Erstes UMTS-Netz lockt mit Gratis-Telefonaten
Im ersten kommerziellen UMTS-Netz Europas werden die Telefongespräche für die Kunden möglicherweise kostenlos sein.
"Wir halten das generell für eine gute Idee", sagte Ralf Ohlhausen, Multimedia-Chef von Manx Telecom, der Financial Times Deutschland, ohne Einzelheiten zu nennen. Manx Telecom, eine Tochter von British Telecom, baut in ihrem überschaubaren Lizenzgebiet auf der Isle of Man das erste Testnetz der dritten Mobilfunkgeneration, das unter realen Bedingungen außerhalb des Labors funktionieren soll. Der Start der neuen Technik geriet erwartungsgemäß holprig: Erst vorige Woche musste der geplante Termin von Ende Mai auf den Spätsommer verschoben werden.
Die Technik für das Netz liefern der deutsche Konzern Siemens und der japanischen Computerkonzern NEC. Das Isle-of-Man-Netz gilt als Demonstrationsprojekt für den Aufbau von UMTS durch British Telecom in Großbritannien. Es soll nicht nur die Technik, sondern auch die kommerzielle Verwertbarkeit von Mobilfunk der dritten Generation testen. Daher könnte die Gratistelefonie auch als Modell für große UMTS-Netze dienen - ein Trend, den auch das Beratungsunternehmen Forrester in einer vor wenigen Monaten veröffentlichten Studie vorhergesagt hatte.
Werbung aufs Display
Kostenlose Sprachtelefonate haben den Vorteil, dass sie schnell Kunden in die neuen Mobilfunknetze locken könnten. Vor allem aber würde bei den Nutzern so Akzeptanz dafür geschaffen, dass ihnen Produktinformationen auf die Handydisplays gespielt werden, sagte John Cundall, der im britischen Siemens-Forschungslabor Roke Manor Research bei Southhampton Softwareanwendungen für UMTS-Netze entwickelt.
Durch Werbung hoffen die Mobilfunkbetreiber einen Teil der Kosten für den UMTS-Ausbau zu decken. Als besonders viel versprechendes Beispiel hält sich hartnäckig das besonders kundenunfreundliche "Location Based Advertising": Dabei werden dem Handykunden Werbebotschaften auf das Display gespielt, sobald er an einem entsprechenden Geschäft vorübergeht.
Gegen Gratistelefongespräche könnte der Kunde bei Vertragsunterzeichnung solche Werbung zulassen - oder sogar die Vermarktung seines gesamten Nutzerprofils. Alle Dienste, die höhere Datenübertragungsraten erforderten, etwa Videotelefonate und Internetzugang, würden kostenpflichtig bleiben.
Softwareprobleme verschoben Start
Das UMTS-Netz auf der Isle of Man soll zunächst mit 200 Endgeräten starten, die Kapazität reicht allerdings für 5000 Verbindungen gleichzeitig. Das Projekt hatte zuletzt einen Rückschlag erlitten. Ursprünglich sollte das Funknetz noch im Mai in Betrieb gehen, wegen Softwareproblemen musste der Start jedoch vorige Woche verschoben werden. Siemens gab an, eine Systemeinheit, der so genannte "Radio Network Controller", der als Schnittstelle zwischen den Mobilfunkstationen und dem Festnetz dient, arbeite fehlerhaft. Wenn ein Gesprächsteilnehmer den Funkbereich einer Basisstation verlasse, werde die Verbindung nicht an eine andere Station weitergegeben, sondern breche ab.
Siemens-Projektleiter Rudolf Siegert betonte, es handele sich dabei um kein UMTS-spezifisches Problem. Inzwischen sei es gelungen, auf der Isle of Man eine erste UMTS-Verbindung zwischen zwei Handys aufzubauen. "Damit haben wir bewiesen, dass alle Komponenten des Systems funktionieren", sagte Siegert. Einen genauen Starttermin werde man vorerst nicht bekannt geben: "Wir werden die Stabilität des Netzes nicht der Geschwindigkeit des Marktes opfern."
Das UMTS-Netz auf der Isle of Man wird im Wettlauf gegen die japanische Mobilfunkgesellschaft NTT Docomo aufgebaut, die zum 1. Oktober ein Mobilfunknetz der dritten Generation in Tokio eröffnen will. Auch die französische Vivendi will sich mit einem UMTS-Testnetz profilieren. Die Konzerntochter Monaco Telecom soll es noch dieses Jahr im Fürstentum in Betrieb nehmen.
Quelle 2001 Financial Times Deutschland