Entwarnung bei der Spekulationssteuer?
Von Lothar Siemers, PricewaterhouseCoopers
02. Dezember 2002 Nach den Schreckensmeldungen der vergangenen Wochen hat der Kabinettsbeschluss der Bundesregierung vom 20. November 2002 zu einer Beruhigung der Lage beigetragen. Die Spekulationen um die Spekulationssteuer dürften somit - zumindest vorläufig - beendet sein.
Im Referentenentwurf vom 1. November 2002 war lediglich beabsichtigt, die Spekulationsfrist von zehn Jahren für Grundstücke und einem Jahr für Wertpapiere zu streichen. Eine Übergangsregelung für stille Reserven, die vor der Gesetzesänderung entstanden sind, war nicht vorgesehen. Konsequenzen aus der rückwirkenden und zeitlich unbefristeten Steuerverstrickung hätten also nicht abgemildert werden können. Damit wären auch rein inflationsbedingte und über Jahrzehnte in mehreren Generationen angesammelte Wertsteigerungen im Falle der Veräußerung auf einen Schlag nachträglich zu versteuern gewesen. Wohl dem, der noch die Kaufverträge seiner Urgroßeltern in der Schublade gehabt hätte.
Eines Besseren besonnen
Nunmehr scheint sich die Bundesregierung eines Besseren besonnen zu haben. Der Kabinettsbeschluss sieht einen pauschalen Steuersatz von 15 Prozent auf alle Veräußerungsgewinne sowie eine besondere Regelung für so genannte Altfälle vor. Hierunter fallen alle Grundstücke und Wertpapiere, die vor dem Tag des Gesetzesbeschlusses angeschafft wurden. Demnach gelten bei einer Veräußerung eines Grundstücks oder Wertpapiers, das vor dem Tag des Gesetzesbeschlusses (voraussichtlich am 21. Februar 2003) erworben wurde, fiktiv zehn Prozent des Veräußerungserlöses als Veräußerungsgewinn. Unter Anwendung des Pauschalsteuersatzes von 15 Prozent ergibt sich für Altfälle somit eine Steuerbelastung von 1,5 Prozent auf den Veräußerungserlös. Der Nachweis eines tatsächlich niedrigeren Veräußerungsgewinnes ist möglich.
Effektiver Steuersatz 7,5 Prozent
Fügt man die geplanten Gesetzesänderungen in die bisherigen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes ein, so unterliegen die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (zum Beispiel Aktien) dem so genannten Halbeinkünfteverfahren. In diesen Fällen beträgt der effektive Steuersatz lediglich 7,5 Prozent. Bei den Altfällen fehlt allerdings bislang eine entsprechende Verknüpfung, dies ist systemwidrig. Des weiteren sind indirekte Anlagen über Aktienfonds und offene Immobilienfonds bislang gegenüber der Direktanlage benachteiligt. Nach Auskunft aus dem Bundeswirtschaftsministerium sollen derartige Ungereimtheiten noch im laufenden Gesetzgebungsverfahren ausgeräumt werden.
Aufgrund der geplanten Neuregelung verringert sich sogar die Steuerbelastung für Grundstücke und Wertpapiere, die innerhalb der derzeit geltenden Spekulationsfristen liegen. Während die Veräußerungsgewinne momentan noch dem persönlichen Steuersatz (inklusive Solidaritätszuschlag bis zu 51 Prozent) unterliegen, gilt mit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung der Pauschalsatz für Altfälle von 1,5 Prozent. Geplante Veräußerungen sollten daher auf einen Zeitpunkt verschoben werden, an dem die Neuregelung bereits greift.
Nach dem Kabinettsbeschluss sind zukünftig nur noch echte Substanzwertsteigerungen zu versteuern. Das heißt, dass die Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zukünftig nicht mehr um vorgenommene Abschreibungen (einschließlich Sonderabschreibungen) reduziert werden müssen.
Novelle der Eigenheimförderung belastet den Bau
Bei der Eigenheimzulage sollen die Einkunftsgrenzen (gerechnet auf zwei Jahre) auf 70.000 Euro (Alleinstehende) beziehungsweise 140.000 Euro (Ehegatten) und 20.000 Euro je Kind gesenkt werden. Zudem soll zukünftig die Eigenheimzulage nur noch Personen mit Kindern, wobei das Kind auch innerhalb von drei Jahren nach Kauf beziehungsweise Fertigstellung geboren sein kann, zugute kommen. Die Familiengrundförderung beträgt 1.000 Euro und erhöht sich um 800 Euro je Kind. Will man die deutlich vorteilhaftere bisherige Regelung noch nutzen, so muss man in Anschaffungsfällen den Kaufvertrag noch in diesem Jahr abschließen beziehungsweise in Herstellungsfällen mit der Herstellung beginnen. Der schon angeschlagenen Bauindustrie wird der geplante Rückbau der Eigenheimförderung sicherlich schwer zu schaffen machen.
Welche Gestalt die Besteuerung von privaten Grundstücks- und Wertpapiergeschäften nach dem Durchlaufen des Gesetzgebungsverfahrens schließlich annehmen wird, darf mit Spannung abgewartet werden. Sicher ist nur, dass die Akzeptanz unter den Steuerpflichtigen im Hinblick auf den Sondersteuersatz nunmehr deutlich höher ist als dies bei dem Referentenentwurf noch der Fall war.
Der Autor ist Rechtsanwalt und Partner bei PricewaterhouseCoopers in Düsseldorf.