Blauer Dunst, schwarze Zahlen ,
von Udo Schade
Philip Morris ist ein internationaler Tabak- und Nahrungsmittelkonzern. Im Tabakbereich ist das Unternehmen weltweit die Nummer eins. Allein die Zigarettenmarke Marlboro hat mit $ 22 Mrd. einen höheren Markenwert als alle Marken des Konkurrenten R.J. Reynolds zusammen. Im Lebensmittelbereich nimmt Philip Morris ebenfalls einen Spitzenplatz ein. 150 Jahre lang firmierte der Konzern unter dem Namen seines Gründers Philip Morris. Nun leistet sich das Unternehmen zum Imagewechsel einen neuen Namen: Altria Group. Geht es damit erfolgreich in die nächsten 150 Jahre?
Philip Morris begann bereits 1854 mit der Produktion von Zigaretten. Damals befand sich der Unternehmenssitz in London. Der Gang an die Londoner Börse folgte 1881. Ungefähr 40 Jahre später übernahm ein amerikanisches Unternehmen die Philip Morris Company. Seit 1938 notiert die Aktie in den USA mit dem Tickersymbol "MO" auf der New Yorker Börse.
Die großen Akquisitionen der Philip Morris Inc. verliefen meist erfolgreich. Im Jahr 1969 kaufte das Unternehmen die Miller Brewing Company und führte die Brauerei auf den zweiten Platz im US-amerikanischen Biermarkt. Die Akquisitionen von General Foods (Preis: $ 5,6 Mrd.), Kraft ($ 13,6 Mrd.) und Jacobs Suchard ($ 4,1 Mrd.) folgten 1985, 1988 und 1990. Philip Morris verfügt über 15 "Mega-Marken", welche jährlich je mehr als eine Milliarde Dollar Umsatz bringen.
Welche Produkte vertreibt Philip Morris?
Die bedeutendesten Sparten des Unternehmens sind die Tabakwaren und die Nahrungsmittel. Die Anteile der Miller Brauerei und der Finanzdienstleistungen am Gesamtumsatz ist dagegen gering.
Die Zigaretten-Sparte Tobacco ist mit knapp 60% Umsatzanteil die Wichtigste ($ 39,2 Mrd. in den ersten neun Monaten des Jahres). Philip Morris hält seit vier Jahren in den USA einen Tabakmarktanteil von über 50%. Die Marke Marlboro macht allein über ein Drittel des Marktes aus. In Westeuropa liegt der Marktanteil des Unternehmens bei knapp 40%. Die wichtigsten Marken sind Marlboro, Basic, Virginia Slims, Parliament, L&M und Philip Morris. Konkurrierende Unternehmen sind British American Tobacco (Umsatz 2000: $ 15,6 Mrd.) und R.J. Reynolds ($ 8,17 Mrd.).
Der Bereich Nahrungsmittel entstand durch den Zusammenschluss von General Foods und Kraft. Der Anteil am Gesamtumsatz liegt bei 37% ($ 25,1 Mrd.). Das Sortiment besteht aus Getränken, Snacks und Fertiggerichten. Die "Mega-Marken" sind Kraft, Jacobs, Philadelphia und seit Beginn des Jahres Nabisco. Philip Morris ist im Nahrungsmittelbereich nach Nestlé (Umsatz 2000: $ 49,6 Mrd.) der zweitgrößte Global Player.
Das Flaggschiff in der Biersparte ist die Marke Miller Lite. In den USA rangiert nur Konkurrent Anheuser-Busch (Umsatz 2000: $ 12,3 Mrd.) vor Miller. Der Anteil am Unternehmensumsatz ist mit 5% ($ 3,3 Mrd.) eher gering. Die vierte Sparte Finanzdienstleistungen trägt mit einem Erlös von $ 321 Mio. einen noch geringeren Anteil zum Gesamtumsatz bei.
Wie bewertet die Börse Philip Morris?
Die Philip Morris-Aktie kostet derzeit um die $ 47. Die Marktkapitalisierung beträgt $ 101 Mrd.. Das 52-Wochen-Hoch liegt bei $ 53,88, das entsprechende Tief bei $ 37.
Die große Belastung: Schadenersatzklagen
Gegen die amerikanischen Tabakunternehmen laufen seit einiger Zeit diverse Schadensersatzklagen. Die Kläger werfen den Konzernen vor, sie hätten Informationen über die gesundheitsschädigende Wirkung von Zigaretten und die Suchtgefahr zurückgehalten. Die geforderten Schadenersatzsummen nehmen dabei astronomische Ausmaße an.
Die amerikanische Tabakindustrie einigte sich 1998 mit 46 US-Bundesstaaten auf einen Vergleich. Die Tabakunternehmen verpflichteten sich zu einer Zahlung von insgesamt $ 206 Mrd. innerhalb von 25 Jahren. Die Gelder sollen die Kosten des Gesundheitswesens für Erkrankungen von Rauchern kompensieren. Außerdem muss die Industrie für die Kosten von Anti-Raucher-Kampagnen aufkommen. Die jährlichen Raten für die einzelnen Tabak-Unternehmen bemessen sich u.a. nach dem Marktanteil. Philip Morris trägt damit die Hauptlast. Der Haken: der Vergleich schloss weitere Privat- und Sammelklagen nicht aus.
Der sogenannte "Engle-Fall" ist eine der populärsten Sammelklagen, die sich an den Vergleich anschlossen. Insgesamt 500 000 Kläger aus Florida sind daran beteiligt. Ein Geschworenengericht verurteilte die Tabakindustrie 1999 deshalb zur Leistung eines Schadensersatzes in Höhe von $ 145 Mrd. Das Urteil wurde im Sommer 2000 in zweiter Instanz bestätigt. Die Beklagten legten Berufung ein. Im kommenden Jahr wird eine endgültige Entscheidung fallen.
Was geschieht aktuell bei Philip Morris?
Der CEO Geoffrey Bible kündigte Mitte November eine Namensänderung des Konzerns an. Der neue Name des Unternehmens lautet Altria Group Inc., sofern die Aktionäre auf der Hauptversammlung im April nächsten Jahres zustimmen. Bible begründete den Schritt mit der Fortentwicklung des Unternehmens. Branchenbeobachter sehen das als weitere Maßnahme zum Imagewechsel. Im Oktober letzten Jahres gestand Philip Morris erstmals öffentlich die Suchtgefahr durch Rauchen ein.
Im November kündigte Kraft Foods die Streichung von 1 000 der 117 000 Stellen an. Die Kosten belaufen sich auf $ 200 bis 300 Mrd.. Der Aufwand für Schließungen von zwei Nabisco-Betriebsstätten beträgt weitere $ 500 bis 600 Mio.. Philip Morris bestätigte damit die Planzahlen der Übernahme.
Die notwendigen Mittel zum Kauf des amerikanischen Unternehmens Nabisco Holdings Corp. Ende 2000 besorgte sich Philip Morris durch den Börsengang von Kraft Foods im Juni. Die Neuemission spülte $ 84 Mrd. in die Kasse des Unternehmens. Philip Morris realisierte damit das zweithöchste Emissionsergebnis in den USA. Das Unternehmen behielt jedoch die eindeutige Stimmenmehrheit: Philip Morris gab 49,5% der A-Aktien (mit einer Stimme pro Stück) aus, hält aber weiterhin 100% der B-Aktien mit 10 Stimmen pro Stück.
Im November veröffentlichte Philip Morris die Geschäftszahlen für das dritte Quartal. Der Umsatz betrug in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres knapp $ 69 Mrd. gegenüber $ 60,9 Mrd. im Vorjahreszeitraum. In den Zahlen von 2000 ist die Nabisco-Übernahme allerdings nicht enthalten. Bereinigt um diesen Effekt betrug der Umsatz im vergangenen Jahr $ 66,7 Mrd.. Der Nettozuwachs in 2001 beträgt also 3,4%. Der Gewinn stieg von bereinigten $ 6,1 Mrd. auf $ 6,4 Mrd. (+5%). Im dritten Quartal verkaufte Philip Morris in den USA 52,5 Milliarden Zigaretten - bei einem Marktvolumen von 104,7 Milliarden. Der Unternehmensabsatz fiel um 2,8%4, während der Markt lediglich um 2,4% schrumpfte. Der Absatz im Bereich Nahrungsmittel stieg um 3% gegenüber dem Vorjahr.
Im dritten Quartal kaufte das Unternehmen 21,7 Millionen der eigenen Aktien zurück. Dies ist Teil des über drei Jahre laufenden Aktienrückkaufprogramms mit einem Volumen von $ 10 Mrd..
in Mio.US-$ | 1997 | 1998 | 1999 | 2000 | 9 Monate 2001 |
Umsatz | 72.055 | 74.391 | 78.596 | 80.356 | 67.951 |
Bruttoergebnis vom Umsatz | 29.425 | 30.993 | 32.190 | 34.128 | 29.999 |
Bruttomarge | 40,8% | 41,7% | 41,0% | 42,5% | 44,1% |
Jahresüberschuss | 6.310 | 5.372 | 7.675 | 8.510 | 6.396 |
Nettomarge | 8,8% | 7,2% | 9,8% | 10,6% | 9,4% |
Was bringt die Zukunft?
Das Gewinn pro Aktie (diluted) soll 2001 um neun Prozent wachsen. Die Konsensschätzungen lassen einen Gewinn pro Aktie von $ 4,05 erwarten.
Im August 2002 wird der CEO und Chairman of the Board Geoffrey Bible abgelöst.
Der Ausgang des Engle-Falls ist ungewiss. Die Unternehmensleitung ist nicht in der Lage, Schätzungen über künftige Belastungen durch Schadensersatzklagen abzugeben. Ein Ende der Klagewellen ist nicht in Sicht: Im März 2002 soll eine Sammelklage von 1 250 Klägern in West Virginia starten, weitere werden folgen. Für 2002 wurden bislang insgesamt 28 Klagen von Privatpersonen bekannt.
Philip Morris wandelt sich immer mehr vom Tabak- zum Nahrungsmittelkonzern. Das Unternehmen verfügt schon heute nicht nur im Tabakbereich, sondern auch im Lebensmittelbereich über sehr starke Marken wie Milka Schokolade, Jacobs Kaffee, Kraft Ketchup und Toblerone. Das Unternehmen profitiert vom Wachstum der Weltbevölkerung: Immer mehr Menschen müssen sich mit Nahrung und Getränken versorgen. Als zweitgrößtes Unternehmen der Nahrungsmittelbranche ist Philip Morris dabei im Kampf um Marktanteile gut positioniert. Außerdem werden weiterhin genügend Raucher die Umsätze von Philip Morris steigen lassen.