Tiscali: Als David gegen die GoliathsInternet: Internet Service Provider Tiscali tritt mit günstiger DSL-Flatrate und einem Business-Portal gegen die Großen der Branche an |
VDI nachrichten, 29.8.2003
Mühlner: Wir rechnen mit einem Potenzial von 55 % der 17 Mio. deutschen Internetnutzer, die für eine Flatrate überhaupt erreichbar sind – wenn der Preis stimmt. Untersuchungen zeigen, dass die Akzeptanz für eine Flatrate bei einem Preis über 30 € stark abnimmt. Außerdem wollen wir ein deutliches Zeichen setzen im Sinne von: Breitband für alle. VDI nachrichten: Ihre Portalstrategie unterscheidet sich von den Bundlingangeboten der Konkurrenz à la T-Online. Mühlner: Wir verkaufen keine Bundlingangebote, die den Kunden dazu zwingen, Access nur im Zusammenhang mit Content zu kaufen. Unser Zugang wird ohne Zwangsinhalte oder Zwangsportalisierung (wie bei AOL oder T-Online) angeboten und ist daher nicht nur günstiger, sondern auch kundenorientierter. VDI nachrichten: Da fällt eine gewisse Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen eher schwer. Mühlner: Das stimmt, wir sind ein General-Interest-Portal mit einer lockeren Fokussierung auf 25- bis 50-jährige Privatpersonen. Aber die Erfolge dieser Strategie geben uns recht: Wir sind die Nr. 3 bei den Breitbandanbietern, bei den Narrowanbietern sind wir Nummer 4 und bei den Portalen stehen wir auf Platz 7. Wir haben also eine gute Marktposition. VDI nachrichten: Im Herbst startet das Tiscali-Business-Portal mit dem Schlagwort „Mobile Office Gateway“. Mühlner: Das ist ein Angebot, welches den Informationsbedürfnissen und der vorhandenen IT-Infrastruktur der Unternehmen entspricht – schnell, effizient und kalkulierbar. Wir nutzen alle mobilen Verbindungstechnologien wie GSM, GPRS, HSCSD, WLAN und UMTS und bieten Anschluss an sämtliche mobilen Endgeräte wie PDAs, Smartphones und WAP-Phones. VDI nachrichten: Sex sells – das ist ein Vorwurf, der Ihnen gemacht wird, seit Tiscali verstärkt auf Erotik setzt. Mühlner: Wir waren einige der wenigen, die sich in der Vergangenheit überhaupt nicht auf Erotik fokussiert haben – aber das wird jetzt europäisch aufgeweicht. Erotische Angebote werden in Europa verlangt, also auch angeboten. Daran kommt keiner mehr vorbei. In den Niederlanden musste beispielsweise ein Anbieter 70 % Umsatzeinbußen hinnehmen, als er seine Erotikangebote vom Markt nahm. Wir werden diesen Bereich sehr dezent und hochwertig ausbauen. VDI nachrichten: Das funktioniert aber nur, wenn ein funktionierendes Bezahlsystem zu Grunde liegt. Mühlner: Absolut richtig. Viele Anbieter machen den Fehler, ihre Kunden zu viele persönliche Daten abzuverlangen. Muss ich meinen Kunden bei kleinere Transaktionen wirklich mit Name und Anschrift kennen? Nein, oder fänden Sie es prickelnd, wenn der Eisverkäufer erst mal nach Ihrem Personalausweis verlangt, bevor er Ihnen die Waffel in die Hand drückt? VDI nachrichten: In letzter Zeit ist heftige Kritik laut geworden: Tiscali verlangsame die Performance bei Powerusern und abgemeldete Kunden bekommen noch monatelang Rechnungen und Mahnungen gestellt. Mühlner: Ich kenne die Kritik, ich halte mich auch oft in den betreffenden Foren auf, um am Puls der Zeit zu sein. Die Abrechnungsfehler bedauern wir sehr und wir hoffen, sie mittlerweile im Griff zu haben. Das Problem lag darin, dass wir das Callcenter outgesourct haben – eine große Managementfehlentscheidung. Wir hatten den falschen Partner und das unpassende Geschäftsmodell für Outsourcing. Wenn sich – wie bei uns – Dinge schnell verändern und schnelle Anpassungen erfordern, ist ein ausgelagertes Callcenter ungeeignet. Seit Oktober 2002 verfünffachten sich die Anrufe, aber der Outsourcing-Partner stellte nicht mehr Kapazitäten zur Verfügung – da ging einiges verloren. In unserem Geschäft kann man nur bestimmte, stabile Teilbereiche outsourcen, wobei man strategisch und effektiv vorgehen muss – das mussten wir erst schmerzlich lernen. Wir haben jetzt 60 %, d.h. 90 Mitarbeiter, wieder zurück ins Boot geholt und jetzt stimmt unser Service-Level wieder. VDI nachrichten: Und was ist mit der Kritik betreffend dem mangelnden Datendurchsatz bei Powerusern? Mühlner: Wir hatten Probleme bei drei unserer 27 Routern, das war das eine Problem. Das andere betrifft eine ganz andere Problematik: Urheberrecht. Wir beobachten bei konkretem Verdacht auf Urheberrechtsverletzungen bestimmte Poweruser, die Datenaustauschraten aufweisen, die selbst für „normale“ Poweruser ungewöhnlich hoch sind und darauf hindeuten, dass mit illegalem Datenmaterial gehandelt wird. Derzeit werden rund 160 Kunden beobachtet und dieser Beobachtungsprozess mindert die Durchsatzperformance. Wir werden aber erst bei ganz konkreten Verdachtsmomenten in dieser Richtung aktiv. VDI nachrichten: ... was uns zwangsläufig zu Ihrer Meinung zur Copyright-Novelle führt. Mühlner: Ganz klar: Es ist absolut positiv, Urheberrechte zu schützen. Aus Sicht der ISPs (Internet Service Provider) verändert sich nicht all zu viel – wir waren immer schon aufgefordert, bei Verdachtsmomenten aktiv zu werden. Es könnten allerdings ellenlange Listen mit IP-Nummern hinzukommen, die wir kontrollieren und abarbeiten müssten. Mal abwarten. VDI nachrichten: Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen? Mühlner: Mein Wunsch geht an Gerhard Schröder: Er soll endlich eine vernünftige, übergeordnete Instanz für die RegTP (Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post) schaffen. Solange das bei uns die Verwaltungsgerichte sind mit fachfremden Richtern und jahrelangen Verfahren, wird eine effektive Regulierung einfach nicht funktionieren. Entweder schafft man eine parlamentarische Instanz oder man schafft zumindest eine Gerichtsbarkeit, die das Fachwissen mitbringt, um die notwendigen ökonomischen wie technischen Probleme angehen zu können.
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