Trading-Ranges der DAX-Werte vom 16.10.2001
von Rainer Stöttner, Uni Kassel
Wie ist die Tabelle zu lesen? Für jede Aktie – jeden Index etc. – wird zunächst ein Technischer Innerer Wert (TIW) berechnet. Er gibt an, was die Aktie (z.B.) unter Berücksichtigung kurz-, mittel- und langfristiger markttechnischer Bewertungsfaktoren , wie z.B. Trend, Momentum, Zyklik etc., aus heutiger Sicht wert ist. Als Käufer sollte man nie mehr als den TIW bezahlen, sondern versuchen, zu einem darunter liegenden Kurs zu kaufen. Für den Verkäufer gilt das Umgekehrte.
Volatilitätsbedingt kann der Kurs mehr oder weniger stark um den TIW schwanken, wie stark, das hängt von der individuellen Volatilität der betreffenden Aktie ab. Der Unterstützungswert (UW) sollte unter normalen Handels- und Marktbedingungen (Ausnahmen: Bubbles, Crash, Kauf-Panik und dgl.) kaum unterschritten werden. Sollte der Kurs auf seinen UW fallen oder gar darunter, wäre eine äußerst günstige antizyklische Kaufsituation eingetreten. Das Umgekehrte gilt beim Widerstandswert (WW): Er dürfte unter normalen Markt- und Handelsbedingungen nicht überschritten werden. Flexible Trader werden somit Kasse machen, wenn sich der Kurs seinem WW nähert.
Die markttechnische Qualität (MTQ) gibt im wesentlichen den Gesamteindruck wieder, den die Trend- und Momentum-Dynamik hinterläßt. Gemessen wird auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (sehr schlecht). Die Bestnote 1 wird vergeben, wenn sowohl Trend als auch Momentum positiv sind, d.h., die Aufwärtsdynamik des Kurses ungebrochen ist. Die schlechteste Note 6 wird vergeben, wenn sowohl Trend als auch Momentum negativ sind, die Abwärtsdynamik des Kurses also ungebrochen ist.
Da die MTQ langfristige Entwicklungsperspektiven berücksichtigt und außerdem in den Trading-Range-Kursen bereits eskomptiert ist, sagt dieser Qualitätsindikator nichts über die aktuelle Kauf- bzw. Verkaufwürdigkeit einer Aktie aus. Man kann allenfalls sagen, daß es „riskanter“ ist, eine schlecht bewertete Aktie mittel- oder gar langfristig im Portefeuille zu halten als eine gut bewertete Aktie.
Wer sollte die Trading Ranges beachten? Angesprochen werden soll in erster Linie der flexible Trader, der auch mäßige Kursschwankungen konsequent ausnutzen will. Hierzu wird eine strikt antizyklische Strategie implementiert, d.h.: Ist eine Aktie kurzfristig „überkauft“, dann wird sie abgestoßen (vorzugsweise zwischen TIW und WW). Ist eine Aktie kurzfristig „überverkauft“, dann wird sie gekauft (vorzugsweise zwischen TIW und UW). Die Tradingsspanne dürfte in der Regel 10% bis 20% betragen. Aufgrund der üblicherweise nur geringen Kapitalbindungszeiten, d.h. aufgrund des schnellen Kapitalumschlages, sind auf diese Weise sehr hohe Renditen per annum möglich.
Die Trading-Range zielt also darauf ab, den operativen Rahmen für flexible, kurzfristig disponierende Anleger (Trader) abzustecken. Da Kurse auch bei ausgeprägter Trendbestimmung mehr oder weniger stark um den TIW schwanken, ist der Trader bemüht, diese Schwankungen profitabel zu nutzen, indem bei deutlichen Kursabschwächungen antizyklisch gekauft und bei deutlichen Kursbefestigungen antizyklisch verkauft wird. Der Trader nutzt also den „noise“, d.h. die im wesentlichen durch marktbedingte Zufälligkeiten entstandenen Kursschwankungen um den TIW herum.
Vergleichsweise selten bricht der Kurs aus dem Kursband, das von UW bis WW reicht, aus. Sollte es zum Ausbruch kommen, ist dies ein Indiz für eine nachhaltige Neubewertung, möglicherweise verfrüht in Gestalt eines „premature breakout“. Wie geht man damit um?
Wird UW signifikant, d.h. um 3-5%, unterschritten, so deutet dies auf eine nachhaltige Verschlechterung des Trends hin (Kippen eines Aufwärtstrends, Verschärfung eines bestehenden Abwärtstrends). Vorsichtshalber wird der Trader diese Aktie meiden. Besitzt er sie schon, was wahrscheinlich ist, sollte er über einen Stopploss-Verkauf nachdenken, falls er die Position nicht aussitzen möchte. Sobald der Kurs dann wieder über UW steigt, ist die Zeit für erneute Tradingkäufe gekommen.
Wird der WW signifikant überschritten, so deutet dies auf eine nachhaltige Verbesserung des Trends hin (Kippen eines Abwärtstrends, Verschärfung eines Aufwärtstrends bis hin zur Preisblasenbildung). Hier empfiehlt sich der Wechsel von der Tradingstategie zur Trendfolgestrategie, also der prozyklische Kauf der betreffenden Aktie. Insofern kommt hier dem WW die Funktion einer oberen Stopplossmarke zu. Sollte sich der Ausbruch als voreilig erweisen, d.h., fällt der Kurs wider Erwarten unter WW zurück, können hier, je nach Anlegertemperament, die prozyklischen Positionen ausgestoppt oder aber, zwecks späterer antizyklischer Verbilligung, durchgehalten werden.
Hinweis: Alle hier wiedergegebenen Daten sind mit größter Sorgfalt ermittelt und zusammengestellt worden. Fehler können gleichwohl nicht ausgeschlossen werden. Für die Richtigkeit der Angaben wird keinerlei Haftung übernommen.