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Bahnindustrie mächtig unter Druck
Bahnindustrie mächtig unter Druck | Video verfügbar bis 04.08.201
Die Deutsche Bahn denkt darüber nach, in China einzukaufen.
Einst war sie der Stolz der europäischen Schwerindustrie – die Eisenbahn. Erfunden von einem englischen Ingenieur, gebaut und weiterentwickelt vor allem in Deutschland, revolutionierte die Eisenbahn das Industriezeitalter. Entfernungen schrumpften, die Massenmobilität zu Lande war geboren. Über weit mehr als ein Jahrhundert sollte Europa führend sein in der Entwicklung des Schienenverkehrs. Doch binnen zehn Jahren haben die europäischen Eisenbahnproduzenten nicht nur ihre weltweite Führungsrolle erdrutschartig verloren, ihnen droht sogar auf den Heimatmärkten ein Desaster. Siemens, der bedeutendste deutsche Konzern auf diesem Gebiet, denkt mittlerweile intensiv darüber nach, sich von seinem Eisenbahngeschäft zu trennen.
Technologietransfer – die große Falle
Siemens, Alstom und das kanadische Unternehmen Bombardier mit vielen europäischen Produktionsstätten – die ehemals weltweit führenden Konzerne im Schienenverkehr haben ihr eigenes Grab geschaufelt, kritisieren Gewerkschaften und Politiker. Die Kritiker meinen damit ihr Engagement in China. Die größte Volkswirtschaft der Welt lockte mit gigantischen Expansionsraten und Gewinnversprechen. Doch den Eintritt in diesen scheinbar grenzenlosen Markt mussten sich die Hersteller teuer erkaufen.
Wer in China Geschäfte machen wollte, musste bis vor wenigen Jahren sogenannte Joint Ventures eingehen. Er musste also Kooperationen mit chinesischen Firmen eingehen und sein Entwicklungswissen mit diesen Firmen teilen. Die Absichten der chinesischen Führung waren durchsichtig. Sie wollte auf Kosten westlicher Konzerne die bis dahin unterentwickelte eigene Industrie schnellstmöglich zukunftsfähig machen, ohne dabei hohe Investitionen tätigen zu müssen. Trotz des offensichtlichen Plans ließen sich die europäischen Manager auf den Deal ein. Entweder war die Verlockung der satten Gewinne zu groß oder aber man unterschätzte die Fähigkeiten der chinesischen Partner.
Nach zehn fetten Jahren folgt nun der Schock. Auf chinesischen Schienen fahren modernste Schnell- und Nahverkehrszüge. Nur werden sie nicht mehr von Siemens, Alstom oder Bombardier geliefert, sondern von den beiden großen chinesischen Staatsunternehmen. Die europäischen Hersteller sind zu Zulieferern von Teilen degradiert worden. Noch viel schlimmer wiegt allerdings, dass die chinesischen Konzerne die Führungsrolle auf dem Weltmarkt gleich mit übernommen haben. Beherrschten noch im Jahr 2006 Siemens, Alstom und Bombardier den überwiegenden Teil des Weltmarktes und China spielte kaum eine Rolle, hat sich das binnen acht Jahren fundamental gewandelt. Die beiden kürzlich fusionierten chinesischen Produzenten haben den Weltmarkt erobert und beherrschen ihn zu 64 Prozent. Die Europäer liegen weit abgeschlagen dahinter.
Nicht nur der Wissenstransfer ist schuld
Doch alleine die Blauäugigkeit der europäischen Produzenten dafür verantwortlich zu machen, wäre zu einfach, sagt Maria Leenen. Die weltweit agierende Unternehmensberaterin in der Eisenbahnbranche, ist sich sicher, dass die europäischen Produzenten gar keine andere Wahl gehabt hätten, als auf den chinesischen Markt zu gehen. Zum einen seien die Gewinne in den vergangenen zehn Jahren gigantisch gewesen. Zum anderen böte der chinesische Markt auch andere Vorteile. So seien die Zulassungsvorschriften für neu entwickelte Züge bei Weitem nicht so streng, wie in Europa.
Wenn die Deutsche Bahn beispielsweise neu entwickelte Züge haben will, dauert das. Zwei Jahre prüft alleine das Eisenbahnbundesamt, bis die Züge eingesetzt werden dürfen. Das sei viel zu lange für Bahn und Hersteller, ist sich die Unternehmensberaterin sicher. In China dagegen können die Hersteller viel schneller auf die Schiene und mit dem Zug Geld verdienen.
Chinesische Anbieter sind staatsfinanziert
Einen weiteren Wettbewerbsnachteil haben die europäischen Produzenten, weil sie von Staatsseite nicht unterstützt werden. Ihre chinesischen Konkurrenten sind Staatsunternehmen. Ihre weltweite Expansion ist ein erklärtes Planziel der chinesischen Führung. Dabei geht es um mehr als die Vorherrschaft auf dem Gebiet des Eisenbahnbaus. Gezielt drängen die Chinesen in Entwicklungs- und Schwellenländer. Sie bieten den Aufbau der gesamten Eisenbahninfrastruktur an. Schienenbau, Bahnhöfe, Züge – alles aus einer Hand. Vorfinanziert werden die Projekte vom chinesischen Staat. Dafür müssen die Kunden meist weitreichende und langfristige Schürfrechte für Bodenschätze an China abtreten. Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang von modernem Wirtschaftskolonialismus.
Zu guter Letzt haben sich die Bahnproduzenten, allen voran Siemens, auch auf dem heimischen Markt unnötig Konkurrenz geschaffen. Die Diskussion um zugefrorene Züge im Winter, kollabierende Fahrgäste durch nicht ausreichende Klimaanlagen im Sommer und extreme Verzögerungen bei der Auslieferung bestellter Züge, bringt nun sogar die Deutschen Bahn dazu, bei den chinesischen Produzenten Angebote einzuholen.
Autor: Daniel Krull
Stand: 05.08.2015 22:35 Uhr
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Bahnindustrie mächtig unter Druck
Bahnindustrie mächtig unter Druck | Video verfügbar bis 04.08.201
Die Deutsche Bahn denkt darüber nach, in China einzukaufen.
Einst war sie der Stolz der europäischen Schwerindustrie – die Eisenbahn. Erfunden von einem englischen Ingenieur, gebaut und weiterentwickelt vor allem in Deutschland, revolutionierte die Eisenbahn das Industriezeitalter. Entfernungen schrumpften, die Massenmobilität zu Lande war geboren. Über weit mehr als ein Jahrhundert sollte Europa führend sein in der Entwicklung des Schienenverkehrs. Doch binnen zehn Jahren haben die europäischen Eisenbahnproduzenten nicht nur ihre weltweite Führungsrolle erdrutschartig verloren, ihnen droht sogar auf den Heimatmärkten ein Desaster. Siemens, der bedeutendste deutsche Konzern auf diesem Gebiet, denkt mittlerweile intensiv darüber nach, sich von seinem Eisenbahngeschäft zu trennen.
Technologietransfer – die große Falle
Siemens, Alstom und das kanadische Unternehmen Bombardier mit vielen europäischen Produktionsstätten – die ehemals weltweit führenden Konzerne im Schienenverkehr haben ihr eigenes Grab geschaufelt, kritisieren Gewerkschaften und Politiker. Die Kritiker meinen damit ihr Engagement in China. Die größte Volkswirtschaft der Welt lockte mit gigantischen Expansionsraten und Gewinnversprechen. Doch den Eintritt in diesen scheinbar grenzenlosen Markt mussten sich die Hersteller teuer erkaufen.
Wer in China Geschäfte machen wollte, musste bis vor wenigen Jahren sogenannte Joint Ventures eingehen. Er musste also Kooperationen mit chinesischen Firmen eingehen und sein Entwicklungswissen mit diesen Firmen teilen. Die Absichten der chinesischen Führung waren durchsichtig. Sie wollte auf Kosten westlicher Konzerne die bis dahin unterentwickelte eigene Industrie schnellstmöglich zukunftsfähig machen, ohne dabei hohe Investitionen tätigen zu müssen. Trotz des offensichtlichen Plans ließen sich die europäischen Manager auf den Deal ein. Entweder war die Verlockung der satten Gewinne zu groß oder aber man unterschätzte die Fähigkeiten der chinesischen Partner.
Nach zehn fetten Jahren folgt nun der Schock. Auf chinesischen Schienen fahren modernste Schnell- und Nahverkehrszüge. Nur werden sie nicht mehr von Siemens, Alstom oder Bombardier geliefert, sondern von den beiden großen chinesischen Staatsunternehmen. Die europäischen Hersteller sind zu Zulieferern von Teilen degradiert worden. Noch viel schlimmer wiegt allerdings, dass die chinesischen Konzerne die Führungsrolle auf dem Weltmarkt gleich mit übernommen haben. Beherrschten noch im Jahr 2006 Siemens, Alstom und Bombardier den überwiegenden Teil des Weltmarktes und China spielte kaum eine Rolle, hat sich das binnen acht Jahren fundamental gewandelt. Die beiden kürzlich fusionierten chinesischen Produzenten haben den Weltmarkt erobert und beherrschen ihn zu 64 Prozent. Die Europäer liegen weit abgeschlagen dahinter.
Nicht nur der Wissenstransfer ist schuld
Doch alleine die Blauäugigkeit der europäischen Produzenten dafür verantwortlich zu machen, wäre zu einfach, sagt Maria Leenen. Die weltweit agierende Unternehmensberaterin in der Eisenbahnbranche, ist sich sicher, dass die europäischen Produzenten gar keine andere Wahl gehabt hätten, als auf den chinesischen Markt zu gehen. Zum einen seien die Gewinne in den vergangenen zehn Jahren gigantisch gewesen. Zum anderen böte der chinesische Markt auch andere Vorteile. So seien die Zulassungsvorschriften für neu entwickelte Züge bei Weitem nicht so streng, wie in Europa.
Wenn die Deutsche Bahn beispielsweise neu entwickelte Züge haben will, dauert das. Zwei Jahre prüft alleine das Eisenbahnbundesamt, bis die Züge eingesetzt werden dürfen. Das sei viel zu lange für Bahn und Hersteller, ist sich die Unternehmensberaterin sicher. In China dagegen können die Hersteller viel schneller auf die Schiene und mit dem Zug Geld verdienen.
Chinesische Anbieter sind staatsfinanziert
Einen weiteren Wettbewerbsnachteil haben die europäischen Produzenten, weil sie von Staatsseite nicht unterstützt werden. Ihre chinesischen Konkurrenten sind Staatsunternehmen. Ihre weltweite Expansion ist ein erklärtes Planziel der chinesischen Führung. Dabei geht es um mehr als die Vorherrschaft auf dem Gebiet des Eisenbahnbaus. Gezielt drängen die Chinesen in Entwicklungs- und Schwellenländer. Sie bieten den Aufbau der gesamten Eisenbahninfrastruktur an. Schienenbau, Bahnhöfe, Züge – alles aus einer Hand. Vorfinanziert werden die Projekte vom chinesischen Staat. Dafür müssen die Kunden meist weitreichende und langfristige Schürfrechte für Bodenschätze an China abtreten. Kritiker sprechen in diesem Zusammenhang von modernem Wirtschaftskolonialismus.
Zu guter Letzt haben sich die Bahnproduzenten, allen voran Siemens, auch auf dem heimischen Markt unnötig Konkurrenz geschaffen. Die Diskussion um zugefrorene Züge im Winter, kollabierende Fahrgäste durch nicht ausreichende Klimaanlagen im Sommer und extreme Verzögerungen bei der Auslieferung bestellter Züge, bringt nun sogar die Deutschen Bahn dazu, bei den chinesischen Produzenten Angebote einzuholen.
Autor: Daniel Krull
Stand: 05.08.2015 22:35 Uhr