Hallo Leute,
als ich vor knapp 10 Jahren begann, mich mit der Börse zu beschäftigen, war das erste was ich tat, mir ein Chartprogramm zuzulegen. Auch wenn ich heute stärker die Fundamentaldaten bei Entscheidungen berücksichtige, so bleibt der Chart bzw. die Technik im allgemeinen das A und O.
Denn in einem hat selbst Förtsch Recht, zuerst läuft der Kurs, dann kommen die Meldungen. Gerade beim Nm-Desaster hätten sich viele Anleger grössere Verluste erspart, wenn sie a) nicht auf die Prognosen vieler Börsenbriefe gehört hätten b) den utopischen Gewinnschätzungen mehr Skepsis entgegengebracht hätten und c) einen entsprechenden Stop-Kurs gesetzt hätten.
Nehmt doch nur das Beispiel Amatech. Chip- und Smartcards sind der Zukunftsmarkt, starkes Wachstum, hohe Gewinne, günstige Bewertung. So die fundamentalen Argumente. Selbst das eher konservative Börsenblatt Börse Now mit dem Chef Harald Gabel (öfters in n-tv) hat Amatech als Topempfehlung eingestuft. Doch was macht der Aktienkurs? Er fällt. Die Aktie befand sich in einem langfristigen Abwärtstrend, der mit der Emission einsetzte. Die Hoffnung auf eine Bodenbildung wurde bereits im Februar mit dem Bruch eines kurzfristigen Aufwärtstrends und der Etablierung unterhalb von diesem zerstört. Aus technischer Sicht hätte man den Wert nicht besitzen dürfen. Und was folgt? Eine schlechte Meldung und ein erneuter Kurseinbruch. Wer sich streng an die Technik hielt, wäre bei Amatech spätestens bei 20 Euro ausgestiegen. Wer sich an die Fundamentaldaten hielt, im besten Fall bei 10, im schlimmsten Fall bei 3 Euro! Beispiele wie dieses gibt es zuhauf.
Ein Grund dafür dürfte daran liegen, dass gut informierte Kreise, meist Unternhemensinsider aber häufig auch institutionelle Anlger, einen Informationsvorsprung gegenüber der Öffentlichkeit besitzen und diesen gnadenlos in geldwerten Vorteil ummünzen. Oder aber, wie gerade im Fall Comroad oder Thiel, grosse Adressen streuen negative Gerüchte, um den Kurs zu drücken und selbst günstig an die Aktien zu kommen. Im Chart ist dieses ersichtlich. Wer nur auf fundamentales setzt, schaut seelenruhig zu, wie sein Depotvolumen immer mehr dahinschmilzt. Wer die Technik bemüht, geht auch bei fundamental guten Werten zwischenzeitlich raus und deckt sich günstiger wieder ein.
Selbst ein Performancewettkampf zwischen Fundamental- und technischer Analyse, durchgeführt vor einigen Jahren durch Börse online, endete mit einem deutlichen Sieg der Technik.
Und aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass ich die dicksten Verluste immer dann eingefahren habe, wenn ich schlauer sein wollte als der Chart. Ich habe auch geglaubt, dass eine Abit, eine DCI und eine Internetmediahouse interessante Aktien mit Perspektiven seien. Jetzt bin ich schlauer. Hätte ich mich an meine Technik gehalten, hätte ich statt 80-90 Prozent Verlust 'nur' 10-20 Prozent Verlust eingefahren.
Angesichts dieser offensichtlichen Vorteile der Technik kann ich deshalb nicht verstehen, dass sie einige Leute immer noch als Kaffeesatzleserei bezeichnen. Kopschütteln ruft es dann noch bei mir hervor, wenn, oftmals die gleichen Leute, sich über misslungene Kaufempehlungen von Tippgebern beschweren. Statt auf den Chart zu blicken und sich eine geeignete Stop-Marke zu suchen, werden die Verluste ausgesessen, notfalls macht man halt 99 Prozent Verlust. Schuld hat aber dann der ach so böse Tippgeber.
Nee, nee, Leute. Das ist zu einfach. Schuld hat jeder selbst, vor allem, wenn er nicht auf den Chart blickt.
In diesem Sinne, die Technik rules, einen sonnigen Sonntag.
P.S. @ecki: eine bullisch zu interpretierende Keilformation im Nasdaq-Chart zu entdecken und sie auch so zu interpretieren finde ich nach 60 Prozent Kursverlust sehr gewagt. Vor allem sollte der Zeithorizont berücksichtigt werden. Um den Chart wieder positiver aussehen zu lassen, können nämlich durchaus ein paar Jährchen vergehen...und eine Umkehrformation ist ebenfalls nicht ausgebildet. Deshalb dürfte es wohl zunächst nur zu Rallies in einem intakten Bärenmarkt kommen. Ich könnte mir z.b. bis Sommer freundliche Kurse und im Herbst ein erneutes Testen der Tiefs vorstellen. Erst wenn dieser Test erfolgreich verläuft und eine Umkehrformation gebildet wird, kann ein konservativer Anleger wieder einsteigen. Vorher bleibt es ein Markt für extrem kurzfristig orientierte Anleger.