Heute ist in den USA Feiertag. Die Börsen in Europa sind nach den starken Kursgewinnen in einen leichten Konsolidierungsmodus eingeschwenkt, ansonsten ist nicht viel los. Das lässt mir Zeit, einen kleinen, etwas überspitzten Beitrag übers Traden zu schreiben.
Es gibt ein Phänomen, das jeder Daytrader kennt und mit dem er Tag für Tag kämpft: Emotionen! Hier sind besonders folgende zu nennen: Euphorie, Freude und Gier / Angst, Verzweiflung und Resignation.
Stellen Sie sich vor, Sie haben gerade einen unglaublich guten Trade im Dax-Future hinter sich. Kaum eingestiegen, schoss der Markt in die richtige Richtung. So haben Sie bereits mit dem ersten Trade den angestrebten Betrag X verdient. X übertrifft den Wert, den Sie als Ihr oberstes Tagesoll definiert hatten, um das Doppelte. Anstatt nun aufzuhören und sich entspannt mit der Steuerklärung rumzuärgern, machen Sie einen großen Fehler:
Sie rufen „kurz“ einen Kollegen an, um ihm mitzuteilen, wie genial Sie sind. Während des Gesprächs werden Ihre Augen aufgrund der trefflich inszenierten Selbstbeweihräucherung größer und gieriger. Ihr Monolog endet mit dem verhängnisvollen Satz:„Wenn der erste Trade schon so gut läuft, dann muss das doch heute ein wahnsinnig lukrativer Tag werden!“ Irgendwie will dieses verdammte Bild einer weißen Jacht auf blauem Wasser hinter blauem Himmel nicht so recht aus Ihrem Kopf verschwinden.
Natürlich müssen Sie nun sofort weiter traden. Sie beenden hastig das Gespräch, schließlich wollen Sie aus dem Betrag X heute noch den Betrag Y machen. Y ist ein Betrag, der den Betrag X um ein Vielfaches übersteigt. Ein Betrag, der Ihnen einen gemütlichen Urlaub in einem dieser fünf Sterne Anlagen in der Südsee mit eigenem Buttler und persönlichem Bootssteg verschaffen könnte.
Zudem können Sie jetzt auch ganz beruhigt „auftraden“, denn Sie haben ja schließlich für heute genug Geld im Rücken. Kaum gedacht, haben Sie einen glänzenden Einfall: Mit diesem Gewinn kann man doch auch mal etwas legerere Stops setzen, um so einen wirklich großen Move mitzunehmen. Ein Move, der über mehrer Tage, vielleicht Wochen geht.
Mit fiebrigen Augen und zittrigem Zeigefinger geht es ran ans eitle Werk.
Fehler?
Wenn Sie mir nur fünf der vielen Trading-Fehler verraten können, die in diesem kleinen Auszug versteckt sind, dann dürften Sie schon ein guter Trader sein. Wenn Sie mir dann noch sagen können, warum der Trader am Abend seinen größten Tagesverlust des Jahres gemacht haben wird, und aus diesem Grund einen unnötigen Streit mit seiner Lebensgefährtin vom Zaun bricht, dann haben Sie sicherlich auch schon die tiefsten Abgründe des Tradens kennengelernt.
1. Fehler:
Wenn Sie Ihr Tagesoll erreicht haben, müssen Sie aufhören. Schließlich hören Sie auch (hoffentlich) auf, wenn Sie ihre Tagesverlustgrenze erreicht haben. Ansonsten laufen Sie in Gefahr, in die von mir als „Roulette Effekt“ bezeichnete Zockerfalle zu geraten:
Spielbanken verdienen nämlich unter anderem deswegen so viel Geld, weil diejenigen, die verlieren, spätestens gehen, wenn sie pleite sind oder das Geld verloren haben, was sie an diesem Abend verlieren wollten (Verlustuntergrenze). Diejenigen hingegen, die Gewinne machen, bleiben noch etwas – meistens bis auch sie wieder pleite sind oder zumindest den Gewinn wieder verjubelt haben. Unter dem Strich verlassen also die meisten Menschen ohne Gewinn/mit Verlust das Casino.
Und genau dieser Effekt kann je nach Erfahrung eintreten, wenn Sie bei Gewinnen weitertraden und bei Verlusten aufhören.
Das ist jedoch nur eine oberflächliche Betrachtung der Aspekte, welche nur dazu dient, das Problem eingängig zu verdeutlichen. Im Kern geht es zum einen darum, dass wenn Ihre angestrebten Gewinne im Verhältnis zu Ihren Trades zu groß werden, Sie offenbar ein zu hohes Risiko fahren. Ein anderer Punkt ist, dass die wenigsten Trader in der Lage sind, Ihre Gefühle zu kontrollieren und nach solchen Gewinnen nicht schnell genug wieder „runter“ kommen. Mit Emotionen, egal ob es Angst oder Gier ist, lässt sich nie gut traden. Dazu am Schluss noch etwas mehr.
2. Fehler:
Sie rufen einen Kollegen an, um zu erzählen wie genial Sie sind. Sie sind nicht genial, Sie haben lediglich Glück gehabt. Sie rufen den Kollegen ja auch nicht jedes Mal an, um ihm zu sagen, wie schlecht Sie sind, wenn Ihre Position in den Verlust gelaufen ist, oder Sie das Tagesverlustlimit erreicht haben. Leider wollen wir immer die Gewinne auf unserem „Ego-Konto“ abbuchen, das erkaufen wir aber damit, dass dann auch die Verluste dort verbucht werden.
Im Prinzip wissen Sie jedoch nie, wie der Markt sich in den nächsten Sekunden/Minuten/Stunden bewegen wird. Es sind nur Wahrscheinlichkeiten. Aber das Wort Wahrscheinlichkeit an sich steht schon für die Abwesenheit von Sicherheit. Mit anderen Worten, es lag nie an Ihrer Genialität, sondern nur an einem „berechneten“ Zufall, der genauso auch in die andere Richtung hätte gehen können.
Der Einstieg beim kurzfristigen Traden ist zunächst einmal absolut zweitrangig. Wichtiger ist es auf Dauer, ein gutes Verlust/Gewinnmanagement zu haben.
Beim Day-Traden geht es demnach nicht um den einen Gewinn, den einen Trade. Es geht darum, unter dem Strich Gewinn zu machen. Viele erfolgreiche Daytrader machen unter dem Strich sogar deutlich mehr Verlusttrades als Gewinntrades. Sie liegen also eigentlich über 50 % der Zeit mit Ihrer Einschätzung falsch. Wenn diese das auf ihr Ego-Konto buchen würden, arme Trader. Es liegt daran, dass sie schnell verkaufen, wenn es gegen sie läuft, aber drin bleiben, wenn es in die richtige Richtung geht. So können wenige Gewinntrades die vielen Verlusttrades bei weitem ausgleichen.
3. Fehler
Wenn der erste Trade schon gut läuft, muss der Tag ein wahnsinnig lukrativer Tradingtag werden. Nein! Jeder Trade hat in etwa die gleiche Eintrittswahrscheinlichkeit. Oder drücken wir es besser so aus: Sie wissen nie, was die Börse in der nächsten Sekunde macht. Es gibt also auch keine Glückstage, keine Pechsträhnen. Es gibt nur relativ „zufällige“ Ereignisse. Wenn der erste Trade so gut läuft, steigt im langfristigen Mittel sogar die „relative“ Wahrscheinlichkeit, dass der nächste Trade nicht gut läuft. Obwohl über diese These kann man trefflich streiten. Fakt ist, eine Schwalbe ist an den Börsen kein Garant für einen Tradingsommer.
4. Fehler
Sie können ganz beruhigt auftraden, weil Sie schließlich nach diesem super Trade genug Geld im Rücken für den heutigen Tag haben. Diese Einstellung macht unvorsichtig. Sie haben nie (!) genug Geld im Rücken, um „beruhigt“ aufzutraden. Sie müssen immer 100 % aufpassen, immer so traden, als gäbe es nur diesen einen Trade. Sie dürfen nie zu relaxed sein, was mögliche Verluste anbetrifft. Leider ist aber genau das eine Einstellung, die viele Leute davon abhält, wirklich erfolgreich zu sein. Kaum läuft es gut, hauen sie alles in die Börse rein, was da ist. Meistens mit einem katastrophalen Erfolg. Egal, ob es gut oder schlecht läuft: Kontinuität ist (zunächst) wichtiger als kurzfristige Gewinnverbesserung.
5. Fehler
Mit „fiebrigen“ Augen traden. Wenn Sie in irgendeiner Art und Weise zu emotional sind, hören Sie sofort auf zu traden. Sie müssen so kalt wie ein Rechenschieber sein. Lassen Sie ihre Emotion weg. Das gilt auch, wenn Sie irgendwelche Probleme haben: Stress mit der Frau, mit dem Job oder einfach nur einen (Alkohol-)Kater, eine Krankheit. Egal, wenn Sie nicht 100 % fit sind, dann traden sie nicht!
Wie geht es nun weiter, mit unserem armen Trader?
Mit einer gierigen Hektik, ohne genaue Analyse, sondern aufgrund seiner etwas außer Kontrolle geratenen Emotion, steigt er in den Markt ein und es läuft schnell gegen ihn. Weil er ja „genug Geld im Rücken“ hat, wartet er mit der Stopabsicherung. Es wird schon wieder drehen, hier kann man cool bleiben. Es dreht auch, aber nur kurz, dann rauscht es weiter in die Tiefe. Normalerweise wäre er schon längst draußen, nun aber, mit dem Geld im Rücken, denkt er: „Komm, das wird schon wieder! Ich warte nur noch die Gegenbewegung ab.“
Es passiert was passieren muss, das Geld ist schon in den Brunnen gefallen. Irgendwann steigt er aus.
Nun kommt Frust auf. Wenigstens den Betrag X will er wieder zurückhaben. Dann hört er auf, versprochen! Also Zähne zusammenbeißen und wieder in den Markt. Natürlich ist dieser gerade uneinheitlich nach so starken Bewegungen. Es tauchen einfach keine aussagekräftigen Signal auf, also wird jedes noch so kleine Signal getradet.
Das geht wieder schief. Nun werden zwar wieder die kurzen Stops eingehalten, aber in dieser Schaukelbörse ist das wiederum genau falsch. Ohne es zu bemerken saust der bisherige Tagesgewinn in den Keller. Bald schon steht er wieder auf Null.
Nervöses Hin- und Herlaufen. Selbstberuhigungsversuche. Dann kommt die große Erleuchtung: „Nun, ist es doch, als hätte ich noch gar nicht getradet. Also kann ich auch einfach so tun, als wäre nichts gewesen und von vorne anfangen!“ Im Prinzip richtig, doch er bleibt emotional angeschlagen. Das Problem: Die Frustrationsschwelle ist nun schon sehr, sehr niedrig. Die Gefahr der „Resignation“ ist nun entsprechend hoch: „Ach, nun ist es auch schon egal!“, ist ein Satz, der meistens zu dramatischen Verlusten führt.
Anschließend ruft die Lebenspartnerin an, wie immer mit einem besonderen Gespür für den entscheidend dramatischen Moment und sagt: „Schatz, ich habe da was Tolles in der Stadt gesehen...“
Warum heißt die Überschrift „Reset-Effekt“?
Wenn Sie sich diesen zugegebenen etwas überspitzten Verlauf ansehen, dann fallen zwei Dinge auf:
Erstens, wer von sich behauptet, er hätte so etwas in der Art noch nie erlebt, ist kein Trader.
Zweitens, all dies wäre nicht passiert, wenn dieser Trader jeden neuen Trade so angefangen hätte, als wäre es der erste. Wenn er also alle vorherigen Gewinne/Verluste einfach ausgeblendet hätte. Nach jedem Trade gilt es den emotionalen Reset-Knopf zu drücken und erst dann weiter zu machen, wenn Sie emotional wieder „bei Null“ sind.
Es ist sehr schwer, fast unmöglich, aber wenn Sie das schaffen, wenn Sie jeden Trade unabhängig davon traden, was vorher passiert ist, dann haben Sie eine gute Chance, nicht in die Fallen des Tradens zu geraten. Erst dann fällt auch die Notwendigkeit von Verlust/Gewinngrenzen weg. Das geht bis zu dem Punkt, wo Sie Ihren guten noch laufenden Trades auch Geld „nachwerfen“ können, um aus jedem Trade ein Optimum herauszuholen. Dann dürften Sie aber bereits im Trading-Olymp angekommen sein.
So aber führen diese starren Grenzen einer Tagesobergrenze/Tagesverlustgrenze dazu, sofern man sie einhält, dass man erst einmal eine Nacht über alles schlafen muss, das reicht oft genug, um wieder einen klaren Kopf zu haben....