Kaufen Sie die Pleitekandidaten!
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Von Bernd Niquet
Ich kann mich noch gut an den "Summer of Love" 1999 erinnern, als die Liebe der Kleinaktionäre zu ihren Raketenaktien noch vollkommen intakt war - lange bevor diese später dann die tragische Chartfigur des Matterhorns annahmen: Vorne steil in die Höhe - und hinten langsam abgleitend, bis die Meereshöhe wieder erreicht ist.
Die Liebe der Anleger zu ihren Papieren
In diesem "Summer of Love" habe ich über eine Aktie, mit der die Anleger in einer noch übleren als der normalen Weise betrogen wurden, geschrieben: Jeder Kurs dieser Aktie über 1 Euro ist als völlig überzogen zu betrachten. Und hat mittlerweile der Kurs dieses Papiers sein realistisches Niveau anscheinend bald erreicht, so setzte in der vergangenen Woche eine deutsche Privatbank darauf noch eins rauf - und gab für einen der ehemaligen Stars des Neuen Marktes tatsächlich ein Kursziel von 0 Euro an: Hut ab, meine Herren, Sie verstehen es trefflich, mit der Meute zu heulen!
Doch was sind alle diese Finanzmalaisen gegenüber derjenigen der Stadt, in der ich lebe: Berlin. Hier waren bereits vor der Krise um die Bankgesellschaft öffentliche Güter, auf die es einen Rechtsanspruch gibt, kontingentiert, und wer schon einmal auf einer Meldestelle geschlagene zwei Stunden gewartet hat, fragt sich natürlich trefflich, wo der Überhang der öffentlich Beschäftigten eigentlich zu finden ist. Wahrscheinlich beim Gartenbauamt, die Pflanzen küssen.
So pleite, wie man nur will
In der letzten Woche hat das ARD-Magazin "Monitor" herausgefunden, dass die Verbindlichkeiten des Landes Berlin keineswegs nur 70 Milliarden DM betragen, sondern sich durch diverse Schattenhaushalte um 50 auf 120 Milliarden DM erhöhen - und folglich jede zweite Steuermark bereits für den Zinsdienst benötigt wird. Die Französische Republik ist im Übrigen 1789 mit einer Zinsquote von etwa zwei Drittel in die Revolution geschliddert. Berlin bleibt also noch ein bisschen Zeit.
Das bringt mich nun auch auf die Anlagestrategie der nächsten Jahre. Ich glaube unverdrossen, dass die Inflation nur ein Gespenst ist und wir uns in Wirklichkeit weiterhin in einer deflationären Phase befinden, weshalb auch die Zinsen am langen Ende in Zukunft wieder deutlich sinken können. Langlaufende Bonds haben daher aus meiner Sicht gute Chancen, die Performance der Aktienmärkte zu schlagen. Es kommt nur darauf an, die richtigen auszuwählen.
Der große Unterschied
Und hier möchte ich auf eine Besonderheit hinweisen: Während Industriekonzerne schlecht laufende Tochtergesellschaften - unter Abwägung aller Risiken der Konzernhaftung - durchaus einmal Pleite gehen lassen können, kann ein Bundesstaat dies mit seinen Bundesländern jedoch nicht machen. Soll heißen: Ein Investor, der eine Anleihe des Landes Berlin kauft, ist dabei genauso stark gesichert, wie jemand, der eine Bundesanleihe kauft.
Denn weder Länder noch Kommunen können in Konkurs gehen; hier gibt es stets den Durchgriff auf den Bund. Alle bundesdeutschen Länderanleihen sind daher in jedem Fall ebenso ein Triple-A-Risiko, wie der Bund dies selbst ist. Sollten also die Anleihen des Landes Berlin - wie dies beispielsweise in der Krise um die Bankgesellschaft Berlin geschehen ist - in der nächsten Krise, beispielsweise bei einem Regierenden Bürgermeister Gregor Gysi, unter die Parität vergleichbarer Bundes- oder anderer Länderanleihen rutschen, so sind sie unbedingt ein Kauf! Gysi, der es schon aus rein logischen Gründen gar nicht schlechter machen kann als Diepgen und Landowski, könnte Berlin daher - ganz im Gegensatz zur veröffentlichten Meinung - durchaus neue Investoren bringen.
Im Bondbereich gilt mithin die genau umgekehrte Kausalität zu den Aktien: Denn während man bei den Aktien dringend die Hände von den vermeintlich Pleitekandidaten lassen sollte (!), sind diese im Bondbereich stets ein dicker Kauf! Ich würde diese Aussage sogar aus der nationalen Sicht auch auf manche Länder in unserer unmittelbaren Peripherie übertragen.
Exoten? Bedingt ja!
Ich habe beispielsweise an anderer Stelle während der türkischen Bankenkrise geraten, einen langlaufenden (30 Jahre) Dollarbond der Türkei zu kaufen, denn ich halte es für kaum wahrscheinlich, dass die westliche Allianz diesen wichtigen strategischen Partner in den Staatsbankrott gleiten lässt. Mein Papier hat einen Coupon von 11,875 Prozent und war damals für 80 zu kaufen, was alleine einer Verzinsung von knapp 15 Prozent p.a. entspricht. Der Kurs steht heute bei 87, so dass sich - inklusive Dollargewinn - eine Gesamtrendite dieses Investments von etwa 25 Prozent ergibt.
Und wann haben wir eine derartige Performance zum letzten Mal am Aktienmarkt gesehen? Lang, lang ist es her. Man sollte also neben den Aktien die Bonds nicht völlig vernachlässigen. Wobei natürlich auch hier die Regel gilt: Den Hauptteil in seriöse Papiere bester Bonität (also Anleihen des Landes Berlin) - und nur 5 bis 10 Prozent in die Exoten wie beispielsweise die Türkei und die Russische Republik.
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Von Bernd Niquet
Ich kann mich noch gut an den "Summer of Love" 1999 erinnern, als die Liebe der Kleinaktionäre zu ihren Raketenaktien noch vollkommen intakt war - lange bevor diese später dann die tragische Chartfigur des Matterhorns annahmen: Vorne steil in die Höhe - und hinten langsam abgleitend, bis die Meereshöhe wieder erreicht ist.
Die Liebe der Anleger zu ihren Papieren
In diesem "Summer of Love" habe ich über eine Aktie, mit der die Anleger in einer noch übleren als der normalen Weise betrogen wurden, geschrieben: Jeder Kurs dieser Aktie über 1 Euro ist als völlig überzogen zu betrachten. Und hat mittlerweile der Kurs dieses Papiers sein realistisches Niveau anscheinend bald erreicht, so setzte in der vergangenen Woche eine deutsche Privatbank darauf noch eins rauf - und gab für einen der ehemaligen Stars des Neuen Marktes tatsächlich ein Kursziel von 0 Euro an: Hut ab, meine Herren, Sie verstehen es trefflich, mit der Meute zu heulen!
Doch was sind alle diese Finanzmalaisen gegenüber derjenigen der Stadt, in der ich lebe: Berlin. Hier waren bereits vor der Krise um die Bankgesellschaft öffentliche Güter, auf die es einen Rechtsanspruch gibt, kontingentiert, und wer schon einmal auf einer Meldestelle geschlagene zwei Stunden gewartet hat, fragt sich natürlich trefflich, wo der Überhang der öffentlich Beschäftigten eigentlich zu finden ist. Wahrscheinlich beim Gartenbauamt, die Pflanzen küssen.
So pleite, wie man nur will
In der letzten Woche hat das ARD-Magazin "Monitor" herausgefunden, dass die Verbindlichkeiten des Landes Berlin keineswegs nur 70 Milliarden DM betragen, sondern sich durch diverse Schattenhaushalte um 50 auf 120 Milliarden DM erhöhen - und folglich jede zweite Steuermark bereits für den Zinsdienst benötigt wird. Die Französische Republik ist im Übrigen 1789 mit einer Zinsquote von etwa zwei Drittel in die Revolution geschliddert. Berlin bleibt also noch ein bisschen Zeit.
Das bringt mich nun auch auf die Anlagestrategie der nächsten Jahre. Ich glaube unverdrossen, dass die Inflation nur ein Gespenst ist und wir uns in Wirklichkeit weiterhin in einer deflationären Phase befinden, weshalb auch die Zinsen am langen Ende in Zukunft wieder deutlich sinken können. Langlaufende Bonds haben daher aus meiner Sicht gute Chancen, die Performance der Aktienmärkte zu schlagen. Es kommt nur darauf an, die richtigen auszuwählen.
Der große Unterschied
Und hier möchte ich auf eine Besonderheit hinweisen: Während Industriekonzerne schlecht laufende Tochtergesellschaften - unter Abwägung aller Risiken der Konzernhaftung - durchaus einmal Pleite gehen lassen können, kann ein Bundesstaat dies mit seinen Bundesländern jedoch nicht machen. Soll heißen: Ein Investor, der eine Anleihe des Landes Berlin kauft, ist dabei genauso stark gesichert, wie jemand, der eine Bundesanleihe kauft.
Denn weder Länder noch Kommunen können in Konkurs gehen; hier gibt es stets den Durchgriff auf den Bund. Alle bundesdeutschen Länderanleihen sind daher in jedem Fall ebenso ein Triple-A-Risiko, wie der Bund dies selbst ist. Sollten also die Anleihen des Landes Berlin - wie dies beispielsweise in der Krise um die Bankgesellschaft Berlin geschehen ist - in der nächsten Krise, beispielsweise bei einem Regierenden Bürgermeister Gregor Gysi, unter die Parität vergleichbarer Bundes- oder anderer Länderanleihen rutschen, so sind sie unbedingt ein Kauf! Gysi, der es schon aus rein logischen Gründen gar nicht schlechter machen kann als Diepgen und Landowski, könnte Berlin daher - ganz im Gegensatz zur veröffentlichten Meinung - durchaus neue Investoren bringen.
Im Bondbereich gilt mithin die genau umgekehrte Kausalität zu den Aktien: Denn während man bei den Aktien dringend die Hände von den vermeintlich Pleitekandidaten lassen sollte (!), sind diese im Bondbereich stets ein dicker Kauf! Ich würde diese Aussage sogar aus der nationalen Sicht auch auf manche Länder in unserer unmittelbaren Peripherie übertragen.
Exoten? Bedingt ja!
Ich habe beispielsweise an anderer Stelle während der türkischen Bankenkrise geraten, einen langlaufenden (30 Jahre) Dollarbond der Türkei zu kaufen, denn ich halte es für kaum wahrscheinlich, dass die westliche Allianz diesen wichtigen strategischen Partner in den Staatsbankrott gleiten lässt. Mein Papier hat einen Coupon von 11,875 Prozent und war damals für 80 zu kaufen, was alleine einer Verzinsung von knapp 15 Prozent p.a. entspricht. Der Kurs steht heute bei 87, so dass sich - inklusive Dollargewinn - eine Gesamtrendite dieses Investments von etwa 25 Prozent ergibt.
Und wann haben wir eine derartige Performance zum letzten Mal am Aktienmarkt gesehen? Lang, lang ist es her. Man sollte also neben den Aktien die Bonds nicht völlig vernachlässigen. Wobei natürlich auch hier die Regel gilt: Den Hauptteil in seriöse Papiere bester Bonität (also Anleihen des Landes Berlin) - und nur 5 bis 10 Prozent in die Exoten wie beispielsweise die Türkei und die Russische Republik.