Haftung
Versicherer fordern Hilfe des Staates
Die Branche will sich auf ein Konzept einigen, das die eigene Haftung wie in England und in den USA üblich begrenzt.
Stefan Weber
Die Versicherungen hatten Kritik auf sich gezogen, nachdem einige Unternehmen die Verträge mit Fluggesellschaften gekündigt hatten. Nach Aussage von Bernd Michaels, dem Präsidenten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), geht es der Branche nicht nur darum, eine neue Lösung für die Deckung von Luftfahrtrisiken zu finden.
Die Bundesregierung hatte kürzlich eine befristete Haftung übernommen, wenn – wie in New York geschehen – als Folge eines Terroranschlags Dritteigentum beschädigt wird. „Auch die Versicherung mancher Gebäude wird in der bisherigen Form künftig nicht mehr möglich sein“, sagte Michaels in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.
Die Versicherer müssten in diesem Zusammenhang das Problem lösen, wie sie besonders gefährdete Objekte identifizieren und neu bewerten können. Potenzielle Anschlagsziele seien wertvolle Bauwerke, Wahrzeichen von Metropolen oder ganz allgemein Orte, an denen viele Menschen zusammenkämen.
Auch Kirchen könnten Ziele von Attentätern sein, wenn man davon ausgehe, dass Terroristen Menschen dort schädigen wollten, wo sie emotional besonders empfindlich sind. Die Unternehmen würden solche Gebäude zwar auch in Zukunft versichern, aber das Terror-Risiko aus der Grunddeckung herausnehmen und eventuell, je nach Risiko, eine gesonderte Deckung vereinbaren, sagte der GDV- Präsident.
Beitrag der Gesellschaft
Die besondere Schwierigkeit der Versicherer bestehe darin, ausgeschlossene Kriegsrisiken von Terror-Risiken einheitlich abzugrenzen. Terror-Risiken sollten in Zukunft von der Versicherungswirtschaft - bis zu einer bestimmten Summe und gegebenenfalls in einem Pool - und vom Staat, aber auch vom Einzelnen selber getragen werden. „Dadurch, dass die Versicherten in Deutschland leben und Deutschland ein Teil der westlichen Welt ist, tragen sie auch ein persönliches Risiko. Das muss man den Menschen sagen“, meinte Michaels, der auch Vorstandsvorsitzender der Provinzial-Versicherungen in Düsseldorf ist.
Eine vom GDV eingesetzte Arbeitsgruppe unter Führung der Allianz diskutiert seit Ende vergangener Woche über die möglichen Haftungsgrenzen der Versicherer. Welche Summen dabei im Gespräch sind, sagte Michaels nicht. Nach seinen Worten ist eine (nachgeordnete) Subsidiärhaftung des Staates jedoch nicht zu erreichen, wenn die Versicherungswirtschaft lediglich eine geringe Vorhaftung anbietet. „Da wird man über Summen sprechen müssen, die sich im höheren sechsstelligen Millionen-Mark-Bereich befinden“, meinte er. In der Luftfahrtversicherung haften die Versicherungsgesellschaften für Drittschäden derzeit bis zu einer Summe von einer Milliarde DM.
Für den GDV-Präsidenten steht es außer Frage, dass die Versicherer Terror-Risiken nicht alleine tragen können. „Wenn Politiker sagen, dass Terror ein Anschlag auf unsere Gesellschaft ist, muss die Gesellschaft zumindest einen Teil dieser Risiken sozialisieren“, sagte er. Bei dem Konzept, das die Versicherer der Bundesregierung für eine mögliche Risikoteilung vorlegen wollen, gelten nach Michaels Worten die Modelle in den Vereinigten Staaten und Großbritannien als Orientierung. In England beispielsweise gibt es seit 1993 Vereinbarungen zwischen Staat und Privatwirtschaft. Damals hatten irische Terroristen in der City von London versucht, das Hochhaus der Hong Kong & Shanghai Bank in die Luft zu sprengen. Daraufhin wurde der Pool Re gegründet, ein Rückversicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit mit 200 Mitgliedern, dessen Zahlungsfähigkeit von der Londoner Regierung garantiert wird.
Gefahr für die Unternehmen
Bisher sind die Rückversicherungen, so sagt Michaels, bei ihrer Kalkulation davon ausgegangen, dass sie allenfalls durch einen Hurrikan oder ein schweres Erdbeben Extremschäden in Milliardenhöhe hinnehmen müssen. Seit dem 11. September sei mit den Terroranschlägen ein neues Risiko hinzugekommen.
Deshalb müsse ein Unternehmen, das nicht in Existenznot geraten wolle, seine Haftung künftig beschränken. Ein Schadenfall von der Größenordnung der Anschläge in den Vereinigten Staaten würde nach Einschätzung von Michaels nahezu alle Versicherer und Rückversicherer „in eine Situation bringen, in der sie ihr Eigenkapital in erheblichem Umfang angreifen müssen“.
Höhere Prämien allein reichten nicht aus, um die neuen Risiken kalkulierbar zu machen. Trotzdem wird der Versicherungsschutz für Industriekunden in Zukunft sehr viel teurer. Das Ausmaß der Beitragserhöhungen ist aufgrund der individuellen Risikosituation schwer zu beziffern. Die Spanne der Prämienanhebungen reicht nach Erkenntnissen Michaels- von 20 Prozent bis weit über 100 Prozent.
Der GDV-Präsident betont in den Gespräch mit der SZ, dass ein großer Teil der Erhöhungen unabhängig von den Ereignissen am 11. September notwendig sei. Denn nach der rasanten Talfahrt der Prämien in den Jahren zuvor schreibe die Mehrzahl der Versicherer im Industriegeschäft tiefrote Zahlen. „Die Öffentlichkeit hat dagegen den Eindruck, die Versicherer nutzten die Terroranschläge, um Beitragserhöhungen durchzusetzen und riefen nach dem Staat, sobald die Marktsituation schwierig ist. Das ist falsch und verschlechtert das Image der Branche weiter“, sagte der Verbands- Präsident.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Versicherer fordern Hilfe des Staates
Die Branche will sich auf ein Konzept einigen, das die eigene Haftung wie in England und in den USA üblich begrenzt.
Stefan Weber
Die Versicherungen hatten Kritik auf sich gezogen, nachdem einige Unternehmen die Verträge mit Fluggesellschaften gekündigt hatten. Nach Aussage von Bernd Michaels, dem Präsidenten des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), geht es der Branche nicht nur darum, eine neue Lösung für die Deckung von Luftfahrtrisiken zu finden.
Die Bundesregierung hatte kürzlich eine befristete Haftung übernommen, wenn – wie in New York geschehen – als Folge eines Terroranschlags Dritteigentum beschädigt wird. „Auch die Versicherung mancher Gebäude wird in der bisherigen Form künftig nicht mehr möglich sein“, sagte Michaels in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.
Die Versicherer müssten in diesem Zusammenhang das Problem lösen, wie sie besonders gefährdete Objekte identifizieren und neu bewerten können. Potenzielle Anschlagsziele seien wertvolle Bauwerke, Wahrzeichen von Metropolen oder ganz allgemein Orte, an denen viele Menschen zusammenkämen.
Auch Kirchen könnten Ziele von Attentätern sein, wenn man davon ausgehe, dass Terroristen Menschen dort schädigen wollten, wo sie emotional besonders empfindlich sind. Die Unternehmen würden solche Gebäude zwar auch in Zukunft versichern, aber das Terror-Risiko aus der Grunddeckung herausnehmen und eventuell, je nach Risiko, eine gesonderte Deckung vereinbaren, sagte der GDV- Präsident.
Beitrag der Gesellschaft
Die besondere Schwierigkeit der Versicherer bestehe darin, ausgeschlossene Kriegsrisiken von Terror-Risiken einheitlich abzugrenzen. Terror-Risiken sollten in Zukunft von der Versicherungswirtschaft - bis zu einer bestimmten Summe und gegebenenfalls in einem Pool - und vom Staat, aber auch vom Einzelnen selber getragen werden. „Dadurch, dass die Versicherten in Deutschland leben und Deutschland ein Teil der westlichen Welt ist, tragen sie auch ein persönliches Risiko. Das muss man den Menschen sagen“, meinte Michaels, der auch Vorstandsvorsitzender der Provinzial-Versicherungen in Düsseldorf ist.
Eine vom GDV eingesetzte Arbeitsgruppe unter Führung der Allianz diskutiert seit Ende vergangener Woche über die möglichen Haftungsgrenzen der Versicherer. Welche Summen dabei im Gespräch sind, sagte Michaels nicht. Nach seinen Worten ist eine (nachgeordnete) Subsidiärhaftung des Staates jedoch nicht zu erreichen, wenn die Versicherungswirtschaft lediglich eine geringe Vorhaftung anbietet. „Da wird man über Summen sprechen müssen, die sich im höheren sechsstelligen Millionen-Mark-Bereich befinden“, meinte er. In der Luftfahrtversicherung haften die Versicherungsgesellschaften für Drittschäden derzeit bis zu einer Summe von einer Milliarde DM.
Für den GDV-Präsidenten steht es außer Frage, dass die Versicherer Terror-Risiken nicht alleine tragen können. „Wenn Politiker sagen, dass Terror ein Anschlag auf unsere Gesellschaft ist, muss die Gesellschaft zumindest einen Teil dieser Risiken sozialisieren“, sagte er. Bei dem Konzept, das die Versicherer der Bundesregierung für eine mögliche Risikoteilung vorlegen wollen, gelten nach Michaels Worten die Modelle in den Vereinigten Staaten und Großbritannien als Orientierung. In England beispielsweise gibt es seit 1993 Vereinbarungen zwischen Staat und Privatwirtschaft. Damals hatten irische Terroristen in der City von London versucht, das Hochhaus der Hong Kong & Shanghai Bank in die Luft zu sprengen. Daraufhin wurde der Pool Re gegründet, ein Rückversicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit mit 200 Mitgliedern, dessen Zahlungsfähigkeit von der Londoner Regierung garantiert wird.
Gefahr für die Unternehmen
Bisher sind die Rückversicherungen, so sagt Michaels, bei ihrer Kalkulation davon ausgegangen, dass sie allenfalls durch einen Hurrikan oder ein schweres Erdbeben Extremschäden in Milliardenhöhe hinnehmen müssen. Seit dem 11. September sei mit den Terroranschlägen ein neues Risiko hinzugekommen.
Deshalb müsse ein Unternehmen, das nicht in Existenznot geraten wolle, seine Haftung künftig beschränken. Ein Schadenfall von der Größenordnung der Anschläge in den Vereinigten Staaten würde nach Einschätzung von Michaels nahezu alle Versicherer und Rückversicherer „in eine Situation bringen, in der sie ihr Eigenkapital in erheblichem Umfang angreifen müssen“.
Höhere Prämien allein reichten nicht aus, um die neuen Risiken kalkulierbar zu machen. Trotzdem wird der Versicherungsschutz für Industriekunden in Zukunft sehr viel teurer. Das Ausmaß der Beitragserhöhungen ist aufgrund der individuellen Risikosituation schwer zu beziffern. Die Spanne der Prämienanhebungen reicht nach Erkenntnissen Michaels- von 20 Prozent bis weit über 100 Prozent.
Der GDV-Präsident betont in den Gespräch mit der SZ, dass ein großer Teil der Erhöhungen unabhängig von den Ereignissen am 11. September notwendig sei. Denn nach der rasanten Talfahrt der Prämien in den Jahren zuvor schreibe die Mehrzahl der Versicherer im Industriegeschäft tiefrote Zahlen. „Die Öffentlichkeit hat dagegen den Eindruck, die Versicherer nutzten die Terroranschläge, um Beitragserhöhungen durchzusetzen und riefen nach dem Staat, sobald die Marktsituation schwierig ist. Das ist falsch und verschlechtert das Image der Branche weiter“, sagte der Verbands- Präsident.
Quelle: Süddeutsche Zeitung