Mitten in den Machtkampf an der Konzern-Spitze platzt eine Strafanzeige gegen den kompletten Telekom-Vorstand. Ein Anwalt wirft den Managern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Voicestream Untreue und schwere Verstöße gegen Bilanzierungsregeln vor. Durch den Deal seien die T-Aktionäre um mehr als 20 Milliarden Euro geschädigt worden.
Hamburg/Bonn – Als hätte die Deutsche Telekom mit ihren Milliardenschulden, dem Streit um Vorstandschef Ron Sommer und den laufenden Klagen um die finanzielle Fehlbewertung ihrer Immobilien nicht schon genug Probleme, droht nun neues Ungemach. Der Mannheimer Anwalt Dr. Wolfgang Philipp hat beim Landgericht Bonn Strafanzeige gegen den kompletten Vorstand der Telekom eingereicht.
Der auf Gesellschaftsrecht spezialisierte Jurist wirft der Telekom im Zusammenhang mit dem Erwerb des amerikanischen Mobilfunkunternehmens Voicestream schwere Verstöße gegen das Aktienrecht vor. Er beschuldigt in der Strafanzeige, die manager-magazin.de vorliegt, den Telekom-Vorstand der Untreue und des Verstoßes gegen Bilanzierungsvorschriften.
Die Staatsanwaltschaft in Bonn bestätigte am Dienstag auf Anfrage den Eingang der Strafanzeige. Sie ermittelt im Zusammenhang mit der Telekom bereits wegen des Verdachts der Bilanzfälschung. Ein Sprecher des Konzerns wies am Dienstag auf Anfrage die Vorwürfe zurück.
Nach Angaben des Anwalts hatte das Bonner Unternehmen im September 2000 und im Mai 2001 sämtliche Aktien der US-Firma Voicestream Wireless Corporation erworben. Das Geschäft wurde teils durch Barzahlung und teils durch die Ausgabe von mehr als einer Milliarde junger Telekom-Aktien abgewickelt. Zeichnerin der jungen Aktien sei die Citibank als Treuhänderin für die früheren Aktionäre der Firma Voicestream gewesen, so der Jurist.
Aktienkapital wurde stark verwässert
Durch die seiner Meinung nach rechtswidrige und missbräuchliche Ausnutzung von genehmigtem Kapital zu Lasten aller Aktionäre sei entgegen einschlägiger Bestimmungen des Aktiengesetzes und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das bis dahin vorhandene Aktienkapital der Telekom verwässert worden.
Die jungen Aktien, so Anwalt Philipp weiter, seien trotz eines damaligen Börsenkurses von rund 24,50 Euro nur zum Quotenwert (früher: Nennwert) von 2,56 Euro pro Stück ausgegeben worden. Dadurch seien sämtliche bis dahin vorhandenen Aktionäre der Deutschen Telekom in einer Größenordnung von mehr als 20 Milliarden Euro geschädigt worden. Die Citibank beziehungsweise die hinter ihr stehenden Verkäufer hätten andererseits einen entsprechenden Vorteil für sich verbuchen können.
Mindestens in Höhe der Differenz zwischen dem Quotenwert und dem Börsenwert der ausgegebenen jungen T-Aktien sei der Telekom durch die Transaktion kein Gegenwert mehr zugeflossen, denn die Mobilfunkfirma Voicestream hätte bereits damals bei verhältnismäßig geringen Umsätzen mit sehr hohen Verlusten gearbeitet.
"Voicestream war praktisch wertlos"
Im Gespräch mit manager-magazin.de sagte Philipp: "Nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung war Voicestream zum Zeitpunkt des Erwerbs praktisch wertlos." Zumindest aber überstieg der Wert des US-Mobilfunkunternehmens nicht jene Beträge, welche die Deutsche Telekom zusätzlich auch noch in bar für den Erwerb dieser Firma aufgewendet habe.
Den Ausführungen des Anwalts zufolge war die Methode der Kaufpreisfindung, nämlich den Wert des Kaufobjekts an den Wert der Aktien des Käufers zu binden, nicht schlüssig und stellte eine schwere Pflichtverletzung des Vorstands dar. Nach Berechnungen von Philipp lag der Gesamtaufwand für den Erwerb von Voicestream - unter anderem durch den Einbezug geleisteter Gesellschafter-Darlehen - bei rund 45,5 Milliarden Euro.
Telekom-Sprecher: "Die Transaktion war sauber"
Die Telekom selbst sieht die Vorwürfe als gegenstandslos an. "Die gesamte Transaktion ist sauber und - entsprechend der Zahlen, die dazu im Geschäftsbericht stehen - über die Bühne gegangen", sagte Telekomsprecher Andreas Leigers auf Anfrage. Der Kaufpreis für Voicestream und Powertel lag seinen Worten zufolge bei 39,4 Milliarden Euro inklusive der Barkomponente. Von der Strafanzeige habe die Telekom derzeit noch keine Kenntnis.
Anwalt Philipp begründet seinen Verdacht der Untreue indes auch damit, dass nach seinem Kenntnisstand am 31. Mai des Jahres 2001 eine nominelle Kapitalerhöhung von rund 2,6 Milliarden Euro in das Handelsregister des Amtsgerichts Bonn eingetragen wurde, aber nicht einmal in dieser Höhe die von der Citibank gebrachte Sacheinlage werthaltig gewesen sei. Nach seiner Auffassung bedeutet dies, dass auch insoweit die jungen Telekom-Aktien ohne Gegenleistung an die amerikanischen Verkäufer ausgegeben worden seien.
Anwalt spricht von Wirtschaftsskandal
In einer weiterführenden und sehr detaillierten Abhandlung zum Erwerb von Voicestream durch die Telekom kommt der Jurist zu dem Schluss, "dass hier einer der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte vorliegt". Der Gedanke des Aktiensparens in Deutschland sei durch "diese Handlungsweisen eines Staatsunternehmens aufs Schwerste geschädigt worden". Im Nachhinein habe sich die Telekom-Privatisierung als "einer der größten Flops erwiesen, der je einer deutschen Bundesregierung unterlaufen ist".
Ein von manager-magazin.de befragter Bilanz- und Telekom-Experte hält die Argumentation und Beweisführung des Anwalts für plausibel. Unter der Voraussetzung, dass die angegebenen Daten richtig sind, berge die Abhandlung eine Menge Sprengstoff für die Telekom.
Quelle: www.manager-magazin.de/geld/artikel/0,2828,205421,00.html
Hamburg/Bonn – Als hätte die Deutsche Telekom mit ihren Milliardenschulden, dem Streit um Vorstandschef Ron Sommer und den laufenden Klagen um die finanzielle Fehlbewertung ihrer Immobilien nicht schon genug Probleme, droht nun neues Ungemach. Der Mannheimer Anwalt Dr. Wolfgang Philipp hat beim Landgericht Bonn Strafanzeige gegen den kompletten Vorstand der Telekom eingereicht.
Der auf Gesellschaftsrecht spezialisierte Jurist wirft der Telekom im Zusammenhang mit dem Erwerb des amerikanischen Mobilfunkunternehmens Voicestream schwere Verstöße gegen das Aktienrecht vor. Er beschuldigt in der Strafanzeige, die manager-magazin.de vorliegt, den Telekom-Vorstand der Untreue und des Verstoßes gegen Bilanzierungsvorschriften.
Die Staatsanwaltschaft in Bonn bestätigte am Dienstag auf Anfrage den Eingang der Strafanzeige. Sie ermittelt im Zusammenhang mit der Telekom bereits wegen des Verdachts der Bilanzfälschung. Ein Sprecher des Konzerns wies am Dienstag auf Anfrage die Vorwürfe zurück.
Nach Angaben des Anwalts hatte das Bonner Unternehmen im September 2000 und im Mai 2001 sämtliche Aktien der US-Firma Voicestream Wireless Corporation erworben. Das Geschäft wurde teils durch Barzahlung und teils durch die Ausgabe von mehr als einer Milliarde junger Telekom-Aktien abgewickelt. Zeichnerin der jungen Aktien sei die Citibank als Treuhänderin für die früheren Aktionäre der Firma Voicestream gewesen, so der Jurist.
Aktienkapital wurde stark verwässert
Durch die seiner Meinung nach rechtswidrige und missbräuchliche Ausnutzung von genehmigtem Kapital zu Lasten aller Aktionäre sei entgegen einschlägiger Bestimmungen des Aktiengesetzes und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das bis dahin vorhandene Aktienkapital der Telekom verwässert worden.
Die jungen Aktien, so Anwalt Philipp weiter, seien trotz eines damaligen Börsenkurses von rund 24,50 Euro nur zum Quotenwert (früher: Nennwert) von 2,56 Euro pro Stück ausgegeben worden. Dadurch seien sämtliche bis dahin vorhandenen Aktionäre der Deutschen Telekom in einer Größenordnung von mehr als 20 Milliarden Euro geschädigt worden. Die Citibank beziehungsweise die hinter ihr stehenden Verkäufer hätten andererseits einen entsprechenden Vorteil für sich verbuchen können.
Mindestens in Höhe der Differenz zwischen dem Quotenwert und dem Börsenwert der ausgegebenen jungen T-Aktien sei der Telekom durch die Transaktion kein Gegenwert mehr zugeflossen, denn die Mobilfunkfirma Voicestream hätte bereits damals bei verhältnismäßig geringen Umsätzen mit sehr hohen Verlusten gearbeitet.
"Voicestream war praktisch wertlos"
Im Gespräch mit manager-magazin.de sagte Philipp: "Nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Unternehmensbewertung war Voicestream zum Zeitpunkt des Erwerbs praktisch wertlos." Zumindest aber überstieg der Wert des US-Mobilfunkunternehmens nicht jene Beträge, welche die Deutsche Telekom zusätzlich auch noch in bar für den Erwerb dieser Firma aufgewendet habe.
Den Ausführungen des Anwalts zufolge war die Methode der Kaufpreisfindung, nämlich den Wert des Kaufobjekts an den Wert der Aktien des Käufers zu binden, nicht schlüssig und stellte eine schwere Pflichtverletzung des Vorstands dar. Nach Berechnungen von Philipp lag der Gesamtaufwand für den Erwerb von Voicestream - unter anderem durch den Einbezug geleisteter Gesellschafter-Darlehen - bei rund 45,5 Milliarden Euro.
Telekom-Sprecher: "Die Transaktion war sauber"
Die Telekom selbst sieht die Vorwürfe als gegenstandslos an. "Die gesamte Transaktion ist sauber und - entsprechend der Zahlen, die dazu im Geschäftsbericht stehen - über die Bühne gegangen", sagte Telekomsprecher Andreas Leigers auf Anfrage. Der Kaufpreis für Voicestream und Powertel lag seinen Worten zufolge bei 39,4 Milliarden Euro inklusive der Barkomponente. Von der Strafanzeige habe die Telekom derzeit noch keine Kenntnis.
Anwalt Philipp begründet seinen Verdacht der Untreue indes auch damit, dass nach seinem Kenntnisstand am 31. Mai des Jahres 2001 eine nominelle Kapitalerhöhung von rund 2,6 Milliarden Euro in das Handelsregister des Amtsgerichts Bonn eingetragen wurde, aber nicht einmal in dieser Höhe die von der Citibank gebrachte Sacheinlage werthaltig gewesen sei. Nach seiner Auffassung bedeutet dies, dass auch insoweit die jungen Telekom-Aktien ohne Gegenleistung an die amerikanischen Verkäufer ausgegeben worden seien.
Anwalt spricht von Wirtschaftsskandal
In einer weiterführenden und sehr detaillierten Abhandlung zum Erwerb von Voicestream durch die Telekom kommt der Jurist zu dem Schluss, "dass hier einer der größten Wirtschaftsskandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte vorliegt". Der Gedanke des Aktiensparens in Deutschland sei durch "diese Handlungsweisen eines Staatsunternehmens aufs Schwerste geschädigt worden". Im Nachhinein habe sich die Telekom-Privatisierung als "einer der größten Flops erwiesen, der je einer deutschen Bundesregierung unterlaufen ist".
Ein von manager-magazin.de befragter Bilanz- und Telekom-Experte hält die Argumentation und Beweisführung des Anwalts für plausibel. Unter der Voraussetzung, dass die angegebenen Daten richtig sind, berge die Abhandlung eine Menge Sprengstoff für die Telekom.
Quelle: www.manager-magazin.de/geld/artikel/0,2828,205421,00.html