Sorge um den Arbeitsplatz verunsichert die Verbraucher
Weihnachtsgeschäft läuft nur mäßig/ Entlastung durch niedrigere Ölpreise / MP3-Player, Mini-Discs, CDs und Spielekonsolen als Renner
Schon vor dem dritten Adventssamstag spricht der Einzelhandel in Deutschland von einem prächtigen Weihnachtsgeschäft. Allen Rezessionsängsten zum Trotz seien die Verbraucher „entschlossen und ausgabefreudig auf Geschenkesuche“. Viele Geschäfte verbuchten bisher zweistellige Umsatzsteigerungen. Der Branchenverband bestätigt damit das Ergebnis einer Studie des Allensbach-Instituts, nach der die Bundesbürger diesmal im Advent insgesamt mehr Geld ausgeben können als vor Jahresfrist.
Das hängt mit den gesunkenen Energiekosten zusammen. Weil Benzin und Heizöl billiger geworden sind, bleibt mehr Kaufkraft für Weihnachtsgeschenke übrig, durchschnittlich 20 DM für jeden. Ob dieser Betrag – multipliziert mit der Zahl der Kunden – dem Handel aus der Umsatzflaute heraus hilft, in der er schon seit Monaten steckt, ist allerdings zweifelhaft. Deshalb nennt der Handel gleich noch einen weiteren Grund für seine demonstrative Zuversicht: Vor der Euro-Umstellung fließe noch viel altes Geld aus dem Sparstrumpf in die Ladenkassen. Auch Schwarzgeld, das durch die Währungsumstellung ungültig zu werden droht, komme zurück in den Wirtschaftskreislauf. Das klingt plausibel, ist aber schwer nachweisbar.
Schmuck mit mattem Glanz
Juweliere als angeblich klassische Adressen für Schwarzgeld sind ohnehin anderer Meinung. Ihr Umsatz lag in den vergangenen Wochen nicht höher als während einer normalen Adventszeit Und in den unteren Preislagen tut sich derzeit kaum etwas. Reger werden dagegen Luxusgüter geordert. Aber das sei normal, heißt es. Je höher das Einkommen eines Kunden, desto weniger Krisensorgen macht er sich.
Insgesamt steckt der Handel in einem Stimmungstief, sagt der frühere Karstadt-Chef Walter Deuss in seiner neuen Funktion als Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels (BAG) und warnt vor einer Weihnachtseuphorie. Nachhaltig werde sich das Konsumklima erst ändern, wenn sich die Lage am Arbeitsmarkt entspanne. Vor diesem Hintergrund verstärkt sich der Eindruck, die positiven Kommentare des Handels zum Weihnachtsgeschäft würden in diesem Jahr noch häufiger als sonst mit Hintergedanken abgegeben.
Viele Ladenbesitzer stecken in einer Klemme: Geben sie sich zu pessimistisch, verunsichern sie die Verbraucher mit dem Resultat, dass die ihre Taschen erst recht zu halten. Machen die Ladenbesitzer dagegen auf Optimismus, um das Konsumklima aufzuhellen, ermuntern sie womöglich die Gewerkschaften zu hohen Lohnforderungen. Die Lage ist unsicher wie selten zuvor. Als Warnung gilt die in diesem Jahr um acht Prozent gestiegene Zahl der Insolvenzen.
Insgesamt scheint dem Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr – trotz mancher Erfolgsmeldung – der rechte Schwung fehlen. Glanzlichter sind jedenfalls rar. Vor einem Jahr gab es Sonderbewegungen durch den Handyboom. Der Absatz verdoppelte sich innerhalb eines Jahres. Dieser Erfolg ist längst vergessen und eine Entsprechung gibt es diesmal nicht. Branchenverbände sprechen jetzt von einer Umsatzstagnation.
Es gibt aus einigen Segmenten auch positive Meldungen. Gut zu tun haben etwa Elektronikhändler. Verkaufsrenner sind MP3–Player, Mini-Discs, CDs und Spielekonsolen. Dafür haben aber Textilläden schwer zu kämpfen. Die zahllosen, im Preis herabgesetzten Markenwaren sprechen nicht gerade für ein florierendes Geschäft, zusätzliche Kaufanreize und Sonderangebote sind schon vor Weihnachten nötig.
Umsatzverschiebungen
Einen spürbaren Aufschwung erleben dagegen Online-Händler. Sie dürfen nach Angaben des Marktforschungsinstituts Forrester Research mit saftigen Umsatzzuwächsen rechnen. Erfolgreich werden dabei vor allem Bücher, Musik, Videos und Software abgesetzt. Doch ist auch da nicht alles Gold, was glänzt: Was Online-Vertreiber umsetzen, geht überwiegend dem stationären Handel verloren. Forrester selbst spricht im Zusammenhang mit seiner Prognose von Umsatzverlagerungen: Was die einen zulegen, geben die anderen ab. Auch so gesehen ist das diesjährige Weihnachtgeschäft alles andere als berauschend.
Quelle:Süddeutsche Zeitung