Militärs warnen vor blutigem Krieg gegen Irak
Von Hubert Wetzel, Berlin
Die Militärexperten halten einen schnellen Sieg gegen Bagdad für illusionär. Die Beobachter rechnen mit einer Bodeninvasion der USA.
Ein Krieg gegen Irak wird für die USA nach Ansicht von Militärexperten weit schwieriger und verlustreicher werden als der Einsatz in Afghanistan. "Es gib zu viele Leute in Washington, die Irak für ein leichtes Unterfangen halten", sagt der US-Militärexperte John Pike. "Aber wer einen Irak-Einsatz für leicht hält, versteht nichts von Krieg. Zu glauben, das Kriegsmodell Afghanistan könne einfach auf Irak übertragen werden, ist schlicht Irrsinn."
Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) warnt ebenfalls vor Illusionen. In einer Analyse des Afghanistan-Kriegs zählt er Dutzende von Punkten auf, die den US-Einsatz erleichtert haben - von der fehlenden Flugabwehr bis zum Hass der Bevölkerung auf die Taliban. Afghanistan, so sein Fazit, war eine Ausnahme - nicht die neue Regel.
Militärs halten vor allem die Luftabwehr Iraks für eine Gefahr. Während die US-Bomber über Afghanistan schon nach wenigen Tagen stundenlang ungestört kreisen und auf Zielinformationen warten konnten, wären sie am Golf irakischem Beschuss ausgesetzt. "Wir wissen, was Irak hat und wie wir es ausschalten könnten", sagt General Gregory Martin, Kommandeur der US-Luftstreitkräfte in Europa. "Aber ich will die Gefahren nicht herunterspielen, weil (die irakische Abwehr) sehr mobil und effektiv ist."
Trotzdem gehen die meisten Beobachter derzeit davon aus, dass die USA einen Militärschlag gegen Irak wagen werden. "Ob und Wann sind geklärt: Ja und in diesem Jahr", sagt Pike zur Stimmungslage in den USA. "Offen ist nur noch das Wie."
Vier denkbare Szenarien
Pike sieht vier denkbare Szenarien, die jeweils eine weitere Eskalationsstufe darstellen und zum Teil parallel laufen könnten. Nummer eins wäre danach die Unterstützung von Aufständen der im Irakischen Nationalkongress (INK) zusammengeschlossenen irakischen Opposition.
Dem Standardwerk "Jane’s World Armies" zufolge verfügen drei INK-Gruppen über nennenswerte Truppen: zwei - verfeindete - Kurdenorganisationen im Norden sowie eine Schiitengruppe im Süden. Die USA könnten sie trainieren, bewaffnen und gegen Bagdad schicken. Parallel dazu könnte - so Szenario zwei - der US-Geheimdienst CIA wie in Afghanistan verdeckte Operationen in Irak beginnen. Dazu könnten Sabotageakte, Angriffe auf Nachschublinien oder Anschläge auf den Diktator Saddam Hussein gehören.
Von Kuwait nach Bagdad
Pike hält jedoch Szenario drei für das wahrscheinlichste: Demnach würden die USA irgendwann im Herbst rund 50.000 Soldaten nach Kuwait verlegen und von dort mit drei Elitedivisionen in wenigen Tagen bis Bagdad vorstoßen. "Die Hoffnung ist, dass die Irakis aufgeben, sobald die US-Armee am Stadtrand auftaucht", so Pike.
Ob das realistisch ist, kann derzeit niemand sagen. Irak hat rund 360.000 Mann unter Waffen, davon sind aber etwa 250.000 Reservisten und Wehrpflichtige. Offen ist, wie kampftüchtig sie sind. "Die irakische Armee hat die Tendenz zu kollabieren", so Pike. "Zudem würde sie in dem Moment, in dem sie sich zum Kampf stellt, von der Luftwaffe der USA zusammengeschossen werden." Von Szenario drei gibt es jedoch eine pessimistische Version: Danach kommen die US-Truppen schnell bis Bagdad, müssen die Stadt aber Haus für Haus erobern. "Bagdad ist riesig", sagt Pike. "Vom West- bis an den Ostrand zu kommen, kann lange dauern. Der Kampf der Russen in Grosny wäre im Vergleich dazu ein Spaziergang im Park."
Horror vor Chemiewaffen
Eine Horrorversion wäre aber ein irakischer Gegenangriff mit Bio- oder Chemiewaffen, entweder auf die US-Truppen oder auf Israel. Pike hält zumindest einen Angriff auf die Amerikaner für "sicher". "Sobald Saddam sieht, dass es um sein Überleben geht, fällt die Hürde, die ihn vom Einsatz von Massenvernichtungswaffen abhält", warnt auch ein anderer Militärexperte. "Zudem könnte er durch den Angriff auf Israel den Krieg ausweiten, wie er es schon 1991 versucht hat." Von Israel droht dann jedoch ein nuklearer Gegenschlag.
In Szenario vier würde die US-Armee eine massive Invasion in Irak starten: mit 200.000 Mann, die von Kuwait aus langsam in Richtung Bagdad marschieren und dabei die irakische Armee vernichten. Während Szenario drei etwa drei bis vier Wochen Vorlaufzeit bräuchte, wären bei Szenario vier mehrere Monate für die Stationierung nötig.
Alle vier Pläne würden außerdem heftige US-Luftangriffe einschließen, vor allem gegen die irakische Luftabwehr. Sie könnten von Flugzeugträgern geflogen werden, aus den USA selbst oder von Basen in der Region, wenn Amerika Verbündete findet. Den Kriegsbeginn datiert Pike auf den Herbst. Dann sei es so kühl, dass die US-Soldaten sich in ihren Chemie-Schutzanzügen in der Wüste bewegen könnten.
Von Hubert Wetzel, Berlin
Die Militärexperten halten einen schnellen Sieg gegen Bagdad für illusionär. Die Beobachter rechnen mit einer Bodeninvasion der USA.
Ein Krieg gegen Irak wird für die USA nach Ansicht von Militärexperten weit schwieriger und verlustreicher werden als der Einsatz in Afghanistan. "Es gib zu viele Leute in Washington, die Irak für ein leichtes Unterfangen halten", sagt der US-Militärexperte John Pike. "Aber wer einen Irak-Einsatz für leicht hält, versteht nichts von Krieg. Zu glauben, das Kriegsmodell Afghanistan könne einfach auf Irak übertragen werden, ist schlicht Irrsinn."
Anthony Cordesman vom Center for Strategic and International Studies (CSIS) warnt ebenfalls vor Illusionen. In einer Analyse des Afghanistan-Kriegs zählt er Dutzende von Punkten auf, die den US-Einsatz erleichtert haben - von der fehlenden Flugabwehr bis zum Hass der Bevölkerung auf die Taliban. Afghanistan, so sein Fazit, war eine Ausnahme - nicht die neue Regel.
Militärs halten vor allem die Luftabwehr Iraks für eine Gefahr. Während die US-Bomber über Afghanistan schon nach wenigen Tagen stundenlang ungestört kreisen und auf Zielinformationen warten konnten, wären sie am Golf irakischem Beschuss ausgesetzt. "Wir wissen, was Irak hat und wie wir es ausschalten könnten", sagt General Gregory Martin, Kommandeur der US-Luftstreitkräfte in Europa. "Aber ich will die Gefahren nicht herunterspielen, weil (die irakische Abwehr) sehr mobil und effektiv ist."
Trotzdem gehen die meisten Beobachter derzeit davon aus, dass die USA einen Militärschlag gegen Irak wagen werden. "Ob und Wann sind geklärt: Ja und in diesem Jahr", sagt Pike zur Stimmungslage in den USA. "Offen ist nur noch das Wie."
Vier denkbare Szenarien
Pike sieht vier denkbare Szenarien, die jeweils eine weitere Eskalationsstufe darstellen und zum Teil parallel laufen könnten. Nummer eins wäre danach die Unterstützung von Aufständen der im Irakischen Nationalkongress (INK) zusammengeschlossenen irakischen Opposition.
Dem Standardwerk "Jane’s World Armies" zufolge verfügen drei INK-Gruppen über nennenswerte Truppen: zwei - verfeindete - Kurdenorganisationen im Norden sowie eine Schiitengruppe im Süden. Die USA könnten sie trainieren, bewaffnen und gegen Bagdad schicken. Parallel dazu könnte - so Szenario zwei - der US-Geheimdienst CIA wie in Afghanistan verdeckte Operationen in Irak beginnen. Dazu könnten Sabotageakte, Angriffe auf Nachschublinien oder Anschläge auf den Diktator Saddam Hussein gehören.
Von Kuwait nach Bagdad
Pike hält jedoch Szenario drei für das wahrscheinlichste: Demnach würden die USA irgendwann im Herbst rund 50.000 Soldaten nach Kuwait verlegen und von dort mit drei Elitedivisionen in wenigen Tagen bis Bagdad vorstoßen. "Die Hoffnung ist, dass die Irakis aufgeben, sobald die US-Armee am Stadtrand auftaucht", so Pike.
Ob das realistisch ist, kann derzeit niemand sagen. Irak hat rund 360.000 Mann unter Waffen, davon sind aber etwa 250.000 Reservisten und Wehrpflichtige. Offen ist, wie kampftüchtig sie sind. "Die irakische Armee hat die Tendenz zu kollabieren", so Pike. "Zudem würde sie in dem Moment, in dem sie sich zum Kampf stellt, von der Luftwaffe der USA zusammengeschossen werden." Von Szenario drei gibt es jedoch eine pessimistische Version: Danach kommen die US-Truppen schnell bis Bagdad, müssen die Stadt aber Haus für Haus erobern. "Bagdad ist riesig", sagt Pike. "Vom West- bis an den Ostrand zu kommen, kann lange dauern. Der Kampf der Russen in Grosny wäre im Vergleich dazu ein Spaziergang im Park."
Horror vor Chemiewaffen
Eine Horrorversion wäre aber ein irakischer Gegenangriff mit Bio- oder Chemiewaffen, entweder auf die US-Truppen oder auf Israel. Pike hält zumindest einen Angriff auf die Amerikaner für "sicher". "Sobald Saddam sieht, dass es um sein Überleben geht, fällt die Hürde, die ihn vom Einsatz von Massenvernichtungswaffen abhält", warnt auch ein anderer Militärexperte. "Zudem könnte er durch den Angriff auf Israel den Krieg ausweiten, wie er es schon 1991 versucht hat." Von Israel droht dann jedoch ein nuklearer Gegenschlag.
In Szenario vier würde die US-Armee eine massive Invasion in Irak starten: mit 200.000 Mann, die von Kuwait aus langsam in Richtung Bagdad marschieren und dabei die irakische Armee vernichten. Während Szenario drei etwa drei bis vier Wochen Vorlaufzeit bräuchte, wären bei Szenario vier mehrere Monate für die Stationierung nötig.
Alle vier Pläne würden außerdem heftige US-Luftangriffe einschließen, vor allem gegen die irakische Luftabwehr. Sie könnten von Flugzeugträgern geflogen werden, aus den USA selbst oder von Basen in der Region, wenn Amerika Verbündete findet. Den Kriegsbeginn datiert Pike auf den Herbst. Dann sei es so kühl, dass die US-Soldaten sich in ihren Chemie-Schutzanzügen in der Wüste bewegen könnten.