Aus der FTD vom 20.2.2002
France Telecom sucht das Weite
Von Jo Johnson, Paris, und René Gribnitz, Hamburg
Der Streit zwischen dem Mobilfunkunternehmen Mobilcom und seinem Großaktionär France Telecom wächst sich zur Schlammschlacht aus und droht Mobilcom ins Verderben zu reißen.
France Telecom hat den Mobilcom-Aufsichtsrat am Dienstag aufgefordert, die Beteiligung von Sybille Schmid, der Ehefrau des Vorstandschefs und Firmengründers Gerhard Schmid, an dem Unternehmen zu untersuchen und zugleich Schmids Geschäftsführung zu prüfen. Sybille Schmid hält seit wenigen Wochen fünf Prozent der Mobilcom-Anteile. Ihr Ehemann, der 42 Prozent besitzt, hatte sie und den verbündeten US-Investor Guy Wyser-Pratte dazu eingespannt, an der Börse Aktienpakete zu kaufen. So sollte verhindert werden, das France Telecom die derzeit billigen Mobilcom-Aktien aufkauft, und die Macht über das Unternehmen gewinnt. Über Wochen hatte Schmid darüber geschwiegen, dass es sich bei dem neuen Großaktionär um seine Frau handelt. Er sprach von einem Finanzinvestor, der die fünf Prozent erworben habe.
Dort setzt France Telecom offenbar den Hebel an. Der Konzern, der 1999 28,5 Prozent an Mobilcom erworben hat, will die ungeliebte und teure Beteiligung wieder loszuwerden. Sollte es bei dem Einstieg von Sybille Schmid oder in der Unternehmensführung ihres Ehemannes zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein, so die Hoffnung in Paris, wäre der Kaufvertrag von 1999 null und nichtig. France Telecom müsste dann auch nicht für die Milliardeninvestitionen der Mobilcom in die neue Mobilfunktechnik UMTS geradestehen.
Der Konzern hatte für eine Investitionssumme für den Aufbau der Netze in Höhe von 10 Mrd. Euro garantiert, die Schmid gegen den Willen der Franzosen auch ausgeben will. France-Telecom-Chef Michel Bon hat Schmid ultimativ aufgefordert, die Investitionen auf wenige hundert Mio. Euro zu begrenzen.
Kein Kompromiss in Sicht
Ein Kompromiss scheint vorerst nicht in Sicht, zumal am Montag der von France Telecom kommende Business-Development-Manager bei Mobilcom ohne nähere Begründung mit sofortiger Wirkung das Unternehmen verlassen hat. Ein Mobilcom-Sprecher sagte, Vianney Hennes sei möglicherweise wegen des Streits in die Zentrale von France Telecom zurückgerufen worden. Im Paris ist zu hören, Hennes sei über die Mobilcom-Pläne nicht korrekt informiert gewesen.
Das Ausstiegsszenario der Franzosen bedeutete nicht nur das Ende der ehrgeizigen UMTS-Pläne Schmid, sondern droht auch, die Existenz des hochverschuldeten Unternehmens zu gefährden. Seit der Streit um die UMTS-Investitionen in der vergangenen Woche eskaliert ist, hat Mobilcom zudem an der Börse fast 20 Prozent seines Wertes verloren. Am Dienstag fiel der Kurs um 11 Prozent auf 15,23 Euro.
Bislang waren Beobachter davon ausgegangen, dass eine streitmüde France Telecom versuchen wird, Schmid auszukaufen. Die Franzosen haben mit dem Kauf ihres Anteils die Option erworben, die Mehrheit bei Mobilcom zu übernehmen - allerdings erst 2003. Aber auch Schmid hält eine Option, mit der er France Telecom bei fundamentalen Gegensätzen
über die Zusammenarbeit zur Übernahme einer Aktienmehrheit zwingen kann. In der Vergangenheit hatte ein Sprecher der Verkaufsoption nur eine geringe Bedeutung zugemessen. Im Regelfall könne Schmid France Telecom nicht zur Übernahme der Anteile zwingen, Ausnahme sei geschäftsschädigendes Verhalten des Partners.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag berichtete, müssten die Franzosen dann allerdings Mobilcom einschließlich Schulden für fünf bis sechs Mrd. Euro übernehmen. "Das maximale Risiko (bei einer Konsolidierung von Mobilcom in der Bilanz von France Telecom)liegt zwischen fünf und sechs Mrd. Euro", zitiert Reuters informierte Kreisen. "Aber soweit sind wir noch nicht", verlautete weiter. Die zur Umschuldung anstehenden Verbindlichkeiten von Mobilcom beliefen sich auf 4,7 Mio. Euro, der Rest müsse für die Übernahme der Aktienmehrheit zu einem fairen Wert und für ausstehende Investitionen aufgewendet werden. France Telecom hat Verbindlichkeiten in Höhe von rund 65 Mrd. Euro. Die Ratingagentur Standard & Poor's hat Anfang Februar bereits gewarnt, das Engagement von France Telecom bei Mobilcom stelle ein Risiko für die Unternehmensbonität dar.
© 2002 Financial Times Deutschland