Madoff-Warner lebte in Todesangst
Von Olivia Kühni. Aktualisiert am 05.02.2009
Der einfache Wirtschaftsprüfer Harry Markopolos warnte neun Jahre lang die Börsenaufsicht vor Betrüger Bernard Madoff. Gestern erzählte er, wieso er deswegen um sein Leben fürchtete.
Harry Markopolos erschien zurückhaltend und nachdenklich zur Madoff-Anhörung vor dem Finanzausschuss des Repräsentantenhauses in Washington. Er schilderte, wie er seit dem Jahr 2000 vergeblich versucht hatte, die Börsenaufsicht SEC vor Bernard Madoff zu warnen – und brachte ein über 300 Seiten dickes Dokument mit, das sämtliche Kontaktaufnahmen detailliert auflistete.
Markopolos lebte in dieser ganzen Zeit in Todesangst, wie er den Abgeordneten sagte. Jahrelang habe er seine Meldungen an die SEC nicht mit Namen gezeichnet, aus Angst um sein Leben und das seiner Mitarbeiter. «Madoff war einer der mächtigsten Männer an der Wallstreet», sagte Markopolos gemäss Unterlagen, die heute auf der Webseite des «Wallstreet Journal» veröffentlicht wurden. «Er war in der Position, unsere Karrieren sofort zu beenden, oder uns Schlimmeres anzutun», so Markopolos. «Er war für uns eine grosse Gefahr.»
Der Wirtschaftsprüfer aus Boston rechnete sich aus, dass Madoff wenig zu verlieren gehabt hätte, hätte er die Warner einfach beiseite geschafft. «Da Madoff ohnehin mit lebenslanger Haft rechnen musste, hätte das für ihn kaum ein zusätzliches Risiko bedeutet. Mehrfach in den vergangenen neun Jahren fürchtete jeder von uns um sein Leben», zitiert «Sueddeutsche.de» aus dem Anhörungsprotokoll.
Madoffs Erfolg war ihm nicht geheuer
Markopolos entdeckte Madoffs Betrügereien, weil er dessen Erfolg analysierte. Er arbeitete für ein Unternehmen, das ähnlich wie Madoff sein Geld mit Optionen verdiente, also mit Anlagen, die dem Käufer das Recht geben, Wertpapiere später zu einem bestimmten Preis zu beziehen.
Weil Markopolos' Chef wissen wollte, wieso Konkurrent Madoff so erfolgreich war, erteilte er seinem Mitarbeiter den Auftrag, genauer hinzusehen. Das tat Markopolos, und entdeckte ein weit gespanntes Schneeballsystem. Er nahm Kontakt mit der SEC auf und informierte sie immer wieder über seinen Verdacht. 2005 fasste er diesen in deutliche Worte: «Der grösste Hedge-Fund der Welt ist ein Betrug», schrieb er der Börsenaufsicht. Die SEC reagierte nicht. Prominente Mitglieder der Aufsicht müssen diese Woche ebenfalls vor dem Ausschuss antreten und über ihr Verhalten – oder vielmehr Stillhalten – Rechenschaft ablegen.
Auch das «Wallstreet Journal» war seit Jahren informiert
Dass ausgerechnet das «Wallstreet Journal» die Gerichtsunterlagen auf seiner Seite veröffentlicht, zeugt übrigens von Grösse. Denn auch das renommierte Branchenblatt hätte Madoff schon viel früher auffliegen lassen können – und das ist im Ausschussprotokoll dokumentiert: Markopolos kontaktierte vor drei Jahren John Wilke, Starreporter beim WSJ, und bat ihm Hintergrundinformationen zu Bernard Madoffs Betrug an. «Leider scheint es jedoch, dass die Redaktoren Wilke nie die Erlaubnis für Nachforschungen erteilten», sagte Markopolos.
Amerikanische Medien, allen voran der Wall-Street-Kenner Gary Weiss, machten gestern auch dieses Missgeschick des WSJ öffentlich. Weiss findet dieses nicht erstaunlich. Seit den 1990er-Jahren hätten verschiedene Händler die Zeitung über das Geklüngel an der Wallstreet informiert – «und das Journal, nach mässigem anfänglichem Interesse, tat nichts». (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
Erstellt: 05.02.2009, 10:12 Uhr
http://www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/...n-Todesangst/story/30376535