Fiat-Großaktionär Agnelli steuert um
Der größte italienische Industriekonzern gerät ins Schleudern. Bei einem Schuldenberg von 7,5 Mrd. Euro hat Fiat jetzt die Notbremse gezogen: Werksschließungen und Entlassungen sind jedoch nur ein Teil der Konsequenzen, um die das Unternehmen nicht herumkommt. Analysten rechnen mit einem grundsätzlichen Strategiewechsel.
mab MAILAND. Die Zukunft von Fiat, dem wichtigsten italienischen Industrieunternehmen, ist ungewisser denn je. Das Ergebnis einer dramatischen Sitzung des Verwaltungsrates am späten Montagabend lässt sich dahingehend interpretieren, dass die dauerhafte Selbstständigkeit des Konzerns nicht mehr garantiert ist. Bankiers und Analysten glauben, dass durch den neuen Finanz- und Strategieplan eine Übernahme der Autosparte durch den amerikanischen Partner General Motors (GM) näher rückt.
Im Frühling des vergangenen Jahres hatte sich der weltweite Branchenführer mit 20% an der Autosparte von Fiat beteiligt. Im Gegenzug übernahm die noch zu gut 30% von der Industriellenfamilie Agnelli kontrollierte Fiat-Gruppe 5,6% an dem US-Riesen.
Exakt jener Anteil an GM steht nun – wenn auch indirekt – zum Verkauf. Um den immensen Schuldenberg von aktuell 7,5 Mrd. Euro zu verringern, emittiert Fiat eine Wandelschuldverschreibung im Volumen von 2,5 Mrd. Euro, die in fünf Jahren in Form von GM-Aktien zurückbezahlt werden kann. „Wenn aber Fiat seine Quote an GM abgibt, dann kann keine Rede mehr sein von einer gleichberechtigten Partnerschaft. Das wird die Machtgewichte eindeutig nach Amerika verschieben“, sagte gestern ein führender Banker in Mailand. Dies sei ein weiterer Schritt, der zum Ende der Selbstständigkeit des Symbols italienischer Industriegeschichte führen werde. Auch ein bislang als Tabu angesehener Ausstieg der Agnellis aus dem Autobusiness wird in Finanzkreisen nicht mehr ausgeschlossen. Bei Fiat beeilte man sich indes, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Vorstandschef Paolo Cantarella sagte auf einer Analystenkonferenz, Ziel sei, die Anleihe in Bargeld zurückzuzahlen. Der Anteil an GM habe eine strategische Bedeutung.
Die Antwort auf die Frage nach der dauerhaften Selbstständigkeit wird stark davon abhängen, ob die Manager um den Konzernpräsidenten Paolo Fresco das Ruder noch einmal herumreißen und das Unternehmen dauerhaft in die Gewinnzone führen können. Da exakt dies dem bisherigen Autochef Roberto Testore misslungen ist – im dritten Quartal ist ein Verlust von 120 Mill. Euro aufgelaufen –, musste er gestern seinen Hut nehmen. Jetzt wartet auf seinen Nachfolger Giancarlo Boschetti, bislang Vorstandsvorsitzender der profitablen Lkw-Tochter Iveco, eine äußerst schwierige Aufgabe. Er soll den Autohersteller in vier Sparten reorganisieren und effizienter machen. Unter anderem sollen künftig die Marken Fiat/Lancia und Alfa Romeo getrennt gemanagt werden.
Auf Konzernebene sind einschneidende Sparmaßnahmen geplant. Weltweit werden 18 Fabriken geschlossen. Die meisten davon liegen in Südamerika, wo Fiat durch die Krise in Argentinien und den Abschwung in Brasilien ins Schleudern gekommen ist. Der weltweit siebtgrößte Autohersteller rangelt auf dem Subkontinent mit VW, wenn es um den vorderen Platz bei den Neuzulassungen geht. 6000 Arbeitsplätze werden durch den Sparplan abgebaut. In Italien und Deutschland soll es aber nicht zu Entlassungen kommen. Die Fabriken des Unternehmens sind Hochburgen der Gewerkschaften. Die Konzernspitze fürchtet soziale Spannungen, die das Unternehmen in den 70er-Jahren lähmten, wie der Teufel das Weihwasser.
Neben diesen Restrukturierungen wird Fiat eine Kapitalerhöhung im Gegenwert von 1 Mrd. Euro durchführen und Unternehmensbeteiligungen für voraussichtlich 2 Mrd. Euro abstoßen. Ziel ist laut Vorstandschef Cantarella, bis Ende nächsten Jahres die Verschuldung auf 3 Mrd. Euro zu senken.
Sollten diese Maßnahmen nicht fruchten, wären weiter reichende Konsequenzen die Folge. Für diesen Fall haben die Agnellis bereits vorgesorgt. Sie haben in den vergangenen Monaten den Grundstein gelegt für eine Zukunft ohne Auto. In diesem Jahr wurde gemeinsam mit dem französischen Staatsmonopolisten EdF der größte private Stromversorger des Landes, Italenergia-Montedison, gekauft. In diese Ehe mussten die Turiner praktisch kein Bargeld einbringen, sondern konnten ihren Mehrheitsanteil mit eigenen Kraftwerken sowie Grundstücken für den Bau neuer Kapazitäten bezahlen. Außerdem setzt Fiat immer stärker auf Dienstleistungen. So könnte der Versicherung Toro, die heute bereits zu den fünf größten des Landes zählt, künftig eine Schlüsselrolle bei der Bildung eines italienischen Allfinanzkonzerns unter Führung der Unternehmerfamilie Agnelli zufallen. Ihr wäre dann der Schritt von der Industrie- in die Dienstleistungsgesellschaft meisterhaft geglückt.
Der größte italienische Industriekonzern gerät ins Schleudern. Bei einem Schuldenberg von 7,5 Mrd. Euro hat Fiat jetzt die Notbremse gezogen: Werksschließungen und Entlassungen sind jedoch nur ein Teil der Konsequenzen, um die das Unternehmen nicht herumkommt. Analysten rechnen mit einem grundsätzlichen Strategiewechsel.
mab MAILAND. Die Zukunft von Fiat, dem wichtigsten italienischen Industrieunternehmen, ist ungewisser denn je. Das Ergebnis einer dramatischen Sitzung des Verwaltungsrates am späten Montagabend lässt sich dahingehend interpretieren, dass die dauerhafte Selbstständigkeit des Konzerns nicht mehr garantiert ist. Bankiers und Analysten glauben, dass durch den neuen Finanz- und Strategieplan eine Übernahme der Autosparte durch den amerikanischen Partner General Motors (GM) näher rückt.
Im Frühling des vergangenen Jahres hatte sich der weltweite Branchenführer mit 20% an der Autosparte von Fiat beteiligt. Im Gegenzug übernahm die noch zu gut 30% von der Industriellenfamilie Agnelli kontrollierte Fiat-Gruppe 5,6% an dem US-Riesen.
Exakt jener Anteil an GM steht nun – wenn auch indirekt – zum Verkauf. Um den immensen Schuldenberg von aktuell 7,5 Mrd. Euro zu verringern, emittiert Fiat eine Wandelschuldverschreibung im Volumen von 2,5 Mrd. Euro, die in fünf Jahren in Form von GM-Aktien zurückbezahlt werden kann. „Wenn aber Fiat seine Quote an GM abgibt, dann kann keine Rede mehr sein von einer gleichberechtigten Partnerschaft. Das wird die Machtgewichte eindeutig nach Amerika verschieben“, sagte gestern ein führender Banker in Mailand. Dies sei ein weiterer Schritt, der zum Ende der Selbstständigkeit des Symbols italienischer Industriegeschichte führen werde. Auch ein bislang als Tabu angesehener Ausstieg der Agnellis aus dem Autobusiness wird in Finanzkreisen nicht mehr ausgeschlossen. Bei Fiat beeilte man sich indes, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Vorstandschef Paolo Cantarella sagte auf einer Analystenkonferenz, Ziel sei, die Anleihe in Bargeld zurückzuzahlen. Der Anteil an GM habe eine strategische Bedeutung.
Die Antwort auf die Frage nach der dauerhaften Selbstständigkeit wird stark davon abhängen, ob die Manager um den Konzernpräsidenten Paolo Fresco das Ruder noch einmal herumreißen und das Unternehmen dauerhaft in die Gewinnzone führen können. Da exakt dies dem bisherigen Autochef Roberto Testore misslungen ist – im dritten Quartal ist ein Verlust von 120 Mill. Euro aufgelaufen –, musste er gestern seinen Hut nehmen. Jetzt wartet auf seinen Nachfolger Giancarlo Boschetti, bislang Vorstandsvorsitzender der profitablen Lkw-Tochter Iveco, eine äußerst schwierige Aufgabe. Er soll den Autohersteller in vier Sparten reorganisieren und effizienter machen. Unter anderem sollen künftig die Marken Fiat/Lancia und Alfa Romeo getrennt gemanagt werden.
Auf Konzernebene sind einschneidende Sparmaßnahmen geplant. Weltweit werden 18 Fabriken geschlossen. Die meisten davon liegen in Südamerika, wo Fiat durch die Krise in Argentinien und den Abschwung in Brasilien ins Schleudern gekommen ist. Der weltweit siebtgrößte Autohersteller rangelt auf dem Subkontinent mit VW, wenn es um den vorderen Platz bei den Neuzulassungen geht. 6000 Arbeitsplätze werden durch den Sparplan abgebaut. In Italien und Deutschland soll es aber nicht zu Entlassungen kommen. Die Fabriken des Unternehmens sind Hochburgen der Gewerkschaften. Die Konzernspitze fürchtet soziale Spannungen, die das Unternehmen in den 70er-Jahren lähmten, wie der Teufel das Weihwasser.
Neben diesen Restrukturierungen wird Fiat eine Kapitalerhöhung im Gegenwert von 1 Mrd. Euro durchführen und Unternehmensbeteiligungen für voraussichtlich 2 Mrd. Euro abstoßen. Ziel ist laut Vorstandschef Cantarella, bis Ende nächsten Jahres die Verschuldung auf 3 Mrd. Euro zu senken.
Sollten diese Maßnahmen nicht fruchten, wären weiter reichende Konsequenzen die Folge. Für diesen Fall haben die Agnellis bereits vorgesorgt. Sie haben in den vergangenen Monaten den Grundstein gelegt für eine Zukunft ohne Auto. In diesem Jahr wurde gemeinsam mit dem französischen Staatsmonopolisten EdF der größte private Stromversorger des Landes, Italenergia-Montedison, gekauft. In diese Ehe mussten die Turiner praktisch kein Bargeld einbringen, sondern konnten ihren Mehrheitsanteil mit eigenen Kraftwerken sowie Grundstücken für den Bau neuer Kapazitäten bezahlen. Außerdem setzt Fiat immer stärker auf Dienstleistungen. So könnte der Versicherung Toro, die heute bereits zu den fünf größten des Landes zählt, künftig eine Schlüsselrolle bei der Bildung eines italienischen Allfinanzkonzerns unter Führung der Unternehmerfamilie Agnelli zufallen. Ihr wäre dann der Schritt von der Industrie- in die Dienstleistungsgesellschaft meisterhaft geglückt.