Die Bundestagswahl hat politische Axiome entwertet. Bislang gab es in Deutschland strukturell eine konservative Mehrheit, die nur in seltenen Ausnahmefällen durchbrochen wurde. Die Ausnahme Rot-Grün dürfte nun zumindest acht Jahre andauern.
Hält die Koalition die Belastungsprobe aus, die ihr in den kommenden Monaten bevorsteht, könnte sie sogar über einen längeren Zeitraum an der Macht bleiben. Dafür muss sie sich von Anfang an auf eine Aufgabe konzentrieren - mehr Wachstum zu schaffen.
Anders als in der vergangenen Legislaturperiode steht Sozialdemokraten und Grünen in den kommenden Jahren voraussichtlich kein außenpolitischer Härtetest bevor. Sicher, das Verhältnis zu den USA muss repariert werden. Hier werden aber beide Seiten zusammenarbeiten müssen. Das äußerst kritische Thema der Auslandseinsätze dagegen wird sich nach allem, was bisher absehbar ist, nicht mehr in der Schärfe stellen wie im Herbst 2001.
Ob Rot-Grün die zweite Chance verspielt oder sich dauerhaft etabliert, hängt davon ab, ob die Koalition die wirtschaftlichen Probleme lösen kann. Nach den Worten des SPD-Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering sehen SPD und Grüne es als ihre Hauptaufgabe an, die Voraussetzungen für ein höheres Wirtschaftswachstum in Deutschland zu schaffen. Wie sie das erreichen wollen, ist jedoch noch nicht absehbar: Im Wahlkampf hat keine der Parteien Leitlinien dafür genannt.
Nötige Reparaturen
Die vergangenen vier Jahre waren von dem Versuch geprägt, die unkontrolliert wachsende Staatsverschuldung wieder in den Griff zu bekommen, das Steuersystem wachstumsfreundlicher zu machen und Reparaturen zumindest an einem Teil des Sozialsystems, der Rente, vorzunehmen. Nun steht die Aufgabe an, durch eine Gesundheitsreform die Belastungen der Krankenversicherungen wieder einzugrenzen. Hinzu kommen die Hartz-Reformen für den Arbeitsmarkt.
Das sind sicher nötige Reparaturen, die zu bewältigen schon einen politischen Kraftakt erfordert. Doch eine überzeugende Wachstumspolitik ist damit noch nicht beschrieben. Die Schwierigkeiten fangen damit an, dass die Debatte in Deutschland stark eingegrenzt geführt wird. Als Schlüssel für mehr Wachstum gelten weithin die Deregulierung des Arbeitsmarkts und die Senkung der Arbeitskosten. Im internationalen Rahmen wird aber inzwischen anders diskutiert: Für eine hoch entwickelte Volkswirtschaft gilt eine Strategie niedriger Kosten nicht als wichtigste Voraussetzung für dauerhaft hohe Wachstumsraten.
Viele gehen wie Michael Porter von der Harvard Business School davon aus, dass "die Wettbewerbsfähigkeit sich verbessert, wenn der öffentliche und der private Sektor gemeinsam eine Umgebung schaffen, die Innovation fördert." Innovation muss die beschleunigte Produktivitätssteigerung antreiben, die angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung für ausreichende Wachstumsraten nötig ist.
Der Staat kann dazu beitragen, indem er auf die Bereiche Technologie, Bildung und Wissenschaft Einfluss nimmt. Allerdings ist das eine Aufgabe von ganz anderem Kaliber als die gute alte Forschungsförderung. Im Grunde müsste sich der Wirtschaftsminister darum kümmern. Der jedoch hat sich in den vergangenen Jahren viel zu sehr im Energiesektor verkämpft. Überhaupt sollten alle Politiken, die die Innovation in Deutschland verbessern, im Wirtschaftsministerium gebündelt werden.
Das Ministerium muss nicht die formale Zuständigkeit für alle Bereiche haben. Aber es muss aus den einzelnen, zum Teil schon angeschobenen Veränderungen, die von mehr Zuwanderung bis zur Bildungsreform reichen, eine Innovations- und Wachstumspolitik aus einem Guss machen.
Umweltpolitik als Motor
Wachstumsfördernd ist schließlich auch eine richtige Umweltpolitik. Obwohl international kaum noch umstritten ist, dass die Länder die Nase vorne haben werden, deren Unternehmen und Haushalte früher als andere ressourcenschonend wirtschaften, ist in der Bundesrepublik kaum etwas so umstritten wie die Ökosteuer. Deutschland besitzt eine hoch entwickelte Umwelttechnologie; ökologischer Umbau jedoch gilt teilweise immer noch als nicht ernst zu nehmendes Randthema. Zu Unrecht: "Nachhaltiges Wachstum erfordert auch eine Umweltschutzpolitik, die sich verstärkt ökonomischer Instrumente bedient. Dies impliziert die Fortführung der ökologischen Steuerreform", schreibt das DIW in seinem jüngsten Wochenbericht.
Soll das Wachstum gesteigert werden, darf zudem die Geld- und Finanzpolitik nicht restriktiv wirken. Erste richtige Ansätze zeichnen sich mit der neuen Handhabung des Stabilitätspaktes ab, wie sie der EU-Kommission vorschwebt. Darüber hinaus muss die wirtschaftspolitische Koordinierung verbessert werden. Bislang ist es dazu nicht gekommen, weil die Aufgabe nationaler Kompetenzen in diesem Bereich Berlin als zu hoher Preis galt.
Rot-Grün hat einen guten Vorsatz gefasst: "2003 darf nicht wie 1999 werden." Gemeint ist damit, dass sich das Durcheinander und die handwerklichen Fehler des ersten Regierungsjahres nicht wiederholen sollen. Die Koalition sollte ihren Vorsatz erweitern und - statt auf vielen Baustellen zu ackern - alle politische Energie auf eine Politik für mehr Wachstum konzentrieren.
ftd.de
Hält die Koalition die Belastungsprobe aus, die ihr in den kommenden Monaten bevorsteht, könnte sie sogar über einen längeren Zeitraum an der Macht bleiben. Dafür muss sie sich von Anfang an auf eine Aufgabe konzentrieren - mehr Wachstum zu schaffen.
Anders als in der vergangenen Legislaturperiode steht Sozialdemokraten und Grünen in den kommenden Jahren voraussichtlich kein außenpolitischer Härtetest bevor. Sicher, das Verhältnis zu den USA muss repariert werden. Hier werden aber beide Seiten zusammenarbeiten müssen. Das äußerst kritische Thema der Auslandseinsätze dagegen wird sich nach allem, was bisher absehbar ist, nicht mehr in der Schärfe stellen wie im Herbst 2001.
Ob Rot-Grün die zweite Chance verspielt oder sich dauerhaft etabliert, hängt davon ab, ob die Koalition die wirtschaftlichen Probleme lösen kann. Nach den Worten des SPD-Fraktionsvorsitzenden Franz Müntefering sehen SPD und Grüne es als ihre Hauptaufgabe an, die Voraussetzungen für ein höheres Wirtschaftswachstum in Deutschland zu schaffen. Wie sie das erreichen wollen, ist jedoch noch nicht absehbar: Im Wahlkampf hat keine der Parteien Leitlinien dafür genannt.
Nötige Reparaturen
Die vergangenen vier Jahre waren von dem Versuch geprägt, die unkontrolliert wachsende Staatsverschuldung wieder in den Griff zu bekommen, das Steuersystem wachstumsfreundlicher zu machen und Reparaturen zumindest an einem Teil des Sozialsystems, der Rente, vorzunehmen. Nun steht die Aufgabe an, durch eine Gesundheitsreform die Belastungen der Krankenversicherungen wieder einzugrenzen. Hinzu kommen die Hartz-Reformen für den Arbeitsmarkt.
Das sind sicher nötige Reparaturen, die zu bewältigen schon einen politischen Kraftakt erfordert. Doch eine überzeugende Wachstumspolitik ist damit noch nicht beschrieben. Die Schwierigkeiten fangen damit an, dass die Debatte in Deutschland stark eingegrenzt geführt wird. Als Schlüssel für mehr Wachstum gelten weithin die Deregulierung des Arbeitsmarkts und die Senkung der Arbeitskosten. Im internationalen Rahmen wird aber inzwischen anders diskutiert: Für eine hoch entwickelte Volkswirtschaft gilt eine Strategie niedriger Kosten nicht als wichtigste Voraussetzung für dauerhaft hohe Wachstumsraten.
Viele gehen wie Michael Porter von der Harvard Business School davon aus, dass "die Wettbewerbsfähigkeit sich verbessert, wenn der öffentliche und der private Sektor gemeinsam eine Umgebung schaffen, die Innovation fördert." Innovation muss die beschleunigte Produktivitätssteigerung antreiben, die angesichts einer schrumpfenden Bevölkerung für ausreichende Wachstumsraten nötig ist.
Der Staat kann dazu beitragen, indem er auf die Bereiche Technologie, Bildung und Wissenschaft Einfluss nimmt. Allerdings ist das eine Aufgabe von ganz anderem Kaliber als die gute alte Forschungsförderung. Im Grunde müsste sich der Wirtschaftsminister darum kümmern. Der jedoch hat sich in den vergangenen Jahren viel zu sehr im Energiesektor verkämpft. Überhaupt sollten alle Politiken, die die Innovation in Deutschland verbessern, im Wirtschaftsministerium gebündelt werden.
Das Ministerium muss nicht die formale Zuständigkeit für alle Bereiche haben. Aber es muss aus den einzelnen, zum Teil schon angeschobenen Veränderungen, die von mehr Zuwanderung bis zur Bildungsreform reichen, eine Innovations- und Wachstumspolitik aus einem Guss machen.
Umweltpolitik als Motor
Wachstumsfördernd ist schließlich auch eine richtige Umweltpolitik. Obwohl international kaum noch umstritten ist, dass die Länder die Nase vorne haben werden, deren Unternehmen und Haushalte früher als andere ressourcenschonend wirtschaften, ist in der Bundesrepublik kaum etwas so umstritten wie die Ökosteuer. Deutschland besitzt eine hoch entwickelte Umwelttechnologie; ökologischer Umbau jedoch gilt teilweise immer noch als nicht ernst zu nehmendes Randthema. Zu Unrecht: "Nachhaltiges Wachstum erfordert auch eine Umweltschutzpolitik, die sich verstärkt ökonomischer Instrumente bedient. Dies impliziert die Fortführung der ökologischen Steuerreform", schreibt das DIW in seinem jüngsten Wochenbericht.
Soll das Wachstum gesteigert werden, darf zudem die Geld- und Finanzpolitik nicht restriktiv wirken. Erste richtige Ansätze zeichnen sich mit der neuen Handhabung des Stabilitätspaktes ab, wie sie der EU-Kommission vorschwebt. Darüber hinaus muss die wirtschaftspolitische Koordinierung verbessert werden. Bislang ist es dazu nicht gekommen, weil die Aufgabe nationaler Kompetenzen in diesem Bereich Berlin als zu hoher Preis galt.
Rot-Grün hat einen guten Vorsatz gefasst: "2003 darf nicht wie 1999 werden." Gemeint ist damit, dass sich das Durcheinander und die handwerklichen Fehler des ersten Regierungsjahres nicht wiederholen sollen. Die Koalition sollte ihren Vorsatz erweitern und - statt auf vielen Baustellen zu ackern - alle politische Energie auf eine Politik für mehr Wachstum konzentrieren.
ftd.de