dpa-AFX-Nachricht
Donnerstag, 01.03.2001, 13:18
Die GoingPublic-Kolumne: Das Greenspan Dilemma
WOLFRATSHAUSEN (GoingPublic) - Retter in der Not. Das ist die Rolle, die Alan Greenspan zugesprochen wird. Helfen soll er, wenn es an der Börse brennt. Daß diese Zwangsbesetzung auch Gefahren birgt, wird jedoch gern übersehen.
Es ist zweifellos eine schöne Vorstellung, keine Frage. Gleichzeitig aber so paradox wie ein Spielcasino mit Null-Risiko. Ganze Volkswirtschaften spekulieren nach Herzenslust drauflos, spekulieren gegen Währungen, investieren in hochriskante Hedgefonds, um noch das letzte Tröpfchen Rendite aus ihrem Vermögen herauszupressen. Und wenn der "Spieltisch" Weltfinanzmarkt einmal in Schieflage gerät, dann wird eben Greenspan gerufen, um alles wieder ins Lot zubringen. So zumindest - etwas überspitzt dargestellt - die gängige Meinung.
Bisher hat es auf diese Weise auch immer funktioniert. Wenn es richtig brenzlig wurde, hat es Alan Greenspan, Chef der US-Notenbank, noch jedesmal geschafft, den Finanzmärkten das verlorene Vertrauen zurückzugeben. Ein Übervater sozusagen, auf den Verlaß ist. Doch die Sache hat einen entscheidenden Haken.
Eine Notenbank ist nicht primär zuständig für die Stabilisierung der Finanzmärkte, sondern zur Sicherung der Geldwertstabilität und damit zur Steuerung der Wirtschaft. Das Problem an der Sache ist nur, daß sich die Wechselwirkung von Börse und Wirtschaft in den letzten Jahren verstärkt, um nicht zu sagen, umgekehrt hat. Früher beeinflußte der Unternehmensgewinn den Aktienkurs. Heute ist es der Börsenkurs, der mittelbar über die Unternehmensentwicklung entscheidet. Ein treffliches Beispiel dafür ist die Informations- und Kommunikationsindustrie.
Die von Vertretern dieser jungen Branche angebotene Technologie stieß auf eine riesige Nachfrage, konnten auf diese Weise doch immense Produktivitätszuwächse realisiert werden. Die "New Economy" boomte, und so auch ihre Aktien. Die wiederum bescherten ihren Aktionären sagenhafte Gewinne, die Kaufkraft stieg und damit wiederum die Gewinne der Unternehmen. So schaukelte eins das andere auf, bis - ja, bis sich der Prozeß auf die gleiche Weise ins Gegenteil verkehrte.
Die Börsen sind nachhaltig und auf breiter Front eingebrochen. Die Kurse sind abgesackt, und der vermeintliche Reichtum der Anleger hat sich förmlich in Luft aufgelöst - mit folgenschweren Konsequenzen für die Wirtschaft. Nicht nur, daß die Zeit für Investitionen nun vorbei ist, auch die Kaufkraft der Haushalte ist kaum mehr vorhanden, denn die Anleger sitzen momentan auf einem Berg fast wertloser Firmenanteile. Es hat sich auskonsumiert - womit insbesondere der amerikanischen Wirtschaft einer ihrer größten Triebfedern fehlt.
So kommt es also, daß Greenspan nicht die Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft über die Geldmenge reguliert, sondern durch Zinsänderungen Einfluß auf die Entwicklung der Börse und damit auf die Kaufkraft der Konsumenten nimmt. Das aber funktioniert nur solange, wie die Mehrheit der Marktteilnehmer an diesen Mechanismus glaubt. Sollte das Vertrauen in die Allmacht Greenspans einmal zu bröckeln beginnen, könnte das zu einem bösen Erwachen führen.
(Die GoingPublic-Kolumne ist ein Service des GoingPublic Magazins, Deutschlands führendem Börsenmagazin zu Neuemissionen und Neuer Markt. Bezogen werden kann das Magazin unter www.goingpublic-online.de. GoingPublic ist allein für die Inhalte der Kolumne verantwortlich. Informationen zu einzelnen Unternehmen stellen keine Aufforderung zum Kauf bzw. Verkauf von Aktien dar. Die Kolumne erscheint in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.)
info@dpa-AFX.de
Donnerstag, 01.03.2001, 13:18
Die GoingPublic-Kolumne: Das Greenspan Dilemma
WOLFRATSHAUSEN (GoingPublic) - Retter in der Not. Das ist die Rolle, die Alan Greenspan zugesprochen wird. Helfen soll er, wenn es an der Börse brennt. Daß diese Zwangsbesetzung auch Gefahren birgt, wird jedoch gern übersehen.
Es ist zweifellos eine schöne Vorstellung, keine Frage. Gleichzeitig aber so paradox wie ein Spielcasino mit Null-Risiko. Ganze Volkswirtschaften spekulieren nach Herzenslust drauflos, spekulieren gegen Währungen, investieren in hochriskante Hedgefonds, um noch das letzte Tröpfchen Rendite aus ihrem Vermögen herauszupressen. Und wenn der "Spieltisch" Weltfinanzmarkt einmal in Schieflage gerät, dann wird eben Greenspan gerufen, um alles wieder ins Lot zubringen. So zumindest - etwas überspitzt dargestellt - die gängige Meinung.
Bisher hat es auf diese Weise auch immer funktioniert. Wenn es richtig brenzlig wurde, hat es Alan Greenspan, Chef der US-Notenbank, noch jedesmal geschafft, den Finanzmärkten das verlorene Vertrauen zurückzugeben. Ein Übervater sozusagen, auf den Verlaß ist. Doch die Sache hat einen entscheidenden Haken.
Eine Notenbank ist nicht primär zuständig für die Stabilisierung der Finanzmärkte, sondern zur Sicherung der Geldwertstabilität und damit zur Steuerung der Wirtschaft. Das Problem an der Sache ist nur, daß sich die Wechselwirkung von Börse und Wirtschaft in den letzten Jahren verstärkt, um nicht zu sagen, umgekehrt hat. Früher beeinflußte der Unternehmensgewinn den Aktienkurs. Heute ist es der Börsenkurs, der mittelbar über die Unternehmensentwicklung entscheidet. Ein treffliches Beispiel dafür ist die Informations- und Kommunikationsindustrie.
Die von Vertretern dieser jungen Branche angebotene Technologie stieß auf eine riesige Nachfrage, konnten auf diese Weise doch immense Produktivitätszuwächse realisiert werden. Die "New Economy" boomte, und so auch ihre Aktien. Die wiederum bescherten ihren Aktionären sagenhafte Gewinne, die Kaufkraft stieg und damit wiederum die Gewinne der Unternehmen. So schaukelte eins das andere auf, bis - ja, bis sich der Prozeß auf die gleiche Weise ins Gegenteil verkehrte.
Die Börsen sind nachhaltig und auf breiter Front eingebrochen. Die Kurse sind abgesackt, und der vermeintliche Reichtum der Anleger hat sich förmlich in Luft aufgelöst - mit folgenschweren Konsequenzen für die Wirtschaft. Nicht nur, daß die Zeit für Investitionen nun vorbei ist, auch die Kaufkraft der Haushalte ist kaum mehr vorhanden, denn die Anleger sitzen momentan auf einem Berg fast wertloser Firmenanteile. Es hat sich auskonsumiert - womit insbesondere der amerikanischen Wirtschaft einer ihrer größten Triebfedern fehlt.
So kommt es also, daß Greenspan nicht die Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft über die Geldmenge reguliert, sondern durch Zinsänderungen Einfluß auf die Entwicklung der Börse und damit auf die Kaufkraft der Konsumenten nimmt. Das aber funktioniert nur solange, wie die Mehrheit der Marktteilnehmer an diesen Mechanismus glaubt. Sollte das Vertrauen in die Allmacht Greenspans einmal zu bröckeln beginnen, könnte das zu einem bösen Erwachen führen.
(Die GoingPublic-Kolumne ist ein Service des GoingPublic Magazins, Deutschlands führendem Börsenmagazin zu Neuemissionen und Neuer Markt. Bezogen werden kann das Magazin unter www.goingpublic-online.de. GoingPublic ist allein für die Inhalte der Kolumne verantwortlich. Informationen zu einzelnen Unternehmen stellen keine Aufforderung zum Kauf bzw. Verkauf von Aktien dar. Die Kolumne erscheint in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.)
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