Sehr geehrter Herr xxxxxx,
Vielen Dank für Ihr Schreiben, in dem Sie sich kritisch zur Beteiligung Deutschlands an einer finanziellen Unterstützung Griechenlands durch die Euro-Länder und den IWF äußern. Dieser Tage geistern viele Meldungen und Berichte durch die Medien, die Emotionen schüren und einer sachlichen Abwägung, was am besten zu tun ist, nicht wirklich dienen.
Auf den folgenden zweieinhalb Seiten möchte ich Ihnen daher gern recht ausführlich die Position der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen darlegen:
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der griechische Staat mit Klientelpolitik, Korruption, Statistik(selbst)betrug, Duldung von Steuerhinterziehung, Missbrauch von EU-Fonds für schlechte Investitionen bei Massentourismus und nicht nachhaltiger Landwirtschaftspolitik, durch besonders hohe Militärausgaben und einen aufgeblähten öffentlichen Sektor seine Staatsfinanzen ziemlich ruiniert hat. Der griechischen Politik ist vor allem vorzuwerfen, dass sie die niedrigen Zinsen nach Eintritt in den Euro nicht genutzt hat um die strukturellen Wirtschaftsprobleme des Landes anzugehen.
Nichtsdestotrotz braucht Griechenland jetzt einen stabilen und nachhaltigen Weg aus der Schuldenkrise. Die EU hat sich, nachdem sie in der Vergangenheit zu oft beiseite sah, wenn es darauf angekommen wäre zu kritisieren, nun zu einem engen Überwachungsregime entschlossen.
Zu allererst muss das Land aus den Fesseln der Spekulanten befreit werden. Es ist daher aus unserer Sicht also völlig richtig, den Finanzierungsbedarf der Griechen über die nächsten drei Jahre durch Kredite der Euro-Länder und des IWF abzudecken. Die Kredite der Euro-Länder müssen genauso wie die IWF-Kredite vorrangig bedient werden, also als erstes wieder zurückgezahlt werden.
Die europäischen Steuerzahler bürgen mit den Finanzhilfen für Griechenland, um einen ungeordneten Staatsbankrott zu vermeiden. Das bewahrt die Gläubigerbanken vor einem drohenden Totalausfall ihrer Forderungen. Es ist nicht akzeptabel, dass wieder die Gemeinschaft die Verluste übernimmt und die Banken die Gewinne einstreichen. Die Banken haben trotz der absehbaren Risiken die griechischen Staatspapiere gekauft und damit hohe Renditen erzielt.
Bereits die deutschen Bankenrettungsprogramme waren ein einzigartig gutes Geschäft für die Gläubiger der Banken. Ohne Wenn und Aber wurden – wie der Fall HRE exemplarisch zeigt – Versicherungen, andere Banken und Pensionskassen unter Ausschaltung des marktwirtschaftlichen Haftungsprinzips mit Staatsgeldern gerettet, obwohl diese Investoren bei hohen Renditen mit der Finanzierung offenbar zu riskanter Geschäftsmodelle eine wesentliche Teilschuld des Desasters trifft.
Deshalb sind auch die Alt-Gläubiger gefragt, sich an der Sanierung des Landes zu beteiligen. Ein Schuldenmoratorium ist erforderlich, um Griechenland einen Neustart zu ermöglichen. Eine Gläubigerbeteiligung in Schuldenkrisen ist nichts Außergewöhnliches. Es ist eher die Regel. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Gläubigerbeteiligung war die Umschuldung in Uruguay im Jahr 2003. Auch Jamaika und Belize konnten jüngst "ordentlich", also ohne Panikreaktionen an den Märkten, restrukturiert werden.
Die Griechen müssen jetzt zu allererst durch eigene Anstrengungen ihre Krise überwinden. Durch hysterische Töne aus Deutschland (zum Beispiel Inseln zu verkaufen) wird dieser harte Weg aber nicht erleichtert sondern erschwert.
Für uns Grüne bedeutet Europa, europäischen Ländern zu helfen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten. Dabei geht es nicht darum, deutsche Steuermittel nach Griechenland oder andere Länder zu überweisen oder die griechischen Schulden zu übernehmen. Hilfe bedeutet, jetzt dafür zu sorgen, dass das Zinsniveau für griechische Staatsanleihen sinkt und das Land vor der Willkür der internationalen Spekulanten zu schützen, damit Griechenland nicht jeder Chance auf eine Überwindung der Krise beraubt wird. Dafür bedarf es eines glaubwürdigen Notfallplans. Wir Grünen halten Eurobonds für ein geeignetes Instrument einer kurzfristigen Krisennothilfe. Außerdem müssen Kreditausfallversicherungen (CDS), die nicht zur Absicherung eigener Risiken dienen, umgehend verboten werden.
Die Politik der Bundesregierung hat die Krise in Griechenland zusätzlich angeheizt. Die absurde Idee, Griechenland aus der Eurozone zu werfen und dafür den Lissabon-Vertrag zu ändern, war eine reine Stammtischparole. Die Märkte haben sofort darauf reagiert, der Euro sackte auf den niedrigsten Stand zum Dollar seit zehn Monaten. Die Zinsen für Griechenland kletterten auf über 6.5 %.
Deutsche Banken wären übrigens von einem Zahlungsausfall Griechenlands besonders betroffen. Sie halten etwa 40 Milliarden Euro Forderung gegenüber Griechenland. Ein Zahlungsausfall Griechenlands hätte nicht nur für diese Banken negative Folgen, sondern im Weiteren auch für die deutsche Realwirtschaft.
Am 10. und 11. April haben die Euro-Staaten sich verständigt, dass Griechenland bis zu 45 Mrd. € Hilfe erhalten soll, davon 15 Mrd. € über den IWF und 30 Mrd. € über die Euro-Staaten. Die EU-Kommission wird die 30 Mrd. € einsammeln und dem IWF zur Verfügung stellen. Der IWF verhandelt mit den Griechen über die Konditionen. Der Zinssatz wird bei etwa 5% liegen, also bis zu 2% billiger als der Marktzins für griechische Anleihen derzeit. Es bleibt ungeklärt, ob die privaten Gläubiger Griechenlands, die mit einem hohen Zins für ihre Gelder bewusst Ausfallrisiken in Kauf genommen haben, an den Hilfen zu beteiligen sind. Wir Grünen fordern diese Beteiligung.
Deutschland wird sich mit 8,4 Mrd. € an den 30 Mrd. € der Euro-Staaten beteiligen. Dieser Betrag resultiert aus dem Anteil Deutschlands am gezeichneten Kapital der EZB (28%). Frankreich wird 6,3 Mrd. €, Italien 5,5 Mrd. €, Spanien 3,7 Mrd. €, die Niederlande 1,8 Mrd. € und die weiteren Euro-Staaten 4,3 Mrd. € zur Verfügung stellen.
Die 8,4 Mrd. € aus Deutschland sollen über die KfW an den IWF fließen. Dies führt dazu, dass der Bundeshaushalt nicht mit weiteren 8,4 Mrd. € Kreditaufnahme belastet werden muss. Die KfW wird mittels Zuweisungsgeschäft verpflichtet, abgesichert wird ihr Engagement durch eine Gewährleistung des Bundes.
Die Schuldenkrise Griechenlands und weiterer europäischer Staaten hat die fundamentale Schwäche der Währungsunion offengelegt: Eine Währungsunion braucht auch eine politische Union. Innerhalb Europas herrscht zumindest über einen Punkt Einigkeit: So wie bisher geht es nicht weiter. Die Länder der Euro-Zone müssen ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik besser koordinieren, um Wettbewerbsunterschiede auszugleichen. Sonst droht die Währungsunion zu zerbrechen.
Über die Frage, was eine stärkere Koordinierung der Wirtschaftspolitik beinhalten sollte, gibt es schon weniger Einigkeit. Für uns Grüne sind jetzt die dringendsten Maßnahmen:
Die Ziele der Stabilitäts- und Wachstumspolitik müssen um ein weiteres Ziel des außenwirtschaftlichen Gleichgewichtes ergänzt werden, das bereits im deutschen Stabilitäts- und Wachstumsgesetz angelegt ist. Sowohl die Mitgliedsländer mit hohen Defiziten als auch jene mit hohen Überschüssen müssen verbindliche Empfehlungen zur Reduktion dieser Ungleichgewichte erhalten und der Kommission regelmäßig berichten mit welchen Maßnahmen bis zu welchem Zeitpunkt die übermäßigen Leistungsbilanzsalden abgebaut werden sollen. Außerdem müssen auch die Probleme hoher privater Verschuldung und spekulativer Vermögenspreisblasen berücksichtigt werden.
In der Steuerpolitik brauchen wir eine stärkere Harmonisierung der Bemessungsgrenzen und Mindestsätze in der EU. Nur so kann der Steuerdumpingwettlauf zwischen den EU-Staaten unterbunden werden.
Die Lohnpolitik muss Teil der wirtschaftspolitischen Koordinierung sein. Wir setzen uns für einen europäischen Sozialpakt ein, der arbeitsrechtliche und soziale Mindeststandards formuliert. Dazu gehört auch, dass die Mitgliedstaaten Rahmenbedingungen wie die Einführung von Mindestlöhnen oder entsprechende Regelungen in allen Staaten vereinbaren. Ich hoffe, Ihnen unsere Sicht der Dinge und unsere politischen Forderungen verständlich und nachvollziehbar dargelegt zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
C. Ilawa
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