RUSSISCHE WIRTSCHAFT: Rückkehr zur Normalität?

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RUSSISCHE WIRTSCHAFT: Rückkehr zur Normalität?

 
08.02.02 20:43
Erholt sich das Land allmählich von den schweren Krisen nach dem Übergang zum Markt?

RUSSISCHE WIRTSCHAFT: Rückkehr zur Normalität? 570673
Moskau zahlte dem Internationalen Währungsfonds (IWF) demonstrativ eine Milliarde Dollar im voraus. (dpa )
 
(SZ vom 09.02.02) – Die Wirtschaftsnachrichten aus Russland zeigen seit einem Jahr positive Trends. Immer wieder fallen die Stichworte „Reformen“ und „Wachstum“. Das Wort „Krise“ scheint aus den Schlagzeilen getilgt. Eine Wirtschaftsprognose für Russland 2002 lautete gar „langweilig“. Ist wirklich so etwas wie eine Stabilisierung in Sicht? Erholt sich das Land allmählich von den schweren Krisen nach dem Übergang zum Markt?

Zunächst die guten Nachrichten: Drohte noch Anfang 2001 ein Eklat, als Russland beim Pariser Club in Verzug geriet, steht das Land heute als Musterschuldner da: Nicht nur bediente die Regierung im Jahr 2001 erstmals alle Auslandsschulden (13,75 Milliarden Dollar) pünktlich aus eigener Tasche – ohne neue Kredite aufnehmen zu müssen. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde sogar demonstrativ eine Milliarde Dollar im voraus bezahlt. Und für das laufende Jahr 2002 stehen erneut 13,77 Milliarden Dollar an Bedienung und Tilgung von Auslandsschulden an.

Staatsetat mit Überschuss

Die Zahlung dieser Summe und erst recht die Abtragung des mit 18,36 Milliarden Dollar für das Jahr 2003 anstehenden „Schuldengipfels“ wird auch davon abhängen, ob die russische Wirtschaft weiter wächst. Trotz internationaler Konjunkturschwäche hat Russland 2001 ein Wirtschaftswachstum von 5,5 Prozent erzielt (nach 8,3 Prozent im Jahr 2000), und erwartet trotz deutlicher Verlangsamung auch für dieses Jahr noch 3,5 Prozent.

Beim Wachstum soll der Regierung zufolge erstmals auch die Binnennachfrage – Konsum und Investitionen – eine merkliche Rolle gespielt haben. Der russische Außenhandelsüberschuss von 47 Milliarden Dollar ist aber auch diesmal – wie stets – den hohen Öl- und Gasausfuhren zu verdanken.

Staatshaushalt glänzt

Auch der Staatshaushalt glänzt, im Gegensatz zu früheren Jahren, als Defizite mit Krediten notdürftig ausgeglichen werden mussten, durch ein so genanntes „Profizit“: ein Überschuss von etwa sieben Milliarden Dollar war es im vorigen Jahr.

Trotz sinkender Erdölpreise trat auch für 2002 ein optimistischer Etat in Kraft, der rund 5,3 Milliarden Dollar mehr Einnahmen als Ausgaben vorsieht bei einem Gesamtvolumen von 70 Milliarden Dollar. Zu der offiziellen Zuversicht trägt auch das Gold- und Devisenpolster der Moskauer Zentralbank in Höhe von 36,2 Milliarden Dollar bei.

Viele Pläne

Überschüssiges Geld wird die Regierung aber auch brauchen – nicht nur für die Bedienung der Schulden, sondern auch zur Umsetzung der angestrebten Reformen. Es geht dabei um die schwierige Umstrukturierung der staatlichen Monopolkonzerne und ihrer Tarife (etwa bei Gazprom, Vereinigte Elektrizitätsversorger, Eisenbahnen), um Kürzungen und Neuausrüstung der Armee, um die dringend nötige Entbürokratisierung und den Beginn mehrschichtiger Reformen im Justiz-, Renten-, Boden- und Bankenbereich.

Russland will unter Präsident Wladimir Putin seine Wirtschaft modernisieren. Die Gesetzeslage für das wirtschaftliche Handeln soll entschieden umgestaltet werden, um Investoren zu überzeugen und anzulocken und Russland in die Weltwirtschaft zu integrieren. Ein kolossales Vorhaben. Bleibt die Frage: Kann das alles vom Papier auch umgesetzt werden in die Realität der Beamtenstuben, Gerichte und Mentalitäten?

Mehr Steuern

Präsidententreue Mehrheiten im Parlament haben schon einige wichtige Gesetze im Steuer-, Zoll- und Bodenbereich verabschiedet. So wurde Anfang 2001 die Einkommensteuer von 30 auf 13 Prozent gesenkt. Nun wurde die Körperschaftssteuer von 35 auf 24 Prozent reduziert. Der russische Staat treibt mehr Steuern ein als zuvor.

Und doch gibt es Indikatoren, die zu denken geben. Das konstanteste russische Wirtschaftsdatum ist und bleibt nämlich seit zehn Jahren der Kapitalexport ins Ausland: Monatlich fliehen ein bis zwei Milliarden Dollar das Land. Damit lag die Kapitalflucht auch im abgelaufenen Jahr 2001 über den rund 10 Milliarden Dollar Auslandsinvestitionen.

Und diese gefährliche Kapitalflucht hat nicht allein mit dunklen Machenschaften zu tun: Es fehlt in Russland schlicht ein Finanz- und Bankensystem, in dem Geld sicher aufbewahrt, angelegt und vermehrt werden könnte.

Preisruck setzt ein

Auch die Inflation wirft Fragen auf. Sie lag zwar im Jahr 2001 mit 18,6 Prozent unter den 20,2 Prozent des Vorjahres. Für dieses Jahr glaubt die Regierung gar, die Teuereung zwischen zwölf und 14 Prozent halten zu können, worauf auch die Konstruktion des Staatsetats beruht.

Doch hat durch die anstehende Erhöhung verschiedener Tarife (für Gas, Elektrizität und Transporte) bereits ein Preisruck eingesetzt: Die Regierung musste für Januar eine Inflation von 3,1 Prozent melden. Wirtschaftsinstitute rechnen vor, dass bei anhaltendem Trend die Jahresteuerung 33 Prozent erreichen könnte.

Chancen verschenkt

Dies wiederum würde die minimalen Renten- und Lohnerhöhungen zunichte machen sowie Abstriche an der Popularität Putins bei der Bevölkerung bedeuten. Der Präsident hatte versprochen, die Lebensbedingungen der Bürger zu verbessern, musste aber einräumen, dass die bisherige positive Wirtschaftsentwicklung nicht für jeden Russen und seine Familie spürbar geworden sei. Vielmehr sprechen ein Bevölkerungsrückgang um 781200 Menschen im Jahr 2001, die wachsende Zahl von Straßenkindern, Drogenabhängigen, Tuberkulose- und Aids-Kranken dafür, dass die soziale Lage sich sogar noch verschärft.

Größter Sorgenfaktor ist und bleibt aber die Abhängigkeit Russlands vom Erdölpreis am Weltmarkt. Denn es waren die hohen Ölpreise, die nach Meinung vieler Experten hinter Russland Wirtschaftswachstum standen und Präsident Putin in seinen ersten beiden Amtsjahren das Glück finanzieller Überschüsse bescherten. Der diesjährige Staatshaushalt geht von einem Ölpreis von 18 Dollar pro Barrel (159 Liter) aus. Und die Regierung beteuert, dass ihre Reserven auch zum Ausgleich ungünstigerer – niedrigerer – Preise ausreichen.

Noch ein langer Weg

Im Extremfall müsste Russland erneut beim IWF um Kredite nachsuchen – um seine Schulden zu bezahlen. Damit würde deutlich, was manche Ökonomen schon heute kritisieren: dass in den beiden relativ fetten Jahren die Probleme nicht angegriffen und Strukturreformen nicht durchgesetzt wurden.

Auf der Mängelliste stehen dabei vor allem der unzureichende Schutz von Eigentumsrechten, das unkontrollierte Verhalten der staatlichen Monopolkonzerne, die Verwahrlosung wirtschaftlich kranker Regionen, die Korruption des Verwaltungsapparats und die Vernachlässigung mittlerer und kleiner Unternehmen.

Die Reformen, gerade erst in ihrem Anfangsstadium, haben noch einen langen und hindernisreichen Weg vor sich, da viele neue Gesetze den Interessen von Wirtschafts- und Verwaltungsgruppen widerstreben. Bleibt diese Erneuerung aber stecken, kann auch das Wirtschaftswachstum nicht weitergehen.  
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Vertrauen in russische Wirtschaft wächst

 
16.02.02 22:14
Die politische Stabilisierung in Russland hat sich bereits auf die Wirtschaft ausgewirkt

Berlin nik - Russland gewinnt immer mehr Vertrauen bei ausländischen Investoren. Dem Stabilitätsindex der Investmentbank Lehman Brothers und der Beratungsfirma Eurasia Group zufolge hat sich das Land in den vergangenen zwölf Monaten von 52 auf 58 von 100 möglichen Punkten verbessert. Der Index ermittelt die Krisenanfälligkeit von Schwellenländern und gilt als geeigneter Indikator für ausländische Investoren. Er berücksichtigt zu 60 Prozent politische, zu 40 Prozent wirtschaftliche Faktoren.

Die politische Stabilisierung in Russland hat sich bereits auf die Wirtschaft ausgewirkt: Mit fünf Prozent verzeichnet Russland das stärkste Wachstum in Europa; der Handelsüberschuss stieg im vergangenen Jahr um 49,7 Prozent.

Anders die Situation in Südamerika: Den größten Rückgang im Vertrauen der Investoren musste Argentinien hinnehmen, das seit Monaten kurz vor der Zahlungsunfähigkeit steht. Während es im Februar 2001 noch 67 Punkte bekam, fiel es in diesem Monat auf 47 Punkte zurück. Schlusslicht ist Venezuela: Die Analysten gaben dem Land nur 46 Punkte und damit elf weniger als im Vorjahr. An Stabilität verlor der Studie zufolge auch Nachbar Brasilien. Trotz zehnprozentiger Inflation hält sich das Land aber noch über der 60-Punkte-Marke.

An wirtschaftlicher und politischer Stabilität gewonnen haben neben Russland vor allem Thailand (60 Punkte) und Indonesien (48 Punkte), das im Vorjahr noch abgeschlagen auf dem letzten Platz lag. Weitgehend unverändert blieben die Ukraine, die Türkei und Kolumbien. Sie rangieren mit knapp über 50 Punkten im Mittelfeld.


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