Im erbitterten Streit um die Einführung der 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie kämpfen die Tarifparteien mit immer härteren Bandagen. Das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel setzte am Donnerstag gegen die IG Metall ein Ordnungsgeld von 25.000 Euro wegen illegaler Betriebsblockaden fest. Der BMW-Konzern will sein Engagement in Ostdeutschland überprüfen. Die IG Metall streikte weiter, und weitete ihren Arbeitskampf sogar auf den Westen aus.
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BMW droht Leipzig mit Standortentzug
Wegen des Streiks können mehrere tausend Beschäftigte des BMW-Konzerns in München, Regensburg, Dingolfing und Landshut nach Angaben von Personalvorstand Ernst Baumann ab Montag nicht mehr arbeiten. Das Unternehmen müsse die Produktion von 3er-BMW auf unbestimmte Zeit unterbrechen, weil die in Brandenburg an der Havel hergestellten Getriebe fehlten. Als Konsequenz will der Autohersteller sein Engagement in den neuen Ländern überdenken. Nach derzeitigen Plänen soll in Leipzig ein neues BMW-Werk mit 5.000 Beschäftigten entstehen. "Diese Absicht werden wir unter den gegebenen Voraussetzungen noch einmal überprüfen", sagte Baumann.
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IG Metall bedauert Produktionsstopp
Die IG Metall bedauerte den Produktionsstopp bei BMW. Die Unternehmensleitungen hätten sich nicht auf die Streiks eingestellt, sagte Vize-Gewerkschaftschef Jürgen Peters. Er forderte die Arbeitgeber zu neuen Verhandlungen auf. Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser warf der IG Metall daraufhin in der "Financial Times Deutschland" kaum zu überbietenden Zynismus vor.
Experte
Der drohende Produktionsstopp durch die Streiks BMW nach Einschätzung des Auto-Experten Ferdinand Dudenhöffer teuer zu stehen. Ein Produktionsausfall der 3er-Reihe koste den Konzern etwa 38 Millionen Euro Umsatz pro Tag, schätzte der Professor für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Gelsenkirchen. Der Gewinnausfall betrage nach seinen Berechnungen vier Millionen Euro täglich. BMW hatte angekündigt, wegen der Streiks ab Montag die Produktion in Regensburg und München stoppen zu müssen. Hauptursache ist der Streik bei einem Getriebe-Zulieferer.
Experte: Standortbedingungen Ost verschlechtern sich
Mit den Streiks werde die Zuverlässigkeit der Zuliefer-Kette beschädigt, erklärte Dudenhöffer. "Damit werden BMW, aber auch die anderen Autohersteller, in Zukunft weitere Risikostreuungen in ihre Zulieferkette einbauen - zum Schaden der neuen Bundesländer." Mit dem Streik und der Durchsetzung der 35-Stunden-Woche verschlechterten sich die Standortbedingungen in Ostdeutschland weiter.
Engagement in den neuen Bundesländern
BMW hat bereits angekündigt, sein Engagement in den neuen Bundesländern zu überprüfen. Der Konzern baut derzeit in Leipzig ein neues Werk. Dieses ist nach Angaben aus dem Konzern nicht gefährdet. Allerdings könne die Zahl der Arbeitsplätze am Ende geringer ausfallen, als ursprünglich geplant.
"Bedenkliches Zeichen"
Nach Einschätzung Dudenhöffers würde die Einführung der 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metall- und Elektroindustrie bei den deutschen Zulieferern den Kapazitätsausbau in Ost-Europa beschleunigen. In den vergangenen fünf Jahren seien bereits nur 17 Prozent der neuen Kapazitäten in Deutschland geschaffen worden. Ursache seien die niedrigeren Arbeitskosten im Ausland bei gleichwertiger Arbeits-Qualität. "Dies ist ein bedenkliches Zeichen für den Automobilstandort Deutschland und die zukünftigen Wirtschaftswachstumsraten."