WAHLFÄLSCHUNG
Staatsanwalt ermittelt gegen Stimmen-Händler
Manche Nichtwähler lassen ihre Stimme einfach verfallen, andere verkaufen sie. Eine kleine Kieler Firma namens "Fortschritt" treibt den Handel auf die Spitze - und bietet Wahlstimmen im Zehntausender-Paket an.
Frankfurt/Main - Wer Stimmen nicht klammheimlich unter Chiffre-Anzeigen oder in Chat-Foren, sondern gleich im Paket einkaufen will, kommt zu Cashvote.com. "Wählen lohnt sich wieder", heißt es da in dicken Lettern. Was damit gemeint ist, erfährt der Besucher im Nachsatz: "Ab sofort können Sie hier Ihre Stimme für die Bundestagswahl 2002 verkaufen sowie Wählervoten im Paket erwerben. Am 22. September sind Wahlen - machen Sie Ihre Stimme schon jetzt zu Geld!"
Da gibt es das "Ecopaket" mit 1000 Zweitstimmen für 6250 Euro. Wer die Partei seiner Wahl noch weiter nach vorn bringen will, kauft das "Powerpaket" mit 10.000 Zweitstimmen, das - die Menge macht's - schon für 59.900 Euro zu haben ist. Und Nachschub ist reichlich vorhanden, glaubt Cashvote-Betreiber "Fortschritt", ein Kieler Unternehmen, das sich im Mai dieses Jahres gegründet haben will. Auf 7,3 Millionen Stimmen beziffert "Fortschritt" das "jährliche Vermittlungspotenzial". Man sucht verzweifelt nach Anzeichen, dass Cashvote nur eine Satire ist. Allein, es finden sich keine.
Für wen die gekauften Stimmen abgegeben werden, bleibt ganz der Wahl des Käufers überlassen: Er kann jede Partei anklicken, die zur Bundestagswahl antritt - von der " Alternative spirituelle Politik im neuen Zeitalter", auch als "Die Violetten" bekannt, über SPD und CDU bis hin zur NPD. Auch im Internet-Auktionshaus eBay werden immer wieder Wählerstimmen angeboten, die nach eBay-Angaben gelöscht werden, sobald sie auftauchen.
Doch das Geschäft könnte für Stimmenkauf und -verkauf könnte die Beteiligten teuer zu stehen kommen: "Wer einem anderen dafür, dass er nicht oder in einem bestimmten Sinne wählt, Geschenke oder andere Vorteile anbietet, verspricht oder gewährt", heißt es im Strafgesetzbuch, "wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft."
Eigentlich sollte mittlerweile bekannt sein, dass nur der seine Wahlstimme zum Kauf anbieten sollte, der keine Angst vor dem Staatsanwalt hat. Dennoch ermitteln derzeit gleich mehrere deutsche Anklagebehörden gegen Unvorsichtige, die im Internet und über Zeitungsanzeigen ihre Wählerstimme zum Kauf angeboten haben.
Der Frankfurter Oberstaatsanwalt Job Tilmann hat einen entsprechenden Bericht der "Bild am Sonntag" jetzt bestätigt. "Mir sind mehrere Fälle aus dem Internet bekannt", sagte Bundeswahlleiter Johann Hahlen der Zeitung. "Wir haben sofort die Betreiber der betroffenen Foren angemahnt und die zuständigen Staatsanwaltschaften eingeschaltet. Diese haben sofort Ermittlungsverfahren eingeleitet." Perverse und hochkriminell sei diese Art, die Demokratie zu schädigen.
Deshalb droht jetzt gar der Frankfurter Rundschau Ungemach. In dem Blatt soll ein Arbeitsloser seine Stimme im Tausch gegen einen Job angeboten haben. Ermittler Tilman will jetzt die Anzeigenabteilung der "Frankfurter Rundschau" durchsuchen lassen, um den Mann ausfindig zu machen. Ziel der Ermittlungen sei aber nicht die Zeitung, beteuerte Tilmann. Nur der Inserent.
Spiegel