SZ vom 21.05.02) – Spätestens, seitdem die Umsatz-Fälschungen bei der Comroad AG aufflogen, sind Scheingeschäfte am Neuen Markt ein großes Thema. Im Falle des Filmrechte-Händlers Advanced Medien spitzten sich die Geschehnisse zuletzt zu.
Erst ließ der jetzige Vorstand zwei Bilanzen neu aufstellen, dann erstatteten Aktionärsschützer Strafanzeige gegen ehemalige Unternehmensverantwortliche.
Im Kern handelt es sich um eine Auseinandersetzung zwischen Otto Dauer, seit März 2001 Vorstand von Advanced Medien, und Herbert Jovy. Die Familie des heute 75-Jährigen hatte – laut Dauer „unter dessen Führung“– die Firma im Jahre 1998 aus einem Vorgängerunternehmen gegründet und war lange Zeit die größte Aktionärin; Jovy selbst gehörte dem Aufsichtsrat bis Dezember 2000 an.
Dauer hatte bereits im vergangenen September eine Strafanzeige wegen Insiderhandels gegen Jovy erstattet. Kern seiner Vorwürfe ist, der Beschuldigte habe seine Position als „starker Mann“ bei Advanced Medien für gesetzeswidrige Handlungen missbraucht.
Konkret habe er Scheingeschäfte initiiert, auf diese Weise auf den Aktienkurs eingewirkt und Papiere anschließend vorteilhaft verkauft.
Verlust statt Gewinn
Advanced Medien hat mit Hinweis auf Scheingeschäfte unlängst die Bilanzen für 1999, dem Jahr der Platzierung am Neuen Markt, und 2000 neu aufgestellt. Demnach entstand 1999 ein Umsatz von nur 11,3 (vorherige Angabe: 33,2) Millionen Euro und ein Fehlbetrag von 11,1 Millionen Euro anstatt des ausgewiesenen Gewinns von 1,3 Millionen Euro.
Besser sieht es nach Firmenangaben im Jahr 2000 aus: Durch Wertberichtigungen, die nun bereits im Jahre 1999 vorgenommen worden seien, schrumpfte der Fehlbetrag auf 23,0 (36,7) Millionen Euro. Der Umsatz blieb mit 14,2 (14,3) Millionen Euro nahezu unverändert.
Nach Darstellung des Anwalts von Advanced Medien, Johannes Kreile, geht es bei diesen „Scheingeschäften“ um Verkäufe von Filmrechten durch das Unternehmen an die „ebenfalls von Herbert Jovy beherrschten“ Firmen Maxxfilm und Mediapix.
Die Verträge mit einem Gesamtwert von mehr als 35 Millionen Euro seien in vier Tranchen jeweils kurz vor einem Quartalsende geschlossen worden – laut Kreile ein klarer Hinweis darauf, dass sie nur deshalb erfolgten, um in Pressemitteilungen oder Ad-hoc-Meldungen „ein Erreichen beziehungsweise ein Übertreffen der Planzahlen“ zu dokumentieren.
Im Jahr 1999 hätten diese Geschäfte immerhin rund 70 Prozent des damals ausgewiesenen Gesamtumsatzes ausgemacht.
„Gegen alle Branchenregeln“
Advanced-Chef Dauer erklärt außerdem, es habe „entgegen sämtlichen Branchenregeln“ offensichtlich keine Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern gegeben. Teilweise hätten Herbert Jovy und sein Adoptivsohn Hanns-Arndt, der damals zum Advanced-Vorstand zählte, die Vertragstexte gemeinsam diktiert.
Einer der „stärksten Hinweise“ darauf, dass Herbert Jovy die Geschäfte nicht Ernst gemeint habe, sei die Tatsache, dass von der gesamten Kaufsumme von gut 35 Millionen Euro lediglich rund 6 Millionen Euro tatsächlich bezahlt wurden.
Forderungen von rund 14 Millionen Euro gegen Maxxfilm seien der Firma kurz vor Abgang Herbert Jovys als Advanced-Aufsichtsrat in einem Vergleich erlassen worden.
Die Restsumme von weiteren rund 15 Millionen Euro will Advanced Medien laut Dauer nicht mehr einklagen. Grund: Scheingeschäfte gälten als nichtig und ließen keine Forderungen entstehen. Allerdings versuche man gerichtlich feststellen zu lassen, dass es sich um Scheingeschäfte handelte.
Im Erfolgsfall könne man sich endgültig die Rechte an einigen Filmen sichern, die zu den Paketen gehört hätten und von der Maxxfilm beansprucht würden.
Jovy weist Vorwürfe zurück
Der Insiderhandel wurde laut Kreile gegen Ende 2000 komplettiert, als die Familie Jovy fast ihre gesamten Anteile an die – ebenfalls am Neuen Markt notierte – Medienfirma ems verkauft habe.
Dabei sei nicht mitgeteilt worden, dass Advanced Medien durch den Vergleich mit Maxxfilm wesentlich weniger Umsatz hatte als erwartet. Eine ems-Sprecherin bestätigt auf SZ-Anfrage diese Angaben.
Ihr Haus habe das Paket inzwischen wieder abgestoßen; angesichts des Kurssturzes der Aktie in den Cent-Bereich sei beinahe ein Totalverlust entstanden.
Herbert Jovy weist sämtliche Vorwürfe zurück. Generell sei sein Einfluss auf die Geschäfte von Advanced Medien „gering“ gewesen – so habe zu seinem Adoptivsohn Hanns-Arndt seit Jahren ein „schlechtes Verhältnis“ bestanden, und der damalige Vorstandschef Christophe Montague „hatte für meine Wünsche oftmals nicht gerade offene Ohren“.
Sämtliche relevanten Verträge seien von seiner Seite geschlossen worden, um erfüllt zu werden. Es habe im Vorfeld teilweise monatelange Verhandlungen gegeben; der Abschluss jeweils kurz vor Quartalsende sei vom Vorstand ausgegangen, der „Umsatz machen wollte“.
Dass Maxxfilm nur einen Bruchteil der vereinbarten Kaufsumme bezahlte, begründet Herbert Jovy damit, dass Advanced Medien die Kontrakte nicht erfüllt habe und beispielsweise vereinbarte Lieferungen von Filmen ausgeblieben seien.
Die Aktienverkäufe an ems seien erfolgt, nachdem zwei Banken von ihm verlangt hätten, Kredite zurückzuzahlen. Sein Familienzweig – er schließt Hanns-Arndt und dessen Kinder hierbei aus – habe dadurch zehn Millionen Euro eingenommen.
Kritik an Aktionärsschützern
Schwere Vorwürfe richtet Herbert Jovy gegen Dauer. Dieser habe bei der Neuaufstellung der Bilanzen für 1999 und 2000 inkorrekt gehandelt, damit „die Rechnung in 2001“ aufgehe.
Ohne diese „Manipulationen“ müsste Advanced Medien seinen Worten zufolge Insolvenz anmelden, was bereits seit über einem Jahr „überfällig“ sei.
Er attackiert auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), weil sie in ihrer Strafanzeige geschrieben hatte, Herbert und Hanns-Arndt Jovy hätten „fingierte Umsätze verbucht“ (SZ vom 14. Mai). Herbert Jovy: „Weder ein dafür nicht zuständiges Vorstandsmitglied und schon gar nicht ein Aufsichtsratsmitglied kann Buchungen vornehmen.“
DSW-Vertreterin Daniela Bergdolt sagte auf SZ-Anfrage, es gehe bei der Anzeige grundsätzlich darum, „dass man sich offensichtlich besser dargestellt hat als es wirklich war“.
Die beiden Jovys seien aus Sicht ihres Verbandes dabei die „Hauptverantwortlichen“. Dauer bezeichnete seinerseits den Vorwurf der Insolvenz-Verschleppung als „abwegig“. Auf der Pressekonferenz von Advanced Medien am Mittwoch werde es auch um das Thema Scheingeschäfte gehen.
Erst ließ der jetzige Vorstand zwei Bilanzen neu aufstellen, dann erstatteten Aktionärsschützer Strafanzeige gegen ehemalige Unternehmensverantwortliche.
Im Kern handelt es sich um eine Auseinandersetzung zwischen Otto Dauer, seit März 2001 Vorstand von Advanced Medien, und Herbert Jovy. Die Familie des heute 75-Jährigen hatte – laut Dauer „unter dessen Führung“– die Firma im Jahre 1998 aus einem Vorgängerunternehmen gegründet und war lange Zeit die größte Aktionärin; Jovy selbst gehörte dem Aufsichtsrat bis Dezember 2000 an.
Dauer hatte bereits im vergangenen September eine Strafanzeige wegen Insiderhandels gegen Jovy erstattet. Kern seiner Vorwürfe ist, der Beschuldigte habe seine Position als „starker Mann“ bei Advanced Medien für gesetzeswidrige Handlungen missbraucht.
Konkret habe er Scheingeschäfte initiiert, auf diese Weise auf den Aktienkurs eingewirkt und Papiere anschließend vorteilhaft verkauft.
Verlust statt Gewinn
Advanced Medien hat mit Hinweis auf Scheingeschäfte unlängst die Bilanzen für 1999, dem Jahr der Platzierung am Neuen Markt, und 2000 neu aufgestellt. Demnach entstand 1999 ein Umsatz von nur 11,3 (vorherige Angabe: 33,2) Millionen Euro und ein Fehlbetrag von 11,1 Millionen Euro anstatt des ausgewiesenen Gewinns von 1,3 Millionen Euro.
Besser sieht es nach Firmenangaben im Jahr 2000 aus: Durch Wertberichtigungen, die nun bereits im Jahre 1999 vorgenommen worden seien, schrumpfte der Fehlbetrag auf 23,0 (36,7) Millionen Euro. Der Umsatz blieb mit 14,2 (14,3) Millionen Euro nahezu unverändert.
Nach Darstellung des Anwalts von Advanced Medien, Johannes Kreile, geht es bei diesen „Scheingeschäften“ um Verkäufe von Filmrechten durch das Unternehmen an die „ebenfalls von Herbert Jovy beherrschten“ Firmen Maxxfilm und Mediapix.
Die Verträge mit einem Gesamtwert von mehr als 35 Millionen Euro seien in vier Tranchen jeweils kurz vor einem Quartalsende geschlossen worden – laut Kreile ein klarer Hinweis darauf, dass sie nur deshalb erfolgten, um in Pressemitteilungen oder Ad-hoc-Meldungen „ein Erreichen beziehungsweise ein Übertreffen der Planzahlen“ zu dokumentieren.
Im Jahr 1999 hätten diese Geschäfte immerhin rund 70 Prozent des damals ausgewiesenen Gesamtumsatzes ausgemacht.
„Gegen alle Branchenregeln“
Advanced-Chef Dauer erklärt außerdem, es habe „entgegen sämtlichen Branchenregeln“ offensichtlich keine Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern gegeben. Teilweise hätten Herbert Jovy und sein Adoptivsohn Hanns-Arndt, der damals zum Advanced-Vorstand zählte, die Vertragstexte gemeinsam diktiert.
Einer der „stärksten Hinweise“ darauf, dass Herbert Jovy die Geschäfte nicht Ernst gemeint habe, sei die Tatsache, dass von der gesamten Kaufsumme von gut 35 Millionen Euro lediglich rund 6 Millionen Euro tatsächlich bezahlt wurden.
Forderungen von rund 14 Millionen Euro gegen Maxxfilm seien der Firma kurz vor Abgang Herbert Jovys als Advanced-Aufsichtsrat in einem Vergleich erlassen worden.
Die Restsumme von weiteren rund 15 Millionen Euro will Advanced Medien laut Dauer nicht mehr einklagen. Grund: Scheingeschäfte gälten als nichtig und ließen keine Forderungen entstehen. Allerdings versuche man gerichtlich feststellen zu lassen, dass es sich um Scheingeschäfte handelte.
Im Erfolgsfall könne man sich endgültig die Rechte an einigen Filmen sichern, die zu den Paketen gehört hätten und von der Maxxfilm beansprucht würden.
Jovy weist Vorwürfe zurück
Der Insiderhandel wurde laut Kreile gegen Ende 2000 komplettiert, als die Familie Jovy fast ihre gesamten Anteile an die – ebenfalls am Neuen Markt notierte – Medienfirma ems verkauft habe.
Dabei sei nicht mitgeteilt worden, dass Advanced Medien durch den Vergleich mit Maxxfilm wesentlich weniger Umsatz hatte als erwartet. Eine ems-Sprecherin bestätigt auf SZ-Anfrage diese Angaben.
Ihr Haus habe das Paket inzwischen wieder abgestoßen; angesichts des Kurssturzes der Aktie in den Cent-Bereich sei beinahe ein Totalverlust entstanden.
Herbert Jovy weist sämtliche Vorwürfe zurück. Generell sei sein Einfluss auf die Geschäfte von Advanced Medien „gering“ gewesen – so habe zu seinem Adoptivsohn Hanns-Arndt seit Jahren ein „schlechtes Verhältnis“ bestanden, und der damalige Vorstandschef Christophe Montague „hatte für meine Wünsche oftmals nicht gerade offene Ohren“.
Sämtliche relevanten Verträge seien von seiner Seite geschlossen worden, um erfüllt zu werden. Es habe im Vorfeld teilweise monatelange Verhandlungen gegeben; der Abschluss jeweils kurz vor Quartalsende sei vom Vorstand ausgegangen, der „Umsatz machen wollte“.
Dass Maxxfilm nur einen Bruchteil der vereinbarten Kaufsumme bezahlte, begründet Herbert Jovy damit, dass Advanced Medien die Kontrakte nicht erfüllt habe und beispielsweise vereinbarte Lieferungen von Filmen ausgeblieben seien.
Die Aktienverkäufe an ems seien erfolgt, nachdem zwei Banken von ihm verlangt hätten, Kredite zurückzuzahlen. Sein Familienzweig – er schließt Hanns-Arndt und dessen Kinder hierbei aus – habe dadurch zehn Millionen Euro eingenommen.
Kritik an Aktionärsschützern
Schwere Vorwürfe richtet Herbert Jovy gegen Dauer. Dieser habe bei der Neuaufstellung der Bilanzen für 1999 und 2000 inkorrekt gehandelt, damit „die Rechnung in 2001“ aufgehe.
Ohne diese „Manipulationen“ müsste Advanced Medien seinen Worten zufolge Insolvenz anmelden, was bereits seit über einem Jahr „überfällig“ sei.
Er attackiert auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), weil sie in ihrer Strafanzeige geschrieben hatte, Herbert und Hanns-Arndt Jovy hätten „fingierte Umsätze verbucht“ (SZ vom 14. Mai). Herbert Jovy: „Weder ein dafür nicht zuständiges Vorstandsmitglied und schon gar nicht ein Aufsichtsratsmitglied kann Buchungen vornehmen.“
DSW-Vertreterin Daniela Bergdolt sagte auf SZ-Anfrage, es gehe bei der Anzeige grundsätzlich darum, „dass man sich offensichtlich besser dargestellt hat als es wirklich war“.
Die beiden Jovys seien aus Sicht ihres Verbandes dabei die „Hauptverantwortlichen“. Dauer bezeichnete seinerseits den Vorwurf der Insolvenz-Verschleppung als „abwegig“. Auf der Pressekonferenz von Advanced Medien am Mittwoch werde es auch um das Thema Scheingeschäfte gehen.