„Ist der Solarboom schon verpufft, Herr Asbeck?“
12.12.2007
Der Chef von Solarworld über die Krise in der Branche, sein Verhältnis zu Angela Merkel und seine Avancen an die großen Versorger.
Die deutsche Solarindustrie bebt, nachdem mit Conergy einer der größten Player Anfang November nur haarscharf an der Insolvenz vorbeischrammte. Frank Asbeck, Galionsfigur der deutschen Solarwirtschaft, beruhigt im Interview mit €uro.
€uro: Solaraktien schwächeln, die ersten Unternehmen stehen vor dem Bankrott, Quartalszahlen fallen enttäuschend aus. War’s das schon mit dem Solarboom?
Frank H. Asbeck: Im Gegenteil. Wir haben keinen Abriss, sondern eine Erhöhung der Nachfrage. In Deutschland wächst die installierte Leistung jährlich zweistellig, weltweit jedes Jahr mit mindestens 25 Prozent. Und die Nachfrage wird immer stärker, je näher wir der sogenannten Grid Parity kommen, also der Gleichheit von Marktpreis und den Kosten für erneuerbar erzeugten Strom.
€uro: Das lässt aber – Stichwort Conergy – die momentane Performance von Solarwerten an der Börse nicht erkennen.
Asbeck: Wenn einzelne Unternehmen, die strategisch falsche Entscheidungen getroffen haben, in einem allgemein negativen Börsenumfeld Nervosität auslösen, ist das nicht das Ende des Solarbooms.
€uro: Oder nimmt die Börse vorweg, dass die Industrie nach stürmischem Anfangswachstum jetzt erkennbar in eine andere, ruhigere Phase eintritt?
Asbeck: Die Börse nimmt nicht eine neue Entwicklung vorweg, sondern sie ist auf einem hohen Niveau allgemein nervös. Die fundamentalen Daten, das Produktivitätswachstum, das Tempo der Kostensenkungen und die Margenstabilität sind absolut intakt.
€uro: Immerhin steigen die weltweiten Solarkapazitäten mit 44 Prozent im Moment stärker als die installierte Leistung, die nur um 17 Prozent zugenommen hat.
Asbeck: Wie bei jedem Industrieprodukt ist der Ausgleich von Angebot und Nachfrage nur ein flüchtiger Moment. Beides tanzt umeinander. Wichtig ist: Der intakte Aufwärtskanal beider ist noch gegeben.
€uro: Also keine Überkapazitäten?
Asbeck: Es gibt immer beides: Über- und Unterkapazitäten. Bei Silizium hatten wir gerade einen Engpass, der sich kurzfristig, in ein bis zwei Jahren, aufgelöst haben wird. Momentan haben wir leichte Überkapazitäten im Bereich Modul und Zelle. Dass die nicht dramatisch sind, sehen Sie schon daran, dass von ihnen kein Preisdruck ausgeht.
€uro: Noch nicht.
Asbeck: Und wenn es den geben würde, dann würde – siehe Volkswirtschaft-Standardlehrbuch Henrichsmeyer, Gans, Evers – neue Nachfrage entstehen. Vielleicht sogar eine gigantische, denn wir nähern uns dem Punkt, an dem wir Haushaltsstrom unter dem jetzt gültigen Preis anbieten können. Ab dem Punkt ist die Nachfrage nach erneuerbarer Energie schier unendlich, wenn man sich vorstellt, dass heute gerade mal 0,05 Prozent der Energie solar erzeugt werden.
€uro: Wann wird denn die Parität mit dem Preis für Haushaltsstrom erreicht sein?
Asbeck: Das wird natürlich von Markt zu Markt unterschiedlich sein. In Deutschland werden am 1. Januar 2008 die großen Stromanbieter unisono die Preise um zehn Prozent anheben. Gleichzeitig wird die Installation von solarer Energie um etwa den gleichen Betrag günstiger werden. Wenn die Entwicklung so weitergeht, dann wird in den nächsten acht Jahren der Punkt der Wettbewerbsfähigkeit auf dem Hausstrommarkt erreichbar sein.
€uro: In Erwartung dieses Punktes fahren einige Länder ihre Förderprogramme für Solarstromerzeugung aber schon wieder zurück. In Japan ist man bei nahe null für Hausdächer, in den USA überlegt man intensiv, und in Deutschland hat man gerade empfindliche Kürzungen beschlossen. Bremst das zu stark?
Asbeck: Das sind keine Bremsen, sondern Herausforderungen. Eine Branche, die relativ jung war, durfte in einem geschützten Bereich, einer Art Kinderhort, spielen. Jetzt wird sie rausgeschickt in die Grundschule und muss sich allmählich aufs Abitur vorbereiten. Die Herausforderung müssen wir annehmen.
€uro: Bekommen Sie von der Politik noch genügend Unterstützung?
Asbeck: Ich kann mich nicht beklagen. Mich freut vor allem, dass erneuerbare Energien ein Kanzlerthema geworden sind.
€uro: Stört es Sie nicht, dass Angela Merkel eine strikte Befürworterin der Atomkraft ist?
Asbeck: Vor Kurzem saß ich mit ihr im Flieger nach Afrika. Da haben wir ganz interessante Gespräche gehabt – von Physikerin zu Ingenieur. Übrigens fiel ihr die Periodenzahl von Silizium (dem Grundstoff für Solarzellen) eher ein als mir. Im Ernst: Sie ist gut informiert. Und insofern akzeptiere ich auch die anderslautende Meinung in Fragen der Nutzung von Kernkraft.
€uro: RWE und E.on schlagen andere Wege ein. Die beiden haben jüngst verkündet, insgesamt vier Milliarden Euro in erneuerbare Energien investieren zu wollen.
Asbeck: Und das ist nicht nur Greenwashing zur Aufpolierung der Hochglanzbroschüre.
"Solare Energie könnte ein Instrument zur langfristigen Bindung sein."
€uro: In solare Energien wollen beide mangels Profitaussichten aber kaum investieren.
Asbeck: Ich glaube, sie haben da einen falschen strategischen Ansatz. Die großen vier (es sind ja eigentlich nur drei, denn die Erneuerbaren haben ja mit 13,5 Prozent schon einen größeren Marktanteil an der Stromversorgung als EnBW) haben über 300.000 Kunden verloren. Trotzdem denken sie immer noch wie früher, planen zentrale große Anlagen, die irgendwo weitab, etwa im Meer, stehen und den Strom durch dicke Leitungen zu den Kunden transportieren.
€uro: Was ist daran falsch?
Asbeck: Sehen Sie, der Kunde wird ein flüchtig’ Ding werden. Solare Energie könnte ein Instrument zur langfristigen Bindung sein. Warum bieten die Großen ihren Kunden, die eine Solaranlage wollen, sie aber nicht kaufen wollen, nicht eine einfache Lösung an? E.on finanziert und baut die Anlage und hat eine 25-jährige Kundenbindung. Ich habe ihnen schon vor Jahren eine diesbezügliche Kooperation angeboten.
€uro: Stichwort Kundenbindung. Könnte die angeschlagene Conergy, die ja vor allem im Vertrieb stark ist, nicht ein interessanter Übernahmekandidat sein?
Asbeck: Ich habe kein Interesse an Conergy. Wer eine große Produktion hat und keinen Vertrieb, für den könnte Conergy was sein. Der hätte allerdings auch bis heute geschlafen. Nur ein Verschlafener kann sich Conergy kaufen.
€uro: Für manche Beobachter ist der Fall Conergy vor allem der Fall seines Gründers. In vielen Solarunternehmen sind die Pioniere schon abgetreten. Wie lange werden Sie noch weitermachen?
Asbeck: Ich unterliege da keinem Gruppenzwang. Ich habe 25 Prozent der Gesellschaft trotz erheblichen Wachstums behalten, und so wird es auch bleiben. Ich fühle mich mit 48 Jahren noch nicht zum Ruhestand verurteilt, nur weil irgendwelche Berater sagen, dass Gründer nach zehn Jahren abtreten müssten. Ich mach das gern noch 20 Jahre. Übrigens weisen inhabergeführte und inhabergeschützte Unternehmen eine gute Performance auf. Gucken Sie sich eine Firma wie Wacker an, die das über Jahrzehnte sehr ordentlich gemacht hat.
€uro: Zeigt der Fall Conergy nicht aber, dass da bei ein paar Pionieren zu wenig Strategie und zu viel Bauch im Spiel war?
Asbeck: Ganz im Gegenteil. Viel Strategie, die meist extern von den Meckies dieser Welt aufoktroyiert wird, schadet. Vor allem immer wieder wechselnde Strategien. Wir bei Solarworld haben außer Steuer- und Rechtsberatung keine externe Beratung. Wir wissen selbst am besten, was wir können. Solarworld kann kristalline Solartechnologie. Das ist die einzige richtige Zukunftstechnologie. Da muss ich nicht aus Ängstlichkeit noch vier andere Zukunftstechnologien anfangen.
€uro: Sie gelten als durchsetzungsfähig und couragiert. Wie bezeichnen Sie denn selbst Ihren Führungsstil?
Asbeck: Ich bin absolut nicht autoritär. Ich bin ein Dickkopf, lasse mich aber von besseren Argumenten meiner Mitarbeiter überzeugen. Das geschieht übrigens täglich. Und ich habe in meinem Unternehmen neben und unter mir immer bessere Leute eingestellt, als ich meine, selbst zu sein. Ich bin kein CTO, kein COO und kein Forscher. Ich bin der Zirkusdirektor.
€uro: Wann wird denn der Zirkusdirektor eine Gefahr für Solarworld?
Asbeck: Wenn das Gehirn langsam von der flüssigen in die kristalline Phase übergeht, so wie es bei Silizium eine flüssige und eine kristalline Phase gibt. Aber dann wird mir meine Frau sagen: „Mach du den Garten.“
€uro: Vielen Dank für das Gespräch.