glueck wenn man gewinnt? Und was ist mit Psychologie und Disziplin? Ich dachte mit guter Psychologie gewinnt man? Zeit dem Ernst des Lebens an der Boerse in die Augen zu schauen.
Doch eines nach dem anderen. Sehen wir uns zuerst den Blogpost-Inhalt vom November an, indem ich postulierte, dass Trading kein Gluecksspiel ist:
Es gibt einen einfachen Weg um herauszufinden, ob man ein gegebenes Spiel schlagen kann oder nicht. Mit einem kleinem Test kann man herausfinden, ob Roulette, Münzwürfe, Craps, Poker, Wetten oder Trading Glücksspiele sind - oder ob man zu einem gewissen Grad deren Ausgang beeinflussen kann.
Man muss sich nur eine einfache Frage stellen: Kann ich absichtlich verlieren?
Wenn ich bei einem Spiel absichtlich verlieren kann, dann kann man auch zu einem gewissen Grad absichtlich gewinnen.
Beim Münzwurf wird schnell klar, dass man nicht absichtlich verlieren kann. Ich kann mich für Kopf oder Zahl entscheiden, aber ob ich gewinne oder verliere - das liegt eigentlich nicht in meiner Macht - nicht nach einem und auch nicht nach tausend Würfen. Im Endeffekt sollte man bei einem Münzwurfspiel eigentlich immer mit +/- 0 aussteigen. Vorausgesetzt man spielt es lange genug.
Auch beim Roulette wird schnell klar, dass es sich um ein Glücksspiel handelt. Rot oder Schwarz zu setzen ist auch hier für den Spielausgang irrelevant. (Aufgrund der “0″ hat das Spiel im Gegensatz zum Münzwurf allerdings einen negativen Erwartungswert. Schon Albert Einstein sagte, dass es keinen Weg gibt den Tisch zu schlagen.)
Doch beim Trading?
Könntet ihr absichtlichtlich verlieren bzw. kann man das überhaupt? Wenn die Antwort “Ja” ist, dann muss es auch einen Weg geben das Spiel zu schlagen.
Doch wie findet man den? Tja, darum geht es in all den Trading-Büchern und auch in diesem Blog. Kleiner Tipp: Die Antwort liegt meistens im Money Management.
Und: ist es nicht ein interessanter Weg nach Signalen zu suchen mit denen man garantiert verliert? Dann braucht man den Gedankenprozess nur umdrehen… ein guter Weg um nicht von Gier geblendet arbeiten zu müssen!
OK, soweit so gut. Die Antwort liegt angeblich im Money Management. Welches wir ja im Basislevel bereits auch zur Genuege besprochen haben. Wir wissen, was ein R-Vielfaches ist. Wir wissen, dass man keine Trefferquote von ueber 50% braucht, um langfristig profitabel zu sein. Und angeblich brauchen wir nur eine Trefferquote von 33% bei einem erwarteten Gewinn von 2R, und nur eine Trefferquote von 25% bei einem erwartenden Gewinn von 3R.
Wieso?
Naja, laut Milchmaedchen Lisi wuerde ein System mit einer Trefferquote von 25% und einem Return von 3R pro Trade circa so aussehen:
100 Trades -> davon 25 Gewinn Trades zu je 3R -> 25 x 3R = +75R
100 Trades -> davon 75 Verlust Trades zu je -1R -> 75 x -1R = -75R
__________________________________________________
75R - 75R = 0R
Und angeblich ist jeder Prozentpunkt der ueber der Trefferquote von 25% liegt, der Mehrertrag den der Trader erwirtschaften kann. (Er waere wohl ziemlich stinkreich bei einer TQ von 50% mit diesem Ertrag = 50%x3R=150R-(50x-1R)=100R Gewinn. Mit Zinseszins koennen da durchaus ueber 200% rausschauen…)
Aber ganz so einfach ist es eben leider nicht. Denn im Endeffekt ist Trading doch Gluecksspiel, weil naemlich die Abfolge der Trades eine ganz entscheidende Rolle spielt! Und die laesst sich von uns nicht beeinflussen! Weder durch bessere Analysen, noch durch einen besseren Trading-Plan oder den 100sten NLP-Kurs. Es ist schlicht und ergreifend Glueck oder Pech, und entzieht sich unserer Einflussmoeglichkeit.
Was ich meine, ist eine Monte-Carlo Simulation. Nomen est Omen - es geht ums Glueck. Und da ein Bild oft mehr als 1000 Worte sagt, eroeffne ich meine Diskussion gleich mit der ersten Abbildung:
Bei dieser Equity Curve Berechnung wurde ein Handelssystem mit folgenden Parametern eingestellt:
Trefferquote: 33%
Gewinntrade-Return: 2R
Verlusttrade-Return: -1R
Laut dem Milchmaedchen muesste dieses System genau +/- 0 machen. Doch wenn man 1000 Trades mit diesen Parametern 100 mal neu, und zufaellig aneinanderreiht, dann passiert etwas interessantes. Von wegen, das man +/0 macht…. Denn man kann mit ein paar 100% das Jahr abschliessen (bei 1000 Trades) oder kurz vor dem Konkurs stehen. Der einzige Unterschied am Ende des Jahres, war die Abfolge in der die Trades aufgetreten sind. Und die Abfolge in der die Trades auftreten ist nun mal ein Zufallsprodukt - auch, wenn die Systemparameter exakt diesselben sind!
Das mag schockieren, denn wenn man genauer darueber nachdenkt, dann merkt man schnell, dass ein System, dass Break-Even erreicht nicht gut genug ist. Wieso? Wenn die Chance 1 zu 100 ist, dass ich am Ende einen Drawdown von 85% habe, und ungefaehr 1 zu 20 einen Drawdown von 50% zu haben, dann merkt man, dass man ueber mehrere Jahre hinweg gesehen kein so gutes System hat. Ein Fonds, der durchaus 20 Jahre Gelder verwalten will, muesste dann mit ziemlicher Sicherheit mit einem Drawdown von 50% rechnen - was zu einem Kollaps des Unternehmens fuehren wuerde, da Kundengelder rapide abgezogen werden wuerden. Was uebrigens vollkommen irrational ist, weil das Jahr als Zufallsprodukt so schlecht war, und damit die Wahrscheinlichkeit fuer ein sehr gutes Folgejahr der Hedgefonds-Performance sehr hoch ist. (Vice versa, ist nach guten Jahren die Gewinnwahrscheinlichkeit auch wieder geringer. Beides ist nur gueltig, wenn die Systeme nicht veraendert werden!)
Auch fuer einen Trader kann das bedeuten, dass er entweder extrem gut handelt, oder extrem schlecht. Ein und dasselbe System koennen von 2 Tradern auf Ihre Art und Weise verwendet, und mit den gleichen Systemkennzahlen VOLLKOMMEN UNTERSCHIEDLICHE RETURNS generieren. Wer das laengste Streichholz zieht, der gewinnt….
Jetzt koennte man sich auch auf das Glueck verlassen, und hoffen das es schon schief gehen wird. Doch nach Murphy’s Gesetz, wird es wahrscheinlich schief gehen. Und tatsaechlich ich habe mal einen Test mit den Parametern durchlaufen lassen, die eigentlich einen Break-Even erzielen sollten, und gleich im ersten Versuch kam ich auf ein Endresultat von mehr als -50%, wie man in der obigen Abbildung sieht.
Doch damit nicht genug der schlechten Neuigkeiten. Denn wie man an der obigen Grafik auch erkennt, hat man sich brav an das Einzelpositionsrisiko gehalten. Was, wenn ein Trader jetzt allerdings ein Neuling ist, sich ueberhaupt gluecklich schaetzen darf ein angebliches Break-Even System zu besitzen, und er 5% in normalen Phasen riskiert, und 10% wenn es gerade sehr gut laeuft?
Tja, es sieht nicht gut aus, fuer unseren Trader, der schnell reich werden wollte. Das System, das angeblich +/- 0 macht, hat ihn lange in den Ruin getrieben noch weit vor dem 1000. Trade. Erschwerend kommt hinzu, dass dem Trader dieser Fehler in seiner gesamten Karriere nie passieren darf. Selbst wenn er vorher 1.000.000% Rendite gemacht hat, und sein System faellt dann auf Break-Even und er macht 5% bzw. 10% Einzelpositionsrisiko Trades, dann wird auch seine Karriere hier enden! Auch wenn sie schon 30 Jahre dauerte!
Was, wenn wir also hergehen, und einen kleinen, positiven statistischen Erwartungswert einbauen. Bei einem erwartenden Gewinn von 2R und einer TQ von 35%, muesste man zumindest konstant profitabel sein? Oder?
Nein! Dieser Umstand, wenn man nur einen winzigen Vorteil hat, zeigt sogar sehr schoen wie hoch der Gluecksfaktor ist. Ich habe es hier mal mit 2% Einzelpositionsrisiko (flat) berechnet, und eine erste Abfolge gab eine schoene Rendite, ja das stimmt
Auch ein zweiter Test gab ein positives Ergebnis, allerdings war es um die ersten 500 Trades herum nicht so gut bestellt. Aber auch hier stellte sich ein Ertrag von 50% ein:
Aber lieber noch einen 3. Versuch starten:
Oha! Da schauen ploetzlich mehr als 200% raus! Vielleicht ist es doch ein gutes System? 2x 50% und einmal ueber 200%! Das kann sich doch sehen lassen. Obwohl alle guten Dinge drei sind, habe ich mich gefragt, was denn dann im 4. Jahr passieren koennte:
Und es kam ein Drawdown von 81%! Spielen wir es auf der Trader-Karriere Laufbahn also nach. Ich gehe davon aus, dass Trader Toni mit 10.000 Euro begann. Im ersten Jahr erwirtschaftete er 50%, also hatte er 15.000 Euro. Obwohl er jetzt mal eigentlich Steuern zahlen muesste, lasse ich die aussen vor. Jetzt macht er wieder 50% ist er auf 22.500 Euro nach 2 Jahren. Im 3. Jahr schafft er um die 250% und bringt sein Depot so auf 70.000 Euro. Doch im 4. Jahr schlaegt der Teufel zu, und Toni verliert 81% und ist wieder auf 14.000 Euro!
Wahrscheinlich hat Toni aber gerade jetzt seinen normalen Job gekuendigt und sich darauf gefreut Trader zu sein, weil er endlich konstant profitabel ist. Und im ersten Jahr knallt es ihn gleich runter auf sein Startkapital? Von was soll er jetzt leben? Er erkennt einen Riesenfehler und wechselt wieder in seinen normalen Job zurueck. Er hat aufgegeben - zum grossen Teil aber berechtigt, weil er die Regeln des Spiels nicht verstanden hat.
Rein Interessehalber habe ich dann noch einen Test fuer das 5. Jahr gemacht, und das war das Ergebnis:
Trader Toni waere wieder knapp auf die 70.000 Euro gekommen, doch die hat er jetzt am Tisch liegen lassen. Und all das nur, weil er nicht verstanden hat, dass ein kleiner statistischer Vorteil nicht genug ist, um sein Schicksal aus Fortunas Hand in die eigene zu nehmen.
Und wer von Fortuna nichts wissen will, sondern sich lieber gleich in den Hades stuerzt, der nimmt so ein Break-Even System und riskiert einfach mal so um die 5 oder 10% und sieht, was dann so bei rum kommt:
Aber wer ist denn schon so bloed und riskiert so viel? Naja, alle! Wieso, erklaert dieser Chart:
Man sieht eindeutig, dass bei hohem Einzelpositionsrisiko und einem System mit einem kleinen positiven Erwartungswert ploetzlich eine Chance existiert Millionaer zu werden. Ein paar simulierte Equity-Curves machen Arbeitertraeume wahr. Und so spielen viele Trader Lotto, und hoffen die Chance von 1 zu 100 zu erwischen, die sie Millionaer macht.
Das Problem ist, das ist noch nicht die ganze Story. Denn all das kann NUR funktionieren, wenn keine Break-Even Trades drinnen sind, und von 1000 Trades AUCH JEDER TRADER bei -1R rausflog, wenn es denn so weit kam. Hand aufs Herz: Wer schafft das? Von Slippage und Gebuehren will ich erst gar nicht reden….
Deshalb darf man trotz dem ganzen Psychologie-Kram, und Analyse-Schnickschnack eines nicht vergessen. Man braucht einen SOLIDEN positiven Erwartungswert, eiserne Disziplin und tatsaechlich auch eine Menge Glueck um an der Boerse reich zu werden.
Als ob es nicht schon schwierig genug waere, ein System mit positiven Erwartungswert zu finden….
Hier ein System mit einer TQ von 50% und einem R-Ertrag von 1,5R pro Gewinn. Da braechte ein wirklich gutes Jahr ein neues Haus, und ein normales Jahr eben Lebensunterhalt. Und selbst dann braucht man noch das Quentchen Glueck, damit das System auch seinen positiven Erwartungswert behaelt.
Also liebe Wannabe-Fulltime Trader: jetzt wisst ihr auf was ihr euch einlasst!
Sicherlich auf einen Brocken viel Arbeit, und nicht den schnellen Euro. Wer auch immer behauptet den fuer euch zu haben ist gerade heraus ein Luegner. Auch er kann sich dem Monte-Carlo Faktor nicht entziehen.
Und wenn er in einem Jahr Glueck hatte, heisst das noch lange nicht, dass das naechstes Jahr wieder so ist. Was also tun? Richtig: Trading SELBER lernen. Alles andere ist sinn- und nutzlos.