Am 10. Januar sagte US-Präsident Bush in einer Rundfunk Rede, die amerikanische Wirtschaft werde stärker und immer stärker und wegen der tollen Wirtschaftsentwicklung werde die vorgeschlagene Steuersenkung durchgeführt und für die nächsten Jahre in Geltung bleiben. Am gleichen Tag machte die Washington Post China für den Dollarkollaps verantwortlich, weil das Land seine Währung gegenüber dem Dollar nicht aufwerten wolle. "Hersteller in den USA haben entschieden" - schrieb ein Princeton Professor -, "in China gefertigte Büstenhalter seien eine Gefahr für die amerikanische Lebensweise". Aber fragen Amerikaner, die keine Steuern mehr zahlen müssen, sind Steuersenkungen gut?
Inzwischen werden Zahlen bekannt, die den Arbeitserfolg im letzten Jahr messen wollen. An der New Yorker Börse ist der Aktienwert von 2755 US-Firmen wieder um 27% auf 12,2 Billionen US$ gestiegen. Nasdaq Aktien sind sogar um 50% im Wert gestiegen und nun schon wieder 3 Billionen US$ wert. Diese Stärke der Wirtschaft meinte wohl der Präsident. Ist sie gut? Würde man fragen, wenn die Antwort nicht schon feststünde. Aber ist dadurch irgend etwas für die Firmen oder die Wirtschaft besser geworden? In Venezuela sind die Aktienwerte sogar um 177% gestiegen, in Thailand um 117%, der DAX angeblich um 37%, bei den Schweizer Aktien sind es nur 19% und in Frankreich nur 16% gewesen. Wer ist besser dran?
Auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Club der Zentralbanken der Länder, legte Zahlen vor. Von Anfang 2000 bis zum 30. Juni 2003 haben Derivatkontrakte von 109,5 Billionen auf 207,9 Billionen zugenommen. Die Zahlen werden noch unterteilt in die der OTC Kontrakte oder der verbrieften Währungswetten und anderes. Sie übersteigen sowieso das Vorstellungsvermögen der meisten von uns doch sind sie gut? Sollten sie besser nicht anstiegen? Ja, wenn alle Welt das gut findet...? Haben Sie selbst etwas Gutes daran gemerkt? Vielleicht hat Ihnen ihre Versicherung weniger Überschußanteile gutgeschrieben. Ist das etwa gut? Für die Versicherung schon, sonst hätte sie es nicht getan. Und Sie, was tun Sie Gutes dazu?
10% der großen Firmen in den USA (und bei uns einige), haben ihre betriebliche Krankenkasse oder Altersversorgung gekündigt. War das nun gut, stärkt es die Wirtschaft, unser aller Schicksal? Oder die andere Meldung in der Washington Times vom 14.1.: Ein Frank Furstenberg und eine Elisabeth Fussel wollen in einer Studie der Universität Pennsylvania herausgefunden haben, daß sich der Übergang ins Erwachsenenalter verzögert. Die Überzwanzigjährigen heiraten inzwischen erst, wenn sie über 30 sind und gründen - wenn überhaupt - erst dann eine Familie. Es wird nämlich zunehmend schwieriger, eine Karriere zu beginnen und eine Familie zu unterhalten. Das ist gut, sagen Umweltschützer, es stoppt die Übervölkerung und läßt uns und der Umwelt mehr. Aufgeklärte wiegen den Kopf: Wenn durch die Pille die Wirkung des Arterhaltungstriebs gebremst wird, könnte das den Selbsterhaltungstrieb stärken; wäre das gut für die Natur?
Was ist "gut"? Das sollte jeder "Freigeborene" selbst wissen. Weiß er es oder glaubt er dem anerkannten Nachgeplappere? Meistens stehen wir vor einer Wahl, und fragen dann eher, was ist besser? Zum Beispiel: Was ist besser, eine Schuhsohle oder ein Schnitzel? Charly Chaplin, die Verkörperung des "vergessenen Mannes" der (bald wieder aktuellen) zwanziger Jahre, kaute - natürlich nur im Film - genüßlich an einer Schuhsohle. Ein Schnitzel wäre besser gewesen, doch das war nicht erschwinglich. Am besten, was wäre am besten? Für den Hungrigen alle Tage ein Schnitzel oder ein Steak oder etwas Abwechslung, für den Übergewichtigen Fasten. Das alles bleibt auf der Ebene des Vergleichs und ist, von Notlagen und sonstigen Umständen abgesehen, eine Frage des Geschmacks. Das Beste ist aber ein Haufen Geld, um sich nicht gleich entscheiden zu müssen.
Philosophisch galt das Summum Bonum als Eigenschaft Gottes, der unsichtbar und unergründlich sein soll. Steigen wir von den unerklimmbaren Höhen in die Welt hinab! Die "beste aller Welten" ist die vorhandene, sagte der Philosoph Leibniz und ärgerte damit alle Impotenten, die aufgeklärten Intellektuellen ebenso wie diejenigen, die um ihren Arbeitsplatz bangen (müssen). Die einen lachten ihn aus, die anderen seufzen nur, ja wenn es nur so wäre. Beide könnten sich eine bessere vorstellen, eine die ihnen gelegener käme. Wie soll sie aussehen? Viel Geld, dann bekommt man alles, was gelegen käme: Schnitzel Schuhsohle und, was die Mode so bringt. In der Religion der Moderne, im Dollar- oder Eurotum ist Geld das Summum Bonum - keine Frage. Doch was ist daran gut (bonum)?
Warum nennt Leibniz die bestehende die besten aller möglichen Welten? Wer sich umsieht, muß denken, Leibniz sei einfallslos oder fundamentalistisch fromm. Daß sich Leibniz keine bessere Welt vorstellen konnte als die Welt, in der er unmittelbar am Ende des Dreißigjährigen Kriegs lebte, nimmt dem "Universalgenie" niemand ab. Erging er sich in frommer Spekulation: Der allmächtige Gott kann nur für die beste aller möglichen Schöpfungen verantwortlich sein, sonst wäre er nicht, was er ist. Andere Menschen für dumm zu halten, ist das beste und bewährteste Mittel, sich selbst das Denken abzugewöhnen.
Was meint Leibniz: Wäre eine bessere Welt denkbar/wünschenswert, würde man sie machen. Sagte er "man"? Das nicht, aber das Wort ist alles, was man sich unter dem, was er sagt, vorstellen kann. Wer ist man, wer soll machen? Alle blickten sich um. Nur eines ist sicher, aufgeklärte Intellektuelle und Leute, die vor allem anderen um ihren Arbeitsplatz bangen, gehören nicht dazu, sonst hätten sie Leibniz nicht mit Voltaire ausgelacht. Gottgläubige schicken den unergründlichen Gott vor, das nimmt ihnen Arbeit und Verantwortung und ist genau das, was alle Welt, vor allem die moderne, den Frommen abspricht, nämlich "höchst praktisch" fürs Nichtstun!
Die Augen richten sich auch auf diejenigen, die über Leibniz gelacht haben. Wollen sie "anerkannte" Intellektuelle und nicht nur gekaufte Angestellte sein, müssen sie etwas mehr sagen. Das haben sie, und wie gute Krämer, die aus dem Bauchladen ihres Ideenschacher leben, etwas gesagt, das sich nach allen Seiten verkaufen läßt, den Frommen wie den aufgeklärten Antifrommen. Die Beste aller Welten ist nach ihnen auch nur die vorhandene (warum zuvor das Gelächter?), weil es eine andere gar nicht gibt; nur, die vorhandene ist denkbar schlecht. Das wäre allerdings nicht der Fall, wenn man sie (die Welt) machen ließe. Wer hindert sie? Wer diese Frage einem aufgeklärten Intellektuellen stellt, ist selbst Schuld. Denn er bekommt den ganzen Inhalt des intellektuellen Bauchlandes an den Kopf geknallt. Schuld sind, die Priester, die Frommen, die Moralisten, die Erfinder, die Techniker, die Sozis, die Nazis, die ... weil ... Kurz alle, die aus Dummheit oder Bosheit oder beidem der Natur in den Arm fallen, die verbessern wollen, statt die Natur einfach machen zu lassen (Fast so praktisch wie bei den Frommen, nur durch den Selbsterhaltungstrieb verkompliziert, intellektueller eben).
Ist das Vorhandene mit seinen Naturtrieben wirklich gut? Fragen wir anders, ist es besser als das, was die Priester, Erfinder und so weiter anstreben? Ist es hier nicht auch so wie mit Schuhsohle und Schnitzel?
Alan Greenspan, der Papst des Dollartums und wohl mächtigste Mann der Welt, hielt sich am 13.1. im Historischen Museum Berlin auf, nicht um sich alte Stücke anzusehen, sondern um den 300 richtigsten Deutschen zu sagen, wo es lang geht. Natürlich ging es um die Zukunft der Weltfinanzen und die Auswirkungen der US-Defizite. Ohne Globalisierung, so der Guru, wäre es der Welt nicht möglich, die riesigen Defizite der USA zu schultern (will sie es denn?). (Nicht)Gut, aber wie geht's weiter, drängten die auserwählten Zuhörer. "Wenn wir ein völlig flexibles System hinbekommen, dann können wir die Probleme lösen, die darin bestehen, daß die Defizite in einem Land wie den USA unvermeidlich wachsen und sich deshalb Forderungen an Länder wie die USA aufhäufen." Aber es gibt natürlich eine Gefahr, "die Gefahr eines schleichenden Protektionismus, die mich seit einiger Zeit beunruhigt". Nicht nur Graf Otto von Lambsdorf nickte, für ihn ist keine Frage, was sich andere noch gefragt haben mochten: Was ist gefährlich am Protektionismus? Die Antwort vom Guru (wörtlich): "Sie verweist auf einen ganz grundsätzlichen Krieg der Ideen ["clash of ideas", klingt das nicht wie "Kampf der Kulturen", den wir inzwischen schon in Palästina, Afghanistan, und Irak haben], Ideen, die die Art und Weise betreffen, wie das Wirtschaften organisiert werden sollte".
Einer der Richtigen fragte besorgt. "Sie sagen, die Globalisierung ermöglicht, daß die ganze Welt die US Defizite trägt. Aber macht sie nicht auch das Umgekehrte möglich, nämlich Dollar zu verkaufen". Da konnte der Guru nur müde lächeln und mag sich insgeheim gefragt haben: Was wollen die dafür kaufen? Statt dessen erzählte der Guru eine rührende Geschichte. Einst habe ihn ein europäischer Führer angesprochen und gefragt: "Was ist der Markt, ist es nicht das Gesetz des Dschungels, das Naturgesetz. Und was ist Zivilisation, ist sie nicht der Kampf gegen den Dschungel, gegen die Natur". Greenspan entschied sich für das Handfeste, für die Natur, gab aber zu, daß die Gegner des Turbokapitalismus wegen des skandalösen Geschäftsgebarens einiger Firmen während der jüngsten Boom-Jahre Zulaufbekommen hätten.
Nachdem er mit dieser Geschichte die Gemüter etwas beruhigt hatte, beantwortete er die Frage: "Seit Jahren haben am Protektionismus Interessierte oft versucht den Prozeß des Wirtschaftswandels auf seiner Bahn aufzuhalten. Aber eigentlich sind alle diese Versuche gescheitert. Die Kosten jeder neuen protektionistischen Initiative im Rahmen der höchst unausgeglichenen Billanzen könnten allerdings die Flexibilität der Weltwirtschaft untergraben (nur sie?). Folglich muß der schleichende Protektionismus erstickt und umgekehrt werden." Warum wäre das gut, und, wenn ja, für wen und wozu? Keiner stellte das Selbstverständliche "für uns alle" in Frage und fragt: Wer sind wir?, und weiter: Zu welchem Zweck ist das Gesetz des Dschungels besser als die Einfriedung der Zivilisation?
Versteht Ihr jetzt den feinen Unterschied zwischen der bester aller Welten bei Leibniz und bei unseren gut bezahlten und geehrten Intellektuellen? Nicht der freie Lauf der Dinge im vorhandenen Dschungel, das ungestörte Austoben des Selbsthaltungstriebs aller gegen alle ist die beste mögliche Welt, sondern eine, die sich immer besser ordnen und einrichten ließe. Nur bleibt weiterhin offen, von wem und wie?
Aber so abstrakt ist diese Frage auch wieder nicht. Die obenauf sitzen antworten eindeutig: Jeder, der kann, ist so frei, seinem Gusto zu folgen (nach Absprachen mit seinesgleichen), nur soll ihm dabei niemand in den Arm fallen (wer es versucht, bekommt ihre vereinten Kräfte und Raffinessen zu spüren). Die ihnen nicht in den Armfallen dürfen, sind diejenigen, die am Wahlsonntag aus der Wahlkabine direkt zum Frühschoppen hinübergehen, wo sie im Kreis der vertrauten Kumpanen aus voller Überzeugung auf das schimpfen und wettern, was sie eben in der Kabine freiheitlich gewählt hatten. Daß das so ist, sagen Lambsdorf, Greenspan und Co. ist deren freie Entscheidung, die uns zwar viel gekostet aber auch viel gebracht hat. Das ist ja das Gute an unserer Demokratie. ("Papi, hast Du mir etwas mitgebracht, etwas ganz für mich alleine?")
Inzwischen werden Zahlen bekannt, die den Arbeitserfolg im letzten Jahr messen wollen. An der New Yorker Börse ist der Aktienwert von 2755 US-Firmen wieder um 27% auf 12,2 Billionen US$ gestiegen. Nasdaq Aktien sind sogar um 50% im Wert gestiegen und nun schon wieder 3 Billionen US$ wert. Diese Stärke der Wirtschaft meinte wohl der Präsident. Ist sie gut? Würde man fragen, wenn die Antwort nicht schon feststünde. Aber ist dadurch irgend etwas für die Firmen oder die Wirtschaft besser geworden? In Venezuela sind die Aktienwerte sogar um 177% gestiegen, in Thailand um 117%, der DAX angeblich um 37%, bei den Schweizer Aktien sind es nur 19% und in Frankreich nur 16% gewesen. Wer ist besser dran?
Auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Club der Zentralbanken der Länder, legte Zahlen vor. Von Anfang 2000 bis zum 30. Juni 2003 haben Derivatkontrakte von 109,5 Billionen auf 207,9 Billionen zugenommen. Die Zahlen werden noch unterteilt in die der OTC Kontrakte oder der verbrieften Währungswetten und anderes. Sie übersteigen sowieso das Vorstellungsvermögen der meisten von uns doch sind sie gut? Sollten sie besser nicht anstiegen? Ja, wenn alle Welt das gut findet...? Haben Sie selbst etwas Gutes daran gemerkt? Vielleicht hat Ihnen ihre Versicherung weniger Überschußanteile gutgeschrieben. Ist das etwa gut? Für die Versicherung schon, sonst hätte sie es nicht getan. Und Sie, was tun Sie Gutes dazu?
10% der großen Firmen in den USA (und bei uns einige), haben ihre betriebliche Krankenkasse oder Altersversorgung gekündigt. War das nun gut, stärkt es die Wirtschaft, unser aller Schicksal? Oder die andere Meldung in der Washington Times vom 14.1.: Ein Frank Furstenberg und eine Elisabeth Fussel wollen in einer Studie der Universität Pennsylvania herausgefunden haben, daß sich der Übergang ins Erwachsenenalter verzögert. Die Überzwanzigjährigen heiraten inzwischen erst, wenn sie über 30 sind und gründen - wenn überhaupt - erst dann eine Familie. Es wird nämlich zunehmend schwieriger, eine Karriere zu beginnen und eine Familie zu unterhalten. Das ist gut, sagen Umweltschützer, es stoppt die Übervölkerung und läßt uns und der Umwelt mehr. Aufgeklärte wiegen den Kopf: Wenn durch die Pille die Wirkung des Arterhaltungstriebs gebremst wird, könnte das den Selbsterhaltungstrieb stärken; wäre das gut für die Natur?
Was ist "gut"? Das sollte jeder "Freigeborene" selbst wissen. Weiß er es oder glaubt er dem anerkannten Nachgeplappere? Meistens stehen wir vor einer Wahl, und fragen dann eher, was ist besser? Zum Beispiel: Was ist besser, eine Schuhsohle oder ein Schnitzel? Charly Chaplin, die Verkörperung des "vergessenen Mannes" der (bald wieder aktuellen) zwanziger Jahre, kaute - natürlich nur im Film - genüßlich an einer Schuhsohle. Ein Schnitzel wäre besser gewesen, doch das war nicht erschwinglich. Am besten, was wäre am besten? Für den Hungrigen alle Tage ein Schnitzel oder ein Steak oder etwas Abwechslung, für den Übergewichtigen Fasten. Das alles bleibt auf der Ebene des Vergleichs und ist, von Notlagen und sonstigen Umständen abgesehen, eine Frage des Geschmacks. Das Beste ist aber ein Haufen Geld, um sich nicht gleich entscheiden zu müssen.
Philosophisch galt das Summum Bonum als Eigenschaft Gottes, der unsichtbar und unergründlich sein soll. Steigen wir von den unerklimmbaren Höhen in die Welt hinab! Die "beste aller Welten" ist die vorhandene, sagte der Philosoph Leibniz und ärgerte damit alle Impotenten, die aufgeklärten Intellektuellen ebenso wie diejenigen, die um ihren Arbeitsplatz bangen (müssen). Die einen lachten ihn aus, die anderen seufzen nur, ja wenn es nur so wäre. Beide könnten sich eine bessere vorstellen, eine die ihnen gelegener käme. Wie soll sie aussehen? Viel Geld, dann bekommt man alles, was gelegen käme: Schnitzel Schuhsohle und, was die Mode so bringt. In der Religion der Moderne, im Dollar- oder Eurotum ist Geld das Summum Bonum - keine Frage. Doch was ist daran gut (bonum)?
Warum nennt Leibniz die bestehende die besten aller möglichen Welten? Wer sich umsieht, muß denken, Leibniz sei einfallslos oder fundamentalistisch fromm. Daß sich Leibniz keine bessere Welt vorstellen konnte als die Welt, in der er unmittelbar am Ende des Dreißigjährigen Kriegs lebte, nimmt dem "Universalgenie" niemand ab. Erging er sich in frommer Spekulation: Der allmächtige Gott kann nur für die beste aller möglichen Schöpfungen verantwortlich sein, sonst wäre er nicht, was er ist. Andere Menschen für dumm zu halten, ist das beste und bewährteste Mittel, sich selbst das Denken abzugewöhnen.
Was meint Leibniz: Wäre eine bessere Welt denkbar/wünschenswert, würde man sie machen. Sagte er "man"? Das nicht, aber das Wort ist alles, was man sich unter dem, was er sagt, vorstellen kann. Wer ist man, wer soll machen? Alle blickten sich um. Nur eines ist sicher, aufgeklärte Intellektuelle und Leute, die vor allem anderen um ihren Arbeitsplatz bangen, gehören nicht dazu, sonst hätten sie Leibniz nicht mit Voltaire ausgelacht. Gottgläubige schicken den unergründlichen Gott vor, das nimmt ihnen Arbeit und Verantwortung und ist genau das, was alle Welt, vor allem die moderne, den Frommen abspricht, nämlich "höchst praktisch" fürs Nichtstun!
Die Augen richten sich auch auf diejenigen, die über Leibniz gelacht haben. Wollen sie "anerkannte" Intellektuelle und nicht nur gekaufte Angestellte sein, müssen sie etwas mehr sagen. Das haben sie, und wie gute Krämer, die aus dem Bauchladen ihres Ideenschacher leben, etwas gesagt, das sich nach allen Seiten verkaufen läßt, den Frommen wie den aufgeklärten Antifrommen. Die Beste aller Welten ist nach ihnen auch nur die vorhandene (warum zuvor das Gelächter?), weil es eine andere gar nicht gibt; nur, die vorhandene ist denkbar schlecht. Das wäre allerdings nicht der Fall, wenn man sie (die Welt) machen ließe. Wer hindert sie? Wer diese Frage einem aufgeklärten Intellektuellen stellt, ist selbst Schuld. Denn er bekommt den ganzen Inhalt des intellektuellen Bauchlandes an den Kopf geknallt. Schuld sind, die Priester, die Frommen, die Moralisten, die Erfinder, die Techniker, die Sozis, die Nazis, die ... weil ... Kurz alle, die aus Dummheit oder Bosheit oder beidem der Natur in den Arm fallen, die verbessern wollen, statt die Natur einfach machen zu lassen (Fast so praktisch wie bei den Frommen, nur durch den Selbsterhaltungstrieb verkompliziert, intellektueller eben).
Ist das Vorhandene mit seinen Naturtrieben wirklich gut? Fragen wir anders, ist es besser als das, was die Priester, Erfinder und so weiter anstreben? Ist es hier nicht auch so wie mit Schuhsohle und Schnitzel?
Alan Greenspan, der Papst des Dollartums und wohl mächtigste Mann der Welt, hielt sich am 13.1. im Historischen Museum Berlin auf, nicht um sich alte Stücke anzusehen, sondern um den 300 richtigsten Deutschen zu sagen, wo es lang geht. Natürlich ging es um die Zukunft der Weltfinanzen und die Auswirkungen der US-Defizite. Ohne Globalisierung, so der Guru, wäre es der Welt nicht möglich, die riesigen Defizite der USA zu schultern (will sie es denn?). (Nicht)Gut, aber wie geht's weiter, drängten die auserwählten Zuhörer. "Wenn wir ein völlig flexibles System hinbekommen, dann können wir die Probleme lösen, die darin bestehen, daß die Defizite in einem Land wie den USA unvermeidlich wachsen und sich deshalb Forderungen an Länder wie die USA aufhäufen." Aber es gibt natürlich eine Gefahr, "die Gefahr eines schleichenden Protektionismus, die mich seit einiger Zeit beunruhigt". Nicht nur Graf Otto von Lambsdorf nickte, für ihn ist keine Frage, was sich andere noch gefragt haben mochten: Was ist gefährlich am Protektionismus? Die Antwort vom Guru (wörtlich): "Sie verweist auf einen ganz grundsätzlichen Krieg der Ideen ["clash of ideas", klingt das nicht wie "Kampf der Kulturen", den wir inzwischen schon in Palästina, Afghanistan, und Irak haben], Ideen, die die Art und Weise betreffen, wie das Wirtschaften organisiert werden sollte".
Einer der Richtigen fragte besorgt. "Sie sagen, die Globalisierung ermöglicht, daß die ganze Welt die US Defizite trägt. Aber macht sie nicht auch das Umgekehrte möglich, nämlich Dollar zu verkaufen". Da konnte der Guru nur müde lächeln und mag sich insgeheim gefragt haben: Was wollen die dafür kaufen? Statt dessen erzählte der Guru eine rührende Geschichte. Einst habe ihn ein europäischer Führer angesprochen und gefragt: "Was ist der Markt, ist es nicht das Gesetz des Dschungels, das Naturgesetz. Und was ist Zivilisation, ist sie nicht der Kampf gegen den Dschungel, gegen die Natur". Greenspan entschied sich für das Handfeste, für die Natur, gab aber zu, daß die Gegner des Turbokapitalismus wegen des skandalösen Geschäftsgebarens einiger Firmen während der jüngsten Boom-Jahre Zulaufbekommen hätten.
Nachdem er mit dieser Geschichte die Gemüter etwas beruhigt hatte, beantwortete er die Frage: "Seit Jahren haben am Protektionismus Interessierte oft versucht den Prozeß des Wirtschaftswandels auf seiner Bahn aufzuhalten. Aber eigentlich sind alle diese Versuche gescheitert. Die Kosten jeder neuen protektionistischen Initiative im Rahmen der höchst unausgeglichenen Billanzen könnten allerdings die Flexibilität der Weltwirtschaft untergraben (nur sie?). Folglich muß der schleichende Protektionismus erstickt und umgekehrt werden." Warum wäre das gut, und, wenn ja, für wen und wozu? Keiner stellte das Selbstverständliche "für uns alle" in Frage und fragt: Wer sind wir?, und weiter: Zu welchem Zweck ist das Gesetz des Dschungels besser als die Einfriedung der Zivilisation?
Versteht Ihr jetzt den feinen Unterschied zwischen der bester aller Welten bei Leibniz und bei unseren gut bezahlten und geehrten Intellektuellen? Nicht der freie Lauf der Dinge im vorhandenen Dschungel, das ungestörte Austoben des Selbsthaltungstriebs aller gegen alle ist die beste mögliche Welt, sondern eine, die sich immer besser ordnen und einrichten ließe. Nur bleibt weiterhin offen, von wem und wie?
Aber so abstrakt ist diese Frage auch wieder nicht. Die obenauf sitzen antworten eindeutig: Jeder, der kann, ist so frei, seinem Gusto zu folgen (nach Absprachen mit seinesgleichen), nur soll ihm dabei niemand in den Arm fallen (wer es versucht, bekommt ihre vereinten Kräfte und Raffinessen zu spüren). Die ihnen nicht in den Armfallen dürfen, sind diejenigen, die am Wahlsonntag aus der Wahlkabine direkt zum Frühschoppen hinübergehen, wo sie im Kreis der vertrauten Kumpanen aus voller Überzeugung auf das schimpfen und wettern, was sie eben in der Kabine freiheitlich gewählt hatten. Daß das so ist, sagen Lambsdorf, Greenspan und Co. ist deren freie Entscheidung, die uns zwar viel gekostet aber auch viel gebracht hat. Das ist ja das Gute an unserer Demokratie. ("Papi, hast Du mir etwas mitgebracht, etwas ganz für mich alleine?")