Süße Gewinner
Mit Zucker lässt sich viel Geld verdienen. Ein Börsenfrühstück mit Südzucker-Chef Theo Spettmann über Preiskämpfe und Functional Food
WELT am SONNTAG: Nehmen Sie Zucker in den Kaffee?
Theo Spettmann: Ja, ich stehe auf Süß.
WamS: Das ist aber ungesund.
Spettmann: Nein. Das Entscheidende ist immer das Verhältnis von Energieaufnahme und -verbrauch. Das Problem vieler ist nicht der Zuckerkonsum, sondern der Bewegungsmangel.
WamS: Der Zuckermarkt ist stark in Bewegung. Das zeigen auch Ihre soeben vorgelegten Halbjahreszahlen. Beim Geschäft mit dem Zucker ist Ihr Gewinn um acht Prozent geschrumpft.
Spettmann: Ja, aber unser Gesamtergebnis liegt nur knapp unter Vorjahr. Und das letzte Jahr war ein Ausnahmejahr. Damals hatten wir das dritte Mal in Folge einen Rekordumsatz und -gewinn. Jetzt entwickeln wir uns wieder auf normalem Niveau. Dennoch waren wir im ersten Halbjahr besser, als es die Analysten erwartet hatten. Zwei Banken haben uns ja deshalb auch prompt auf "Kaufen" hochgestuft.
WamS: Sie sind besonders stark in Osteuropa engagiert. Warum gerade dort?
Spettmann: Wir wollten dort schon vor der EU-Erweiterung eine starke Position erreichen. Bei einem Massenartikelgeschäft wie Zucker muss man mindestens zwanzig Prozent Marktanteil haben. Sonst lohnt sich das nicht. Wir haben jetzt in Polen einen Anteil von rund 25 Prozent, in Ungarn sogar noch etwas mehr, daneben sind wir noch in Tschechien, der Slowakei, Rumänien und Moldawien dabei. Damit können wir auch in der erweiterten EU unsere Position halten.
WamS: Doch von der EU droht Unheil. 2006 läuft die Zuckermarktordnung aus, die die WTO "mittelalterlich" nennt. Was kommt dann?
Spettmann: Die EU-Kommission hat ein Optionen-Konzept vorgelegt mit zwei Extrempositionen: unveränderte Fortführung der Zuckermarktordnung und vollständige Liberalisierung. Daneben gibt es die dritte Option eines so genannten Preissenkungsmodells. Wir gehen davon aus, dass der Status quo nicht beibehalten wird. Die totale Liberalisierung dürfte aber auch nicht kommen.
WamS: Bleibt als einzige Alternative das Preissenkungsmodell. Sie müssen sich auf Einschnitte einstellen.
Spettmann: Ja, aber wir tun das bereits. Wir machen unsere Strukturen ständig effizienter. Wir senken die Stückkosten für die Tonne Zucker. Gemessen an der Kaufkraft wird Zucker nirgends günstiger angeboten als in Deutschland, auch nicht in Brasilien, wo die Herstellung wesentlich billiger ist. Und wir haben den Ehrgeiz, in der Vermarktung stets die Besten zu sein. Denn nur so können wir wirtschaftlich bestehen. Schließlich konzentrieren wir uns auf unser Kerngeschäft. Das können wir eben am besten. Deshalb haben wir uns auch vor zwei Jahren von der Schöller Holding getrennt.
WamS: Dennoch machen Sie einen wachsenden Teil Ihres Umsatzes mit anderen Produkten.
Spettmann: Wir haben auf der Basis von Zucker ein Spezialitätengeschäft entwickelt. Darunter sind auch einige Shooting-Stars mit Wachstumsraten im zweistelligen Bereich. Das ist Palatinit, ein zahnfreundlicher und kalorienreduzierter Zuckeraustauschstoff. Es wird vor allem in Bonbons und Kaugummis verwendet. Die größten Hersteller sind unsere Kunden, und wir kommen mit der Produktion kaum nach. Daneben stellen wir in Belgien mit Inulin und Oligofruktose so genannte Functional-Food-Produkte her. Sie finden in Europa kaum einen Joghurt, der nicht mit diesen Fruktosen gesüßt wird. Insgesamt erzielen wir mit dem Nicht-Zuckergeschäft rund 25 Prozent unseres Umsatzes und auch des Ergebnisses. Das gleicht auch das rückläufige Geschäft im Zuckerbereich aus.
WamS: Das klingt ja alles hervorragend. Der Aktienkurs hat das aber in den vergangenen Monaten nicht widergespiegelt.
Spettmann: Ja, das stimmt. Wir wissen nicht, woher das kommt. Meine Vermutung ist, dass es mit den Problemen vieler institutioneller Anleger zu tun hat. Sie mussten in der letzten Zeit oft gerade Aktien verkaufen, die den vorherigen Kursverfall gut überstanden hatten. Unsere Aktie gehörte dazu.
WamS: Hat es vielleicht auch etwas mit den Ängsten rund um die Neuregelung der Zuckermarktordnung zu tun? Moody's hat gerade mit dieser Begründung sein Rating für Südzucker gesenkt.
Spettmann: Ja, aber wir sind von A1 auf A2 gesenkt worden. A1 ist handverlesen in Deutschland. Die Zuckermarktordnung verändert das Umfeld, aber wir tun ja etwas dagegen. Doch die Rating-Agenturen haben ihr Verhalten auch grundsätzlich geändert, sie sind vorsichtiger geworden. Wir haben bilanziell exzellente Zahlen vorgelegt. Unser Cash-Flow erlaubt uns, unsere Schulden innerhalb von zwei Jahren zurückzuzahlen. Die Eigenkapitalquote liegt bei 38 Prozent. Unsere letzte Anleihe im vergangenen Jahr war fünffach überzeichnet.
WamS: Also spricht alles für einen deutlich höheren Aktienkurs?
Spettmann: Meiner Meinung nach schon. Über 20 Euro wäre angemessen.
Das Gespräch führte Frank Stocker
Artikel erschienen am 19. Okt 2003