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Eine „Rundmail an alle“ reicht nicht
Von Lars Reppesgaard
Manager unterschätzen, dass der Faktor Mensch bei einer Firmenhochzeit erfolgsentscheidend ist. Die Verunsicherung der Mitarbeiter kann den Erfolg ihres Vorhabens gefährden: Sie können jede Veränderung als Bedrohung empfinden – und gar sabotieren.
Im Hotelzimmer erfuhr Peter Hesse von der größten Fusion in der Geschichte seines Unternehmens. Der Manager in der Personalabteilung von Hewlett Packard (HP) Deutschland las im Laufband eines Nachrichtensenders, dass sein Arbeitgeber den Konkurrenten Compaq übernehme. „Mir war klar, dass in diesem Moment eine völlig neue Firma entsteht“, erinnert er sich. Kalt erwischte die Nachricht im Herbst vor sechs Jahren die 80 000 HP-Mitarbeiter und die 60 000 Angestellten von Compaq. „Es ist normal, dass die Leute erst einmal verunsichert sind. Aber man muss dann möglichst schnell Verunsicherung aus der Belegschaft rausbringen“, so die Erfahrung von Fusionsprofi Hesse. Er ist als so genannter Transition-Manager für alle Personalverschiebungen bei Fusionen und Übernahmen zuständig.
Die Situation ist typisch: Wenn Manager Fusionen planen, ist ihnen oft unklar, wie sehr die Verunsicherung der Mitarbeiter den Erfolg ihres Vorhabens gefährdet. Veränderung verbinden viele Menschen zunächst mit Negativem – nicht aus Misstrauen, sondern oft aus eigener leidvoller Erfahrung. Auch nach der Hochzeit von HP und Compaq sollten Stellen wegfallen. Und wenn erfahrene Führungskräfte wie bei Bayer und Übernahmekandidat Schering in Auswahlverfahren gegeneinander antreten sollen, löst das bei den Betroffenen und ihren Abteilungen wenig Begeisterung aus. Mag die Unternehmenssicht noch so sinnvoll sein.
Die entscheidende Frage ist: Gelingt es dem Top-Management durch Aufklärung und Motivation bis runter zur Teamebene, die Chancen einer solchen Fusion für jeden Einzelnen aufzuzeigen? Eine Ansprache oder Rundmail „an alle Mitarbeiter“ reicht nicht aus und kann viel Porzellan zerschlagen. Verunsicherte Mitarbeiter können jede Veränderung als Bedrohung empfinden und gar sabotieren. Viele Firmenehen sind daran gescheitert.
HP setzte nach der öffentlichen Bekanntgabe der Compaq-Übernahme, zu der es als börsennotiertes Unternehmen verpflichtet war, auf möglichst rasche und offene Kommunikation. Web-Konferenzen waren ein erstes Mittel. Dabei beantworten Top-Manager Fragen von Mitarbeitern rund um die Welt. Vor Ort ist dann der Kontakt von Mensch zu Mensch unabdingbar. „Das regionale Management muss sich persönlich blicken lassen“, betont Hesse. „Und dann müssen wir vor versammelter Mannschaft glaubwürdig unsere Ziele bei dem Kauf erklären. Welche Chancen bietet er? Welche unangenehmen Folgen wie etwa Jobverluste sind zu erwarten? Wichtig ist, dass die Mitarbeiter merken, dass man berechenbar bleibt.“
Viel zu selten fragen sich Entscheider im Vorfeld auch: Können die Belegschaften, die Teams bilden sollen, überhaupt miteinander? Prallen sehr unterschiedliche Firmenkulturen aufeinander, sind diese nur mit großer Anstrengung unter einen Hut zu bringen. Noch komplizierter wird es bei kulturübergreifenden Fusionen wie bei Daimler und Chrysler oder den Stahlgiganten Arcelor aus Luxemburg und der indischen Mittal Steel. Die Kulturunterschiede blendet so mancher welterfahrene Jet-Set-Manager allzu gern aus. „Viele Firmenlenker erwarten, dass sich die Teams automatisch gut verstehen“, kritisiert Sabine Gangloff, verantwortlich für Fusionen und Übernahmen bei der Managementberatung Hewitt Associates. „Sie denken, alle sind Profis, und halten die Dinge, die eine Firmenkultur ausmachen, für weniger entscheidend.“
Die unterschiedliche Kultur aber ist oft der Grund, warum Kunden anders angesprochen, Vertriebsbereiche anders aufgeteilt, Konflikte anders gelöst oder Projekte anders geplant werden. Eben weil es um elementarste Grundsätze der Arbeit geht, braucht es oft Jahre, bis die Einheiten ein neues harmonisches Ganzes ergeben. Bei HP und Compaq dauerte dies drei Jahre, bei Karstadt-Quelle erklärte Vorstandschef Thomas Middelhoff vor zwei Jahren ernüchtert: „Die Fusion von Karstadt und Quelle ist bis heute nicht vollzogen.“ Die Übernahme geschah vor sechs Jahren.
Wie sehr Top-Manager den Faktor Mensch bei Firmenhochzeiten unterschätzen, zeigt eine Untersuchung von 58 internationalen Großunternehmen durch Hewitt, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Zwar identifizieren fast drei Viertel der Firmen vorab Spitzenkräfte bei sich und dem Partner, deren Weggang sie sich nicht leisten können. Ansonsten aber sind vor allem Zahlen für die Manager interessant: So prüfen drei von vier Managern vorab Risiken im Personalbereich. Doch darunter verstehen sie meist künftige Lohnsteigerungen und Pensionsverpflichtungen. Doch das ist zu wenig, warnt Gangloff. „In die Berechnungen sollten auch mögliche Integrationshemmnisse einfließen.“ Wie lange wird es dauern, bis Teams reibungslos zusammenarbeiten? Wie unterschiedlich sind Bewertungs- und Beförderungskriterien? Und vor allem: Wie viele Abgänge von Spitzenleuten kann sich die Firma leisten, bevor aus der Fusion ein Flop wird?
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sac .....))
Eine „Rundmail an alle“ reicht nicht
Von Lars Reppesgaard
Manager unterschätzen, dass der Faktor Mensch bei einer Firmenhochzeit erfolgsentscheidend ist. Die Verunsicherung der Mitarbeiter kann den Erfolg ihres Vorhabens gefährden: Sie können jede Veränderung als Bedrohung empfinden – und gar sabotieren.
Im Hotelzimmer erfuhr Peter Hesse von der größten Fusion in der Geschichte seines Unternehmens. Der Manager in der Personalabteilung von Hewlett Packard (HP) Deutschland las im Laufband eines Nachrichtensenders, dass sein Arbeitgeber den Konkurrenten Compaq übernehme. „Mir war klar, dass in diesem Moment eine völlig neue Firma entsteht“, erinnert er sich. Kalt erwischte die Nachricht im Herbst vor sechs Jahren die 80 000 HP-Mitarbeiter und die 60 000 Angestellten von Compaq. „Es ist normal, dass die Leute erst einmal verunsichert sind. Aber man muss dann möglichst schnell Verunsicherung aus der Belegschaft rausbringen“, so die Erfahrung von Fusionsprofi Hesse. Er ist als so genannter Transition-Manager für alle Personalverschiebungen bei Fusionen und Übernahmen zuständig.
Die Situation ist typisch: Wenn Manager Fusionen planen, ist ihnen oft unklar, wie sehr die Verunsicherung der Mitarbeiter den Erfolg ihres Vorhabens gefährdet. Veränderung verbinden viele Menschen zunächst mit Negativem – nicht aus Misstrauen, sondern oft aus eigener leidvoller Erfahrung. Auch nach der Hochzeit von HP und Compaq sollten Stellen wegfallen. Und wenn erfahrene Führungskräfte wie bei Bayer und Übernahmekandidat Schering in Auswahlverfahren gegeneinander antreten sollen, löst das bei den Betroffenen und ihren Abteilungen wenig Begeisterung aus. Mag die Unternehmenssicht noch so sinnvoll sein.
Die entscheidende Frage ist: Gelingt es dem Top-Management durch Aufklärung und Motivation bis runter zur Teamebene, die Chancen einer solchen Fusion für jeden Einzelnen aufzuzeigen? Eine Ansprache oder Rundmail „an alle Mitarbeiter“ reicht nicht aus und kann viel Porzellan zerschlagen. Verunsicherte Mitarbeiter können jede Veränderung als Bedrohung empfinden und gar sabotieren. Viele Firmenehen sind daran gescheitert.
HP setzte nach der öffentlichen Bekanntgabe der Compaq-Übernahme, zu der es als börsennotiertes Unternehmen verpflichtet war, auf möglichst rasche und offene Kommunikation. Web-Konferenzen waren ein erstes Mittel. Dabei beantworten Top-Manager Fragen von Mitarbeitern rund um die Welt. Vor Ort ist dann der Kontakt von Mensch zu Mensch unabdingbar. „Das regionale Management muss sich persönlich blicken lassen“, betont Hesse. „Und dann müssen wir vor versammelter Mannschaft glaubwürdig unsere Ziele bei dem Kauf erklären. Welche Chancen bietet er? Welche unangenehmen Folgen wie etwa Jobverluste sind zu erwarten? Wichtig ist, dass die Mitarbeiter merken, dass man berechenbar bleibt.“
Viel zu selten fragen sich Entscheider im Vorfeld auch: Können die Belegschaften, die Teams bilden sollen, überhaupt miteinander? Prallen sehr unterschiedliche Firmenkulturen aufeinander, sind diese nur mit großer Anstrengung unter einen Hut zu bringen. Noch komplizierter wird es bei kulturübergreifenden Fusionen wie bei Daimler und Chrysler oder den Stahlgiganten Arcelor aus Luxemburg und der indischen Mittal Steel. Die Kulturunterschiede blendet so mancher welterfahrene Jet-Set-Manager allzu gern aus. „Viele Firmenlenker erwarten, dass sich die Teams automatisch gut verstehen“, kritisiert Sabine Gangloff, verantwortlich für Fusionen und Übernahmen bei der Managementberatung Hewitt Associates. „Sie denken, alle sind Profis, und halten die Dinge, die eine Firmenkultur ausmachen, für weniger entscheidend.“
Die unterschiedliche Kultur aber ist oft der Grund, warum Kunden anders angesprochen, Vertriebsbereiche anders aufgeteilt, Konflikte anders gelöst oder Projekte anders geplant werden. Eben weil es um elementarste Grundsätze der Arbeit geht, braucht es oft Jahre, bis die Einheiten ein neues harmonisches Ganzes ergeben. Bei HP und Compaq dauerte dies drei Jahre, bei Karstadt-Quelle erklärte Vorstandschef Thomas Middelhoff vor zwei Jahren ernüchtert: „Die Fusion von Karstadt und Quelle ist bis heute nicht vollzogen.“ Die Übernahme geschah vor sechs Jahren.
Wie sehr Top-Manager den Faktor Mensch bei Firmenhochzeiten unterschätzen, zeigt eine Untersuchung von 58 internationalen Großunternehmen durch Hewitt, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt. Zwar identifizieren fast drei Viertel der Firmen vorab Spitzenkräfte bei sich und dem Partner, deren Weggang sie sich nicht leisten können. Ansonsten aber sind vor allem Zahlen für die Manager interessant: So prüfen drei von vier Managern vorab Risiken im Personalbereich. Doch darunter verstehen sie meist künftige Lohnsteigerungen und Pensionsverpflichtungen. Doch das ist zu wenig, warnt Gangloff. „In die Berechnungen sollten auch mögliche Integrationshemmnisse einfließen.“ Wie lange wird es dauern, bis Teams reibungslos zusammenarbeiten? Wie unterschiedlich sind Bewertungs- und Beförderungskriterien? Und vor allem: Wie viele Abgänge von Spitzenleuten kann sich die Firma leisten, bevor aus der Fusion ein Flop wird?
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