Neue Lust auf Aktien (Eurams)

Beitrag: 1
Zugriffe: 317 / Heute: 1
Camenber:

Neue Lust auf Aktien (Eurams)

 
04.12.05 14:08
Die Jahresrally an den internationalen Börsen läuft auf vollen Touren. Dabei zeichnet sich ein Favoritenwechsel ab: Wachstumstitel wie SAP oder Intel feiern ein eindrucksvolles Comeback
Die Jahresendrally an den internationalen Börsen läuft auf vollen Touren. Dabei zeichnet sich ein Favoritenwechsel ab. Wachstumstitel feiern ein eindruckvolles Comeback. von Klaus Schachinger und Sven Parplies

Eine Weltmarktfirma wird neu entdeckt. Zwei Jahre lang stand die SAP-Aktie an der Börse im Abseits, dümpelte nur dahin. Nun zählt sie zu den stärksten Werten im DAX. Während der vergangenen Tage brach der Kurs aus und schaffte am Freitag ein neues Drei-Jahres-Hoch. Der frische Schwung in dem Technologietitel ist kein Einzelfall. In den USA gehört Chiphersteller Intel seit Wochen zu den stärksten Aktien im Dow, in Asien sorgen Tech-Schwergewichte wie Samsung Electronics mit Kursgewinnen von 25 Prozent seit Anfang September für Aufsehen.

Die Lust auf Risiko steigt offenbar: Für Volker Borghoff, Aktienstratege bei HSBC Trinkaus & Burkhardt, ist der neue Schwung bei SAP und Co ein Zeichen für den allmählichen Favoritenwechsel in den Depots institutioneller Investoren. Lange Zeit war Sicherheit das oberste Gebot bei Anlegern, standen substanzstarke Werte im Vordergrund. Vor allem Titel mit hoher Dividendenrendite waren angesichts historisch niedriger Zinsen gefragt. Dies könnte sich nun ändern. "Defensive Werte laufen seit viereinhalb Jahren gut und sind inzwischen teuer", sagt Borghoff.

Gerade im Vergleich zu Wachstumsaktien. Deren höhere Bewertung ist im Vergleich zu defensiven Aktien vom 1,8fachen auf das 1,5fache gefallen, hat Goldman Sachs nachgerechnet. Während der 90er Jahre, in der Boomzeit der Wachstumstitel, waren die Papiere noch mit dem 2,7fachen sogenannter Value-Aktien bewertet.

Olaf Siedler, Europa-Fondsmanager der britischen Investmentgesellschaft Schroders, rechnet daher mit einem Favoritenwechsel vo! n Value- sprich werthaltigen, zu Growth-Aktien, den riskanteren Wachst umstiteln. "Aber evolutionär, nicht revolutionär", schränkt der Brite ein. Da auch 2006 ein Jahr mit üppigen Dividendenzahlungen wird, sei nicht mit einem Ausverkauf zu rechnen. Aber mit Umschichtungen.

Gefragt sind Wachstumstitel auch, weil die langfristige Unternehmensfinanzierung auf absehbare Zeit billig bleibt. "Trotz der Zinserhöhungen in den USA und Europa geht der Markt von historisch niedrigen Inflationsraten aus", glaubt Stratege Borghoff. Bei langfristigen Finanzierungen, zum Beispiel über Firmenanleihen, sei sogar mit sinkenden Zinsen zu rechnen. Gut vor allem für Konzerne, die Geld für starkes Wachstum brauchen. Firmenchefs, die einen Teil der Gewinnmarge zugunsten von Wachstum opferten, wurden bislang an der Börse eher skeptisch beäugt. Zu sehr war noch das Platzen der New-Economy-Blase in Erinnerung, als sich die Zukunftsvisionen vieler Manager in Luft auflösten. Doch nun fassen die Anleger wieder Mut. Eine Marktanalyse der Investmentbank Goldman Sachs beweist es: Aktien von Konzernen, die eine Erhöhung der Investitionen in Anlagen und Vertrieb um bis zu 20 Prozent in Aussicht stellten, legten im Jahresverlauf durchschnittlich um neun Prozent zu. "Höhere Investitionen in Wachstum werden vom Markt honoriert", sagt Peter Oppenheimer, Chef-Stratege für europäische Aktien bei Goldman Sachs. Im vergangenen Jahr war das noch anders. Wer bis zu 20 Prozent weniger investierte, entwickelte sich an der Börse im Durchschnitt um 25 Prozent besser. Die Zeiten des Geizes sind jetzt vorbei.

Bei Wachstumstiteln, zu denen inzwischen nicht nur Technologiewerte, sondern auch Branchenüberflieger aus alten Industrien wie der Hannoveraner Autozulieferer Conti gehören, setzen Anleger darauf, daß Konzerne kontinuierlich mehr Geld für Investitionen lockermachen. Wer trotz starker Geldströme (Cash-Flows) an die Grenzen seines Wachstums stößt, wie die Deutsche Telekom oder Vodafone, wird dagegen aus dem Kreis der Wachstumswerte aussortiert und als defensiv eingestuft. Diesen Aktien wird ein entsprechend niedrigeres Kurs/Gewinn-Verhältnis zugebilligt, aber auch geringere Kurs-Phantasie.

Die Vorliebe der Anleger für mehr Wachstum macht sich vielerorts bemerkbar. "Wir bevorzugen Unternehmen, die 55 bis 75 Prozent ihres Cash-Flows reinvestieren. Langsames Wachstum ist auch bei hoher Dividendenrendite für uns nicht mehr interessant", sagt der Chef-Aktienstratege der Banc of America, Thomas McManus, klipp und klar. Die neue Botschaft scheint bei vielen Finanzchefs allerdings noch nicht angekommen zu sein.

Obwohl die meisten Unternehmen wieder ordentlich Geld verdienen, notiert das Verhältnis der Investitionen im Vergleich zum Umsatz auf dem tiefsten Niveau seit 20 Jahren. "Es ist ein Mythos, daß Sparzwang allein zu hohen Cash-Flows führt", kritisiert Ajay Kapur, Chef-Aktienstratege der US-Bank Citigroup, den falschen Geiz. Der Grund für die starken Geldströme sei vielmehr eine Kombination aus hohen Margen, disziplinierter Lagerhaltung und vernünftiger Kostenkontrolle, so Kapur. Er schätzt die Verfassung der Unternehmenswelt weiterhin als "sehr robust" ein. Denn selbst wenn die Wachstumsinvestitionen auf das hohe Niveau Ende der 90er Jahre steigen sollten, wäre der Cash-Flow nicht zu stark belastet.

Zu den Firmen, die bereits mutig investieren, gehört SAP. Für Konzernchef Henning Kagermann haben höhere Marktanteile Priorität. Mehr Rendite auf Kosten von Wachstum mag Kagermann "nicht akzeptieren". In den USA will SAP weiter zweistellig zulegen – "ich bin mir sicher, daß wir dieses Niveau dauerhaft halten", so Kagermann. Dort kommt der Software-Konzern mittlerweile auf einen Marktanteil von 44 Prozent.

Und die Konstellation im Weltmarkt ist günstig für SAP. Die große Übernahmewelle ist nach der Einkaufstour des Konkurrenten Oracle beendet. Die 60 Prozent des Markts, welche die beiden Großen nicht beherrschen, gehören kleineren Speziafirmen. Das kommt den Deutschen, die auf kleine Übernahmen als Ergänzung zum eigenen Wachstum setzen, entgegen. SAP konnte zudem von Oracles Firmenkäufen durch wechselwillige Kunden bisher immer profitieren. Zu einer Neubewertung könnte es auch bei IBM kommen. Für die Analysten von Banc of America, UBS und Morgan Stanley ist IBM Top-Favorit im IT-Sektor. Großes Lob für Firmenchef Sam Palmisano gibt es wegen schneller Fortschritte in der Verbesserung der Margen. "IBM ist strategisch sehr gut aufgestellt und wird effizient geführt", meint etwa Rebecca Runkle von Morgan Stanley.

Damit diese Qualitäten im Kerngeschäft IT-Dienstleistungen allerdings in stärkeres Wachstum umgesetzt werden, fehlen bislang die Impulse aus der Branche. "Die Aussichten für 2006 sind schwer zu prognostizieren", räumen die Analysten von Goldman Sachs nach einer Umfrage bei IT-Managern ein. Die Kundschaft ist es also, die noch knausert, anstatt zu investieren. Die neue Wachstumsphilosophie professioneller Investoren sollte jedoch nicht mit dem blinden Vertrauen während der 90er Jahre verwechselt werden. Softbank ist so ein Fall. Die Meldung über den ersten operativen Gewinn seit fünf Jahren machte die Hightech-Beteiligungsfirma an der Börse in Tokio wieder zu Anlegers Liebling, der Kurs hat sich seit Mitte September verdoppelt. Konzernchef Masayoshi Son versprach zwar, nicht mehr in die Verlustzone abzurutschen, gab in schlechter Tradition aber keine Prognose für das Gesamtjahr ab. Das nährt die Skepsis der Analysten. Auch der jüngste Einstieg ins japanische Mobilfunkgeschäft überrascht, nachdem Son zuvor viel Geld in den Ausbau des DSL-Geschäfts investiert hatte. Anleger können nur hoffen, daß Wachstums-Fan Son seine Lektion über langfristige Profitabilität bei Unternehmen gelernt hat.  
Es gibt keine neuen Beiträge.


Börsen-Forum - Gesamtforum - Antwort einfügen - zum ersten Beitrag springen
--button_text--