TexDAX: Verdopplung in Reichweite? (EuramS) 31.08.2003
09:46
Verwundert reiben sich Börsianer die Augen: Der TecDAX steigt und steigt. Weil viele Profis dem Aufschwung noch nicht trauen, haben sie die erste Erholungsphase verschlafen und müssen jetzt teuer nachkaufen – eine 100-Prozent-Chance.
Der Tod des Neuen Marktes war die Wiedergeburt der Technologie-Werte. Um rund 45 Prozent hat der TecDAX, der Nachfolger des abgestürzten Nemax-50-Index, seit seinem Start am 24. März dieses Jahres zugelegt. Und beim aktuellen Stand von 513 Punkten muss nicht Schluss sein. „Wenn die Konjunktur anspringt, sind 1000 Punkte in den nächsten 18 Monaten drin“, sagt Marcus Ratz von der Frankfurter Fondsgesellschaft Lupus alpha. 1000 Punkte – das klingt utopisch. Doch bei den Techno-Werten kann es schnell gehen. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, stürzte der Nemax-50 innerhalb von zehn Tagen auf 641 Punkte ab. Danach verdoppelte er sich – innerhalb von nur zwei Monaten.
Aber historische Kursbewegungen sind keine Fundamentaldaten. Deshalb schränkt Lupus-alpha-Fondsmanager Ratz auch gleich ein: „Ohne positive Konjunkturdaten wäre unser positives Szenario hinfällig.“
Doch die Chancen dafür stehen gut: Obwohl sich das Konsumklima im Einzelhandel durch die Hitzewelle der vergangenen Wochen etwas eingetrübt hat, stieg der Geschäftsklima-Index des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) im August zum vierten Mal in Folge. Das gibt Hoffnung. Denn wie die Vergangenheit gezeigt hat, reagieren Technologie-Unternehmen und ihre Aktien durchaus zyklisch auf die Konjunktur.
Kein Wunder: Im TecDAX tummeln sich Halbleiter-, Software- und Spezialmaschinen-Hersteller, deren Geschäftsverlauf von der Investitionsbereitschaft anderer Unternehmen abhängt. Wenn diese wegen der lauen Konjunktur selbst sparen, bleiben die Auftragsbücher der Zulieferer leer. Doch vor allem im Halbleiter-Segment zeichnet sich mittlerweile ein Silberstreif am Horizont ab. Als der weltgrößte Chip-Hersteller Intel vorvergangene Woche seine Umsatzprognose anhob, war dies das lang ersehnte Startsignal für die gebeutelten Chip-Werte im TecDAX. Die Kurse von Aixtron, Elmos oder Micronas legten kräftig zu.
Vom Ausmaß des Anstiegs wurden selbst viele Experten überrascht. Schließlich ist es schwer zu prognostizieren, wie lange die Zyklen in der Halbleiter-Industrie dauern und wann die Aktien wieder abstürzen. Besonders der jüngste Kursschub bei Aixtron ist nach wenig überzeugenden Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Hintergrund sind Übernahmegerüchte. Sollten sich diese nicht bewahrheiten, könnte die Party abrupt vorbei sein. Trotzdem: Wer nach dem Motto „Gebranntes Kind scheut das Feuer“ auf einen Lerneffekt bei den Anlegern setzte, wurde gänzlich auf dem falschen Fuß erwischt. „Angst und Gier sind an der Börse die bestimmenden Strömungen. Zurzeit ist der Gier-Faktor höher“, erklärt Fondsmanager Ratz.
Technisch gesehen präsentiert sich der Markt in einer blendenden Verfassung. „Nicht auszudenken, was vor einem halben Jahr passiert wäre, wenn in New York die Lichter ausgegangen wären“, sagt Ratz. Heute gehen die Börsianer schon nach einer Stunde wieder zur Tagesordnung über. Selbst die bevorstehenden, historisch schwachen Börsenmonate September und Oktober können die Kauflaune der Anleger nicht bremsen. „Der Markt spielt derzeit das Szenario einer Konjunkturerholung“, bestätigt Ratz’ Kollege Raik Hoffmann, Fondsmanager bei der DWS.
Die Folge sind Kursexzesse wie zu besten Zeiten des Neuen Marktes. Den Anfang machten die Internet-Werte, die sich wegen ihres starken Privatkundengeschäfts wesentlich besser vom Investitionsklima der Wirtschaft abkoppeln können als die Zuliefer-Industrie. Die Kurs-Verdoppelungen bei T-Online und Web.de waren im Vergleich zu United Internet (250 Prozent gegenüber dem Jahrestief) und TecDAX-Neuling Freenet (über 1000 Prozent) sogar noch eher moderat. Mit einem Börsenwert von zwölf Milliarden Euro hätte sich T-Online ohnehin längst für den DAX qualifiziert, lägen nicht über 70 Prozent der Anteile bei der Mutter Deutsche Telekom. Deshalb entschied die Deutsche Börse bei der jüngsten Index-Anpassung, dass T-Online vorerst im TecDAX bleibt. Und das ist gut so, meint Fondsmanager Ratz: „Dem TecDAX kann ein solches Aushängeschild nur gut tun.“ Und wenn T-Online bei der nächsten DAX-Anpassung doch aufrückt, wäre auch das gut fürs Prestige des Techno-Index, weil es dann, so Ratz, „ein schillerndes Beispiel dafür wäre, dass TecDAX-Titel zu Blue Chips werden können“.
Schnäppchen sind die Tech-Titel allerdings längst nicht mehr. Doch das scheint derzeit niemanden ernsthaft zu stören. Es liegt wohl daran, dass fast alle TecDAX-Titel von ihren historischen Höchstständen aus dem Jahr 2000 (damals stand der Nemax 50 bei über 9000 Punkten) immer noch meilenweit entfernt sind.
Beispiel Singulus: Obwohl die Aktie des Herstellers von CD- und DVD-Produktionsanlagen gegenüber ihrem Tief mittlerweile um mehr als 100 Prozent zugelegt hat, hätte das Papier bis zum Allzeithoch bei 74,49 Euro noch gut 270 Prozent Kurspotenzial. Nun mag das wenig realistisch erscheinen, da das Allzeithoch genauso übertrieben gewesen sein dürfte wie das Tief vom vergangenen März. Da das Unternehmen jedoch derzeit vom Boom der wiederbeschreibbaren DVD profitiert, kursieren bereits Kursziele von 30 Euro.
Auch beim Index-Schwergewicht Qiagen hat sich die Lage deutlich aufgehellt. Novartis und andere Pharma-Giganten haben angekündigt, die Forschungsausgaben in Zukunft wieder zu erhöhen, wovon der Biotech-Zulieferer profitieren sollte.
Allerdings teilen längst nicht alle Experten den Optimismus: „Die Konjunktur müsste schon sehr bald sehr deutlich anziehen, damit sich der TecDAX bis Ende des kommenden Jahres verdoppelt“, sagt DWS-Fondsmanager Raik Hoffmann. „Und daran glauben die meisten Firmen selbst nicht.“ Zwar erwartet auch er keinen neuerlichen Ausverkauf der Techno-Titel, da zum einen noch viel Geld nach Anlagemöglichkeiten suche, zum anderen alle Institutionellen, die aus dem Markt raus wollten, ihre Portfolios bereits „exekutiert“ hätten. Doch um den TecDAX auf die Marke von 1000 Punkte zu hieven, müssten vor allem die sechs Index-Schwergewichte Qiagen, T-Online, BB Biotech, Singulus, Epcos und Micronas, die zusammen rund 56 Prozent der TecDAX-Performance ausmachen, deutlich anziehen.
„Und das wird schwierig, weil die meisten dieser Titel schon jetzt hoch bewertet sind“, warnt Hoffmann. Trotzdem will auch er eine Verdoppelung des Punktestands nicht ausschließen – allerdings „eher auf Sicht von vier Jahren“. Aber auch das wäre für Anleger ja nicht das Schlechteste
Quelle: Euro am Sonntag
09:46
Verwundert reiben sich Börsianer die Augen: Der TecDAX steigt und steigt. Weil viele Profis dem Aufschwung noch nicht trauen, haben sie die erste Erholungsphase verschlafen und müssen jetzt teuer nachkaufen – eine 100-Prozent-Chance.
Der Tod des Neuen Marktes war die Wiedergeburt der Technologie-Werte. Um rund 45 Prozent hat der TecDAX, der Nachfolger des abgestürzten Nemax-50-Index, seit seinem Start am 24. März dieses Jahres zugelegt. Und beim aktuellen Stand von 513 Punkten muss nicht Schluss sein. „Wenn die Konjunktur anspringt, sind 1000 Punkte in den nächsten 18 Monaten drin“, sagt Marcus Ratz von der Frankfurter Fondsgesellschaft Lupus alpha. 1000 Punkte – das klingt utopisch. Doch bei den Techno-Werten kann es schnell gehen. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, stürzte der Nemax-50 innerhalb von zehn Tagen auf 641 Punkte ab. Danach verdoppelte er sich – innerhalb von nur zwei Monaten.
Aber historische Kursbewegungen sind keine Fundamentaldaten. Deshalb schränkt Lupus-alpha-Fondsmanager Ratz auch gleich ein: „Ohne positive Konjunkturdaten wäre unser positives Szenario hinfällig.“
Doch die Chancen dafür stehen gut: Obwohl sich das Konsumklima im Einzelhandel durch die Hitzewelle der vergangenen Wochen etwas eingetrübt hat, stieg der Geschäftsklima-Index des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) im August zum vierten Mal in Folge. Das gibt Hoffnung. Denn wie die Vergangenheit gezeigt hat, reagieren Technologie-Unternehmen und ihre Aktien durchaus zyklisch auf die Konjunktur.
Kein Wunder: Im TecDAX tummeln sich Halbleiter-, Software- und Spezialmaschinen-Hersteller, deren Geschäftsverlauf von der Investitionsbereitschaft anderer Unternehmen abhängt. Wenn diese wegen der lauen Konjunktur selbst sparen, bleiben die Auftragsbücher der Zulieferer leer. Doch vor allem im Halbleiter-Segment zeichnet sich mittlerweile ein Silberstreif am Horizont ab. Als der weltgrößte Chip-Hersteller Intel vorvergangene Woche seine Umsatzprognose anhob, war dies das lang ersehnte Startsignal für die gebeutelten Chip-Werte im TecDAX. Die Kurse von Aixtron, Elmos oder Micronas legten kräftig zu.
Vom Ausmaß des Anstiegs wurden selbst viele Experten überrascht. Schließlich ist es schwer zu prognostizieren, wie lange die Zyklen in der Halbleiter-Industrie dauern und wann die Aktien wieder abstürzen. Besonders der jüngste Kursschub bei Aixtron ist nach wenig überzeugenden Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Hintergrund sind Übernahmegerüchte. Sollten sich diese nicht bewahrheiten, könnte die Party abrupt vorbei sein. Trotzdem: Wer nach dem Motto „Gebranntes Kind scheut das Feuer“ auf einen Lerneffekt bei den Anlegern setzte, wurde gänzlich auf dem falschen Fuß erwischt. „Angst und Gier sind an der Börse die bestimmenden Strömungen. Zurzeit ist der Gier-Faktor höher“, erklärt Fondsmanager Ratz.
Technisch gesehen präsentiert sich der Markt in einer blendenden Verfassung. „Nicht auszudenken, was vor einem halben Jahr passiert wäre, wenn in New York die Lichter ausgegangen wären“, sagt Ratz. Heute gehen die Börsianer schon nach einer Stunde wieder zur Tagesordnung über. Selbst die bevorstehenden, historisch schwachen Börsenmonate September und Oktober können die Kauflaune der Anleger nicht bremsen. „Der Markt spielt derzeit das Szenario einer Konjunkturerholung“, bestätigt Ratz’ Kollege Raik Hoffmann, Fondsmanager bei der DWS.
Die Folge sind Kursexzesse wie zu besten Zeiten des Neuen Marktes. Den Anfang machten die Internet-Werte, die sich wegen ihres starken Privatkundengeschäfts wesentlich besser vom Investitionsklima der Wirtschaft abkoppeln können als die Zuliefer-Industrie. Die Kurs-Verdoppelungen bei T-Online und Web.de waren im Vergleich zu United Internet (250 Prozent gegenüber dem Jahrestief) und TecDAX-Neuling Freenet (über 1000 Prozent) sogar noch eher moderat. Mit einem Börsenwert von zwölf Milliarden Euro hätte sich T-Online ohnehin längst für den DAX qualifiziert, lägen nicht über 70 Prozent der Anteile bei der Mutter Deutsche Telekom. Deshalb entschied die Deutsche Börse bei der jüngsten Index-Anpassung, dass T-Online vorerst im TecDAX bleibt. Und das ist gut so, meint Fondsmanager Ratz: „Dem TecDAX kann ein solches Aushängeschild nur gut tun.“ Und wenn T-Online bei der nächsten DAX-Anpassung doch aufrückt, wäre auch das gut fürs Prestige des Techno-Index, weil es dann, so Ratz, „ein schillerndes Beispiel dafür wäre, dass TecDAX-Titel zu Blue Chips werden können“.
Schnäppchen sind die Tech-Titel allerdings längst nicht mehr. Doch das scheint derzeit niemanden ernsthaft zu stören. Es liegt wohl daran, dass fast alle TecDAX-Titel von ihren historischen Höchstständen aus dem Jahr 2000 (damals stand der Nemax 50 bei über 9000 Punkten) immer noch meilenweit entfernt sind.
Beispiel Singulus: Obwohl die Aktie des Herstellers von CD- und DVD-Produktionsanlagen gegenüber ihrem Tief mittlerweile um mehr als 100 Prozent zugelegt hat, hätte das Papier bis zum Allzeithoch bei 74,49 Euro noch gut 270 Prozent Kurspotenzial. Nun mag das wenig realistisch erscheinen, da das Allzeithoch genauso übertrieben gewesen sein dürfte wie das Tief vom vergangenen März. Da das Unternehmen jedoch derzeit vom Boom der wiederbeschreibbaren DVD profitiert, kursieren bereits Kursziele von 30 Euro.
Auch beim Index-Schwergewicht Qiagen hat sich die Lage deutlich aufgehellt. Novartis und andere Pharma-Giganten haben angekündigt, die Forschungsausgaben in Zukunft wieder zu erhöhen, wovon der Biotech-Zulieferer profitieren sollte.
Allerdings teilen längst nicht alle Experten den Optimismus: „Die Konjunktur müsste schon sehr bald sehr deutlich anziehen, damit sich der TecDAX bis Ende des kommenden Jahres verdoppelt“, sagt DWS-Fondsmanager Raik Hoffmann. „Und daran glauben die meisten Firmen selbst nicht.“ Zwar erwartet auch er keinen neuerlichen Ausverkauf der Techno-Titel, da zum einen noch viel Geld nach Anlagemöglichkeiten suche, zum anderen alle Institutionellen, die aus dem Markt raus wollten, ihre Portfolios bereits „exekutiert“ hätten. Doch um den TecDAX auf die Marke von 1000 Punkte zu hieven, müssten vor allem die sechs Index-Schwergewichte Qiagen, T-Online, BB Biotech, Singulus, Epcos und Micronas, die zusammen rund 56 Prozent der TecDAX-Performance ausmachen, deutlich anziehen.
„Und das wird schwierig, weil die meisten dieser Titel schon jetzt hoch bewertet sind“, warnt Hoffmann. Trotzdem will auch er eine Verdoppelung des Punktestands nicht ausschließen – allerdings „eher auf Sicht von vier Jahren“. Aber auch das wäre für Anleger ja nicht das Schlechteste
Quelle: Euro am Sonntag