Geschasst oder in die Pleite gerutscht – anders als in Amerika gilt Scheitern hierzulande häufig noch als Makel. Worauf man beim zweiten Anlauf achten sollte.
Groß gefeiert, tief gefallen. Wer eben noch als Hoffnungsträger galt, findet sich derzeit oft unverhofft im beruflichen Abseits wieder. Kündigungen auf allen Ebenen haben in Konzernen genauso Konjunktur wie Bruchlandungen einst zuversichtlicher Unternehmensgründer. Was auch immer der Grund für das Aus gewesen sein mag, mit der Karriere oder dem Aufbau einer eigenen Existenz ist es vorerst einmal vorbei.
Auch auf Dauer? „Im Gegensatz zu Amerika hat sich eine Kultur des Scheiterns in Deutschland noch nicht etabliert“, sagt Jürgen Hesse, Arbeitspsychologe am Berliner Büro für Berufsstrategie. Im Ursprungsland der unbegrenzten Möglichkeiten werden Pleiten, Pech und Pannen als wertvolle Erfahrungen akzeptiert. Wer dagegen zwischen Flensburg und Freising sein Unternehmen nicht an die Börse, sondern in den Konkurs steuert oder aus der Führungsetage verbannt wird, ist nach wie vor gebrandmarkt. Motto: Einmal verloren, immer Verlierer. Mutigen Neustartern – ob kielobentreibenden Gründern oder gefeuerten Managern – wird es, selbst dann wenn sie mit großem Engagement zur Sache gehen, nicht leicht gemacht, das Heft wieder in die Hand zu nehmen.
Wie tief die Angst vor der Niederlage in der deutschen Seele verwurzelt ist, zeigt der Global Entrepreneurship Monitor 2001, der das Gründerklima in 29 Nationen untersucht. Von dem zu New-Economy-Zeiten oft beschriebenen Boom des Unternehmertums fehlt danach in Deutschland jede Spur. Im Gegenteil: Statt Aufbruchstimmung ist vorsichtiges Verharren angesagt. Mehr als die Hälfte der hier zu Lande Befragten gaben an, dass die Furcht vor dem Scheitern sie von der Gründung eines eigenen Unternehmens abhalte. In keinem anderen Land hemmt die Scheu vor dem Risiko die unternehmerische Initiative ähnlich stark. Zum Vergleich: In Frankreich etwa äußerten nur 33 Prozent der Befragten derartige Bedenken, in den USA waren es sogar lediglich 21 Prozent.
Was ist der Grund für diese zaghafte Einstellung? „Die Deutschen neigen immer noch dazu, die Schuld für ein Scheitern in erster Linie bei sich selbst zu suchen und empfinden es deshalb als persönliche Katastrophe“, erklärt Psychologe Hesse. Dadurch machen sie sich einen neuen Anfang selbst schwer. „Anstatt eine Niederlage hinzunehmen und es noch einmal zu versuchen, resignieren sie und reden sich selbst ein, ein Versager zu sein.“ Die Folge: Das Scheitern wird verdrängt und bei zukünftigen Bemühungen um einen neuen Job oder Gründerkapital schamhaft verschwiegen.
Das kann ein Fehler sein. Denn zumindest gegenüber geschassten Führungskräften hat sich die Stimmung in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. „Wenn jemand plausibel erklären kann, wieso sich ein Unternehmen von ihm getrennt hat, ist es nicht schwer, ihn an einen neuen Arbeitgeber zu vermitteln“, meint Marcus Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter der Personalberatung Hanover Matrix in München. Das gelte nicht nur für prominente Topmanager wie die ehemaligen BMW-Vorstände Bernd Pischetsrieder und Wolfgang Reitzle, denen nach kurzer Auszeit glänzende Comebacks bei ihren neuen Arbeitgebern gelangen, sondern auch für Führungskräfte aus der zweiten Reihe. „Wer dagegen versucht, seinen Rauswurf zu vertuschen, erweckt den Eindruck, dass er auch etwas zu vertuschen hat“, meint Schmidt. Entsprechend sinken die Chancen auf einen neuen Job rapide.
„Die meisten Personalverantwortlichen wissen, dass eine Kündigung heute jeden treffen kann und sehen in ihr deshalb keinen Makel mehr“, hat auch Herbert Mühlenhoff, Chef der Düsseldorfer Outplacementberatung Mühlenhoff+Partner festgestellt. Von Managern, die nach Fusionen ihren Sessel räumen mussten oder gestandenen Haudegen, die nochmal zu neuen Ufern aufgebrochen sind, kann er Bände erzählen.
Worauf es ankomme, sei Berufserfahrung und die Bereitschaft sich anzupassen und neue Herausforderungen anzunehmen. Wer das mitbringe, habe schnell wieder einen neuen Job. „Im Schnitt“, so Mühlenhoff, „ist unsere Klientel nach spätestens sechs Monaten wieder in einer angemessenen Position.“ So lange wollen allerdings nicht alle warten. Zu schwer wiegt die vermeintliche Schande des Jobverlusts. Die Folge: Um möglichst rasch wieder auf die Beine zu kommen, bewerben sie sich auf jede freie Stelle – und verkaufen sich oft unter Wert. „Dabei sollte man sich nach einer Kündigung erst einmal Zeit nehmen, um in Ruhe das eigene Potenzial und die persönlichen Ziele zu analysieren“, meint Personalberater Schmidt. Dabei können auch Wünsche und Fähigkeiten berücksichtigt werden, die im bisherigen Job nicht gefragt waren. Der Neustart kann dann sogar mit einem beruflichen Fortschritt verbunden sein.
Gefeuerte Manager können sich also freuen: Der Wind am Arbeitsmarkt hat sich langsam, aber stetig gedreht. Gescheiterten Gründern bläst er derweil umso kälter und kräftiger entgegen. Daran hat auch der vielfach ausgerufene Gründerboom wenig geändert. Die Folge: Wer einmal auf die Nase gefallen ist, versucht es nur selten ein zweites Mal. „Die meisten suchen dann wieder Sicherheit in einer abhängigen Beschäftigung“, beobachtet Peter Witt, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmertum und Existenzgründung an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Koblenz. Das eigene Unternehmen als Abenteuer auf Zeit, aus dem man gerade noch einmal mit heiler Haut davongekommen ist.
In der Tat haben viele ehemalige Heroen der New Economy der Selbstständigkeit nach missglückten Ausflügen erst einmal abgeschworen. So kehrte Magnus Graf Lambsdorff nach dem gescheiterten Onlineexperiment „Tallyman.de“ wieder zu seinem alten Arbeitgeber, der Personalberatung Egon Zehnder, zurück. Yorck Richter, Vorstand der Kölner Portal AG, heuerte bei einer Versicherung an. Und auch Webmiles-Gründerin Loretta Würtenberger, einst Fräuleinwunder der neuen Wirtschaft, will nach dem Verkauf ihres Unternehmens und einer einjährigen Auszeit nicht noch einmal ein eigenes Projekt beginnen.
Dabei ist es häufig nicht in erster Linie die persönliche Enttäuschung, die Gründer nach einem missglückten Versuch von einem neuen Anlauf abhält. Vielmehr stellen sich ihnen nach wie vor sehr reale Hindernisse entgegen, die nur schwer zu überwinden sind. Die unternehmerische Auferstehung ist vor allem eine Frage des Geldes. Und da sieht es in den meisten Fällen ziemlich mau aus. Die in der Vergangenheit häufig spendablen Risikokapitalgeber sind inzwischen zurückhaltend geworden. Wer da schon ein paar Millionen verbrannt hat, wird mit noch größerer Skepsis beäugt. Und die Hausbank von nebenan rückt mit Förderkrediten auch nur noch sehr zögerlich heraus.
„Gründer, die noch einmal an Kapital kommen wollen, haben es nicht einfach“, bestätigt Winfried Sixel, Abteilungsleiter für Kreditabwicklung bei der Deutschen Ausgleichsbank. So werden alle, die nach einem fehlgeschlagenen Ausflug in die Selbstständigkeit Schulden haben oder Fördergelder nicht zurückzahlten, gleich wieder vor die Tür geschickt. „Alle anderen müssen sich einer detaillierten Prüfung unterziehen. Wenn sich herausstellt, das der Gründer persönlich für das Versagen des Unternehmens verantwortlich ist, bleibt auch hier der Geldhahn zugedreht“, sagt Sixel. Auch wenn widrige Umstände wie der Wegfall eines Großauftrages oder unvorhergesehene konjunkturelle Entwicklungen der Grund für das Aus waren, fließt das Geld nur zäh. „Das Geschäftsmodell muss deutlich modifiziert werden und die Erfolgsaussichten werden sehr kritisch geprüft“, erklärt Sixel.
Doch nicht nur fehlendes Kapital macht den Comebackgründern den Neustart schwer. „Nicht minder schwer ist es für sie, kompetentes Personal zu finden“, weiß Olaf Amblank von der Personalberatung Kienbaum in Hamburg. Gerade in schwierigen Zeiten suchen Talente im Job keine flachen Hierarchien, sondern Sicherheit. Und die erwarten sie vor allem von den großen Konzernen und nicht von unbekannten Startups – erst recht nicht von solchen, deren Gründer bereits einmal sein Personal auf die Straße schicken musste. Der einstige Personalmagnet Aktienoptionen hat seine Anziehungskraft ohnehin schon lange eingebüßt. Bleiben Vertrauen und Mitstreiter aus, wirkt das genauso verheerend wie der Mangel an Kapital. „Kapitalismus ohne Bankrott ist wie das Christentum ohne Hölle“, hat Frank Borman, ehemaliger Chef von Eastern Airlines einmal gesagt.
In der Tat finden sich Neustarter in Deutschland oft in einem Teufelskreis wieder: „Ohne kompetentes Team gibt es kein Geld. Und ohne Geld bekommt man kein kompetentes Team zusammen“, weiß Kienbaum-Berater Amblank. Einen Ausweg aus dem Dilemma finden nur diejenigen, die ihren Geschäftsplan penibel gegen möglichst alle Unwägbarkeiten gefeit haben. Um das zu erreichen, müssen sie auf traditionelle unternehmerische Tugenden bauen: realistische Wachstumserwartungen, zeitgemäßes Controlling und Transparenz in der Organisationsstruktur. Kontakte, die beim ersten Versuch geknüpft worden sind, können immer noch nützlich sein. Und auf einen wertvollen Schatz müssen die Neustarter geradezu bauen: ihre negative Erfahrung. Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Dass sich diese durchaus auszahlt, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). Sie untersuchte die Entwicklung schnell wachsender Firmen in Europa und stellte dabei fest, dass gescheiterte Unternehmer bei ihrem Comeback deutlich erfolgreicher sind als Konkurrenten, die noch nie in die Pleite gerutscht sind. Mehr noch: Ihr Umsatz steigt nicht nur deutlich schneller, sie schaffen auch mehr Arbeitsplätze. „Wer als Gründer aufgeben musste, hat viel gelernt, von dem er später profitieren kann“, ist auch Gründungsexperte Peter Witt von der WHU überzeugt.
Gestärkt aus der Krise - die Redewendung ist keine bloße Floskel. Die Probleme mögen zwar zunächst übermächtig scheinen. Doch gerade das ist auch eine Herausforderung, die es anzunehmen gilt. Auf deren Bestehen man dann wirklich stolz sein kann. „Wer sich nicht entmutigen lässt und eine schwierige Phase meistert, hat danach ein deutlich höheres Selbstvertauen, weil er weiß, dass er auch hohe Hindernisse aus eigener Kraft überwinden kann“, meint Arbeitspsychologe Hesse. Dann fällt es auch leicht, nachzuvollziehen, was schon Henry Ford erfahren hat: „Scheitern ist die einzige Gelegenheit, es noch einmal zu versuchen – und zwar intelligenter.“
ULRICH GROOTHUIS/CORNELIUS WELP
Groß gefeiert, tief gefallen. Wer eben noch als Hoffnungsträger galt, findet sich derzeit oft unverhofft im beruflichen Abseits wieder. Kündigungen auf allen Ebenen haben in Konzernen genauso Konjunktur wie Bruchlandungen einst zuversichtlicher Unternehmensgründer. Was auch immer der Grund für das Aus gewesen sein mag, mit der Karriere oder dem Aufbau einer eigenen Existenz ist es vorerst einmal vorbei.
Auch auf Dauer? „Im Gegensatz zu Amerika hat sich eine Kultur des Scheiterns in Deutschland noch nicht etabliert“, sagt Jürgen Hesse, Arbeitspsychologe am Berliner Büro für Berufsstrategie. Im Ursprungsland der unbegrenzten Möglichkeiten werden Pleiten, Pech und Pannen als wertvolle Erfahrungen akzeptiert. Wer dagegen zwischen Flensburg und Freising sein Unternehmen nicht an die Börse, sondern in den Konkurs steuert oder aus der Führungsetage verbannt wird, ist nach wie vor gebrandmarkt. Motto: Einmal verloren, immer Verlierer. Mutigen Neustartern – ob kielobentreibenden Gründern oder gefeuerten Managern – wird es, selbst dann wenn sie mit großem Engagement zur Sache gehen, nicht leicht gemacht, das Heft wieder in die Hand zu nehmen.
Wie tief die Angst vor der Niederlage in der deutschen Seele verwurzelt ist, zeigt der Global Entrepreneurship Monitor 2001, der das Gründerklima in 29 Nationen untersucht. Von dem zu New-Economy-Zeiten oft beschriebenen Boom des Unternehmertums fehlt danach in Deutschland jede Spur. Im Gegenteil: Statt Aufbruchstimmung ist vorsichtiges Verharren angesagt. Mehr als die Hälfte der hier zu Lande Befragten gaben an, dass die Furcht vor dem Scheitern sie von der Gründung eines eigenen Unternehmens abhalte. In keinem anderen Land hemmt die Scheu vor dem Risiko die unternehmerische Initiative ähnlich stark. Zum Vergleich: In Frankreich etwa äußerten nur 33 Prozent der Befragten derartige Bedenken, in den USA waren es sogar lediglich 21 Prozent.
Was ist der Grund für diese zaghafte Einstellung? „Die Deutschen neigen immer noch dazu, die Schuld für ein Scheitern in erster Linie bei sich selbst zu suchen und empfinden es deshalb als persönliche Katastrophe“, erklärt Psychologe Hesse. Dadurch machen sie sich einen neuen Anfang selbst schwer. „Anstatt eine Niederlage hinzunehmen und es noch einmal zu versuchen, resignieren sie und reden sich selbst ein, ein Versager zu sein.“ Die Folge: Das Scheitern wird verdrängt und bei zukünftigen Bemühungen um einen neuen Job oder Gründerkapital schamhaft verschwiegen.
Das kann ein Fehler sein. Denn zumindest gegenüber geschassten Führungskräften hat sich die Stimmung in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. „Wenn jemand plausibel erklären kann, wieso sich ein Unternehmen von ihm getrennt hat, ist es nicht schwer, ihn an einen neuen Arbeitgeber zu vermitteln“, meint Marcus Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter der Personalberatung Hanover Matrix in München. Das gelte nicht nur für prominente Topmanager wie die ehemaligen BMW-Vorstände Bernd Pischetsrieder und Wolfgang Reitzle, denen nach kurzer Auszeit glänzende Comebacks bei ihren neuen Arbeitgebern gelangen, sondern auch für Führungskräfte aus der zweiten Reihe. „Wer dagegen versucht, seinen Rauswurf zu vertuschen, erweckt den Eindruck, dass er auch etwas zu vertuschen hat“, meint Schmidt. Entsprechend sinken die Chancen auf einen neuen Job rapide.
„Die meisten Personalverantwortlichen wissen, dass eine Kündigung heute jeden treffen kann und sehen in ihr deshalb keinen Makel mehr“, hat auch Herbert Mühlenhoff, Chef der Düsseldorfer Outplacementberatung Mühlenhoff+Partner festgestellt. Von Managern, die nach Fusionen ihren Sessel räumen mussten oder gestandenen Haudegen, die nochmal zu neuen Ufern aufgebrochen sind, kann er Bände erzählen.
Worauf es ankomme, sei Berufserfahrung und die Bereitschaft sich anzupassen und neue Herausforderungen anzunehmen. Wer das mitbringe, habe schnell wieder einen neuen Job. „Im Schnitt“, so Mühlenhoff, „ist unsere Klientel nach spätestens sechs Monaten wieder in einer angemessenen Position.“ So lange wollen allerdings nicht alle warten. Zu schwer wiegt die vermeintliche Schande des Jobverlusts. Die Folge: Um möglichst rasch wieder auf die Beine zu kommen, bewerben sie sich auf jede freie Stelle – und verkaufen sich oft unter Wert. „Dabei sollte man sich nach einer Kündigung erst einmal Zeit nehmen, um in Ruhe das eigene Potenzial und die persönlichen Ziele zu analysieren“, meint Personalberater Schmidt. Dabei können auch Wünsche und Fähigkeiten berücksichtigt werden, die im bisherigen Job nicht gefragt waren. Der Neustart kann dann sogar mit einem beruflichen Fortschritt verbunden sein.
Gefeuerte Manager können sich also freuen: Der Wind am Arbeitsmarkt hat sich langsam, aber stetig gedreht. Gescheiterten Gründern bläst er derweil umso kälter und kräftiger entgegen. Daran hat auch der vielfach ausgerufene Gründerboom wenig geändert. Die Folge: Wer einmal auf die Nase gefallen ist, versucht es nur selten ein zweites Mal. „Die meisten suchen dann wieder Sicherheit in einer abhängigen Beschäftigung“, beobachtet Peter Witt, Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmertum und Existenzgründung an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Koblenz. Das eigene Unternehmen als Abenteuer auf Zeit, aus dem man gerade noch einmal mit heiler Haut davongekommen ist.
In der Tat haben viele ehemalige Heroen der New Economy der Selbstständigkeit nach missglückten Ausflügen erst einmal abgeschworen. So kehrte Magnus Graf Lambsdorff nach dem gescheiterten Onlineexperiment „Tallyman.de“ wieder zu seinem alten Arbeitgeber, der Personalberatung Egon Zehnder, zurück. Yorck Richter, Vorstand der Kölner Portal AG, heuerte bei einer Versicherung an. Und auch Webmiles-Gründerin Loretta Würtenberger, einst Fräuleinwunder der neuen Wirtschaft, will nach dem Verkauf ihres Unternehmens und einer einjährigen Auszeit nicht noch einmal ein eigenes Projekt beginnen.
Dabei ist es häufig nicht in erster Linie die persönliche Enttäuschung, die Gründer nach einem missglückten Versuch von einem neuen Anlauf abhält. Vielmehr stellen sich ihnen nach wie vor sehr reale Hindernisse entgegen, die nur schwer zu überwinden sind. Die unternehmerische Auferstehung ist vor allem eine Frage des Geldes. Und da sieht es in den meisten Fällen ziemlich mau aus. Die in der Vergangenheit häufig spendablen Risikokapitalgeber sind inzwischen zurückhaltend geworden. Wer da schon ein paar Millionen verbrannt hat, wird mit noch größerer Skepsis beäugt. Und die Hausbank von nebenan rückt mit Förderkrediten auch nur noch sehr zögerlich heraus.
„Gründer, die noch einmal an Kapital kommen wollen, haben es nicht einfach“, bestätigt Winfried Sixel, Abteilungsleiter für Kreditabwicklung bei der Deutschen Ausgleichsbank. So werden alle, die nach einem fehlgeschlagenen Ausflug in die Selbstständigkeit Schulden haben oder Fördergelder nicht zurückzahlten, gleich wieder vor die Tür geschickt. „Alle anderen müssen sich einer detaillierten Prüfung unterziehen. Wenn sich herausstellt, das der Gründer persönlich für das Versagen des Unternehmens verantwortlich ist, bleibt auch hier der Geldhahn zugedreht“, sagt Sixel. Auch wenn widrige Umstände wie der Wegfall eines Großauftrages oder unvorhergesehene konjunkturelle Entwicklungen der Grund für das Aus waren, fließt das Geld nur zäh. „Das Geschäftsmodell muss deutlich modifiziert werden und die Erfolgsaussichten werden sehr kritisch geprüft“, erklärt Sixel.
Doch nicht nur fehlendes Kapital macht den Comebackgründern den Neustart schwer. „Nicht minder schwer ist es für sie, kompetentes Personal zu finden“, weiß Olaf Amblank von der Personalberatung Kienbaum in Hamburg. Gerade in schwierigen Zeiten suchen Talente im Job keine flachen Hierarchien, sondern Sicherheit. Und die erwarten sie vor allem von den großen Konzernen und nicht von unbekannten Startups – erst recht nicht von solchen, deren Gründer bereits einmal sein Personal auf die Straße schicken musste. Der einstige Personalmagnet Aktienoptionen hat seine Anziehungskraft ohnehin schon lange eingebüßt. Bleiben Vertrauen und Mitstreiter aus, wirkt das genauso verheerend wie der Mangel an Kapital. „Kapitalismus ohne Bankrott ist wie das Christentum ohne Hölle“, hat Frank Borman, ehemaliger Chef von Eastern Airlines einmal gesagt.
In der Tat finden sich Neustarter in Deutschland oft in einem Teufelskreis wieder: „Ohne kompetentes Team gibt es kein Geld. Und ohne Geld bekommt man kein kompetentes Team zusammen“, weiß Kienbaum-Berater Amblank. Einen Ausweg aus dem Dilemma finden nur diejenigen, die ihren Geschäftsplan penibel gegen möglichst alle Unwägbarkeiten gefeit haben. Um das zu erreichen, müssen sie auf traditionelle unternehmerische Tugenden bauen: realistische Wachstumserwartungen, zeitgemäßes Controlling und Transparenz in der Organisationsstruktur. Kontakte, die beim ersten Versuch geknüpft worden sind, können immer noch nützlich sein. Und auf einen wertvollen Schatz müssen die Neustarter geradezu bauen: ihre negative Erfahrung. Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. Dass sich diese durchaus auszahlt, zeigt eine Studie der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). Sie untersuchte die Entwicklung schnell wachsender Firmen in Europa und stellte dabei fest, dass gescheiterte Unternehmer bei ihrem Comeback deutlich erfolgreicher sind als Konkurrenten, die noch nie in die Pleite gerutscht sind. Mehr noch: Ihr Umsatz steigt nicht nur deutlich schneller, sie schaffen auch mehr Arbeitsplätze. „Wer als Gründer aufgeben musste, hat viel gelernt, von dem er später profitieren kann“, ist auch Gründungsexperte Peter Witt von der WHU überzeugt.
Gestärkt aus der Krise - die Redewendung ist keine bloße Floskel. Die Probleme mögen zwar zunächst übermächtig scheinen. Doch gerade das ist auch eine Herausforderung, die es anzunehmen gilt. Auf deren Bestehen man dann wirklich stolz sein kann. „Wer sich nicht entmutigen lässt und eine schwierige Phase meistert, hat danach ein deutlich höheres Selbstvertauen, weil er weiß, dass er auch hohe Hindernisse aus eigener Kraft überwinden kann“, meint Arbeitspsychologe Hesse. Dann fällt es auch leicht, nachzuvollziehen, was schon Henry Ford erfahren hat: „Scheitern ist die einzige Gelegenheit, es noch einmal zu versuchen – und zwar intelligenter.“
ULRICH GROOTHUIS/CORNELIUS WELP