ComputerPartner Nr. 32 vom 15.08.2002
EX-VORZEIGEUNTERNEHMEN KÄMPFT AN ALLEN FRONTEN
Lintec-Chef Lindemeyer: mit dem Rücken zur Wand
Die Negativmeldungen über die Lintec AG nehmen existenzgefährdende Ausmaße an. Doch Vorstand Hans Dieter Lindemeyer ist noch immer davon überzeugt, dass sein Unternehmen nicht scheitern wird. Dieser Ansicht wollen nicht alle folgen. Zu lange habe Lindemeyer zu wenig für das einstige sächsische Vorzeigeunternehmen getan, so der Hauptvorwurf von Insidern.
Als Hans-Dieter Lindemeyer 1990 den Lintec-Vorgänger Soft- & Hardware Lindemeyer gründete, war der Aufbruch Ost in aller Munde. Märchenhafte Kredite und Fördermittel wurden gewährt, und wer Bescheid wusste oder sich schlau machte, konnte aus diesen Geldtöpfen nahezu beliebig schöpfen. Alsbald entstanden auch im Leipziger Gewerbevorort Taucha Bürogebäude modernsten Zuschnitts. Das nötige Personal konnte ebenso mithilfe von Zuschüssen des Landes Sachsen bezahlt werden - "bis zu 90 Prozent der Löhne", wie ein Kenner versichert.
Hinzu kamen die unerlässlichen Kontakte - für einen ehemaligen VEB-Mann wie Lindemeyer kein allzu großes Problem. Seine Firma, die sich vorrangig auf PC-Assemb-lierung und Distribution verlegt hatte, wuchs - obwohl Lindemeyer eigentlich von Softwareprogrammierung träumte.
Und als der PC-Boom auch die weiteren 90er-Jahre bestimmte, war schnell und einstimmig von dem sächsischen Erfolgsmodell Lintec die Rede. Was zumindest die Bautätigkeit der 1998 in Lintec AG umbenannten Firma belegte: In Taucha entstand ein repräsentativer Firmensitz, Fabrikationshallen kamen hinzu, und schließlich wurde die heute leer stehende Europa-zentrale von Lintec angebaut. Zugleich stieg die Zahl der Mitarbeiter beträchtlich. 112 waren es im Jahr 1996, 182 im Jahr 1998, 488 im Jahr 1999 und schließlich 637 im Jahr 2000.
Doch während die Zahlen anschwollen und man sich bei Lintec, zumindest der Prognose nach, als baldige Milliarden-Company wähnte, zogen dunkle Wolken über Taucha auf. Zwar hatte der Börsengang 1998 rund 15 Millionen Euro in die Kassen der Sachsen gespült, doch diese waren schnell wieder ausgegeben.
Weder die Akquisitionen - Multimedia-Broker Batavia, Internet-Dienstleister Pixelnet plus Photo Porst, Notebook-Händler RFI oder die Venture-Capital-Firma MVG mit ihren Beteiligungen - spielten das Geld ein, das man in Taucha "nach acht Jahren des knappen Geldes, der dünnen Personaldecke und kurzfristiger Investitionen" (Lindemeyer) so gerne gehalten hätte, noch versprach das Geschäftsmodell, PC-, Server- und Notebook-Assemblierung sowie Distribution - anhaltenden Erfolg. Der Preiskrieg war nun auch nach Taucha gekommen.
Eine Zeit lang spielte Lindemeyer noch auf der Klaviatur der Zuschüsse: Es entstand unter anderem die bezuschusste Idee eines Senioren-PCs, es wurden durch Konsolidierung weitere Arbeitsplätze geschaffen. Doch klar war, wie Lindemeyer heute sagt: Würde die Lintec nicht auf Dienstleistung umstellen und die Erwerbungen das werden, was sie werden sollten, würde der Leipziger Stern wieder verglühen.
Missmanagement durch wen?
So sollte sich Pixelnet zu einer Art "Dell des Internet-Fotodienstes" (Lindemeyer) entwickeln. "Die Großen wie Kodak und Fujitsu kümmerten sich nicht um diesen Markt", meint der Lintec-Chef. Doch um die Entwicklung dieses Geschäftes bemühte sich der Vorstand nicht in der Weise, wie Lindemeyer das gerne gehabt hätte. "Er hat nicht umgesetzt, was Lintec vorgab", sagt Lindemeyer gegenüber ComputerPartner. So muss-te der Börsengang, angesetzt für Juni 2000, verschoben und schließlich abgesagt werden; Ende 2001 wurde Pixelnet auf eine reine Finanzbeteiligung zurückgestuft. Allenfalls der Verkauf von gut 4 der 5,1 Millionen Aktien, die Lintec hielt und dem Unternehmen rund 28 Millionen Euro einbrachte, war noch interessant.
Mit Pixelnet wurde auch die Tochter Photo Porst verabschiedet. Auch sie war angetreten, um im Markt für digitale Photoentwicklung zu triumphieren. Doch nachdem "deren Geschäftsleitung nicht rechtzeitig erkannt hatte, dass man normal wirtschaften muss" (Lindemeyer), wurde sie verabschiedet. Und mit ihr insgesamt 1.900 Mitarbeiter.
Eine ähnliche Entwicklung trifft für die Multimedia-Tochter Batavia zu. Sie war ins Lintec-Reich geholt worden, um neben der klassischen Distribution von PC-Peripherie als Broker für weiße und braune Ware bundesweit für Furore zu sorgen. "Der Vertrieb von Schnäppchen-ware an Großflächenvermarkter" (Lindemayer) und an die hauseigene BTO-PC-Fertigung wurde zu ihrem Zweck. Auch Batavia sollte an die Börse. Doch nachdem auch hier der "Vorstand zu spät erkannt hatte, dass dieses Geschäftsmodell überholt war", so der Lintec-Vorstand, platzten Beteiligung und der Börsengang. Die Vorstände muss-ten gehen, und wenn Lindemeyer bis heute mit einer Klage gegen die Vorstände und den damaligen Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen zögert, liegt das nach Ansicht eines Firmenkenners daran, dass Lindemeyer selbst die volle Kont-rolle und Durchgriffsmöglichkeit gehabt hätte. "Doch das operative Geschäft hat den Vorstand nicht interessiert", so der anonym bleiben wollende Unternehmenskenner.
Heute, nach dem Shack-out der Vorstände, soll Batavia wie eine "kleine Medion" agieren, als "Marketing-Dienstleister für die Indus-trie", hofft Lindemeyer. Und mit ihm hoffen die 20 verbliebenen Mitarbeiter.
Dass schließlich auch die bis vor einem halben Jahr in den höchsten Tönen gelobte Mönchengladbacher Notebook-Tochter RFI die Not-bremse ziehen musste und sich nach und nach aus dem margenschwachen, dafür lagerintensiven Distributionsgeschäft zurückziehen muss, ist laut Lindemeyer zumindest auch ein Fehler der Geschäftsleitung um Walter Daguhn. "Auf der einen Seite haben wir mit unseren Bluetooth-Produkten ein Fanal gesetzt, wie man eine Lösung vermarkten kann", sagt Lindemeyer mit Hinweis auf den Tiefkühlessen-Vermarkter Bofrost. "Auf der anderen Seite haben wir Geld verloren. Unsere Erträge lagen meilenweit hinter der Planung."
Jetzt, mit 53 statt 123 Mitarbeitern, soll RFI die Eigenmarke mit Lösungen vermarkten. "Wir stehen in konkreten Verhandlungen mit einigen Dienstleistern", wirbt der Lintec-Vorstand. Dennoch setzte Lintec den RFI-Vorständen Daguhn und Steffen Schweitzer einen neuen Vorstandsvorsitzenden vor die Nase (siehe Kasten). Denn Lindemeyer sieht sich auch in diesem Fall getäuscht.
Das scheint überhaupt ein Problem der Lintec AG und ihrer Töchter zu sein. Es gibt zwar Pläne - gemäß dem Motto: "Schnell und zügig eine Position aufbauen und dann entwickeln" (Lindemeyer) - doch wenig Ausführung. "Man braucht die lokale Nähe und den Kontakt zu den Mitarbeitern", findet Lindemeyer heute.
Doch dass er mit dieser Meinung nicht bei allen Mitarbeitern auf warmherzige Bestätigung stößt, ist offensichtlich.
Denn die Vorwürfe, die der Lintec-Vorstand sich von Unternehmensinsidern gefallen lassen muss, reichen von "Er kann nicht delegieren" über "Ein-Mann-Unternehmen mit Statisten" bis hin zu "Was ihn interessierte, war, an der Börse ein großes Rad zu drehen".
Diese Vorwürfe treffen den ehemals aktiven Schach- und Skatspieler und heutigen Rennpferde- und Wettbüro-Besitzer bis ins Mark. Er sei kein Spieler, wie ihm vorgeworfen wird, sondern ein "Stratege".
Das zeige zum Beispiel die Idee, zielgruppenspezifische PCs anzubieten. Natürlich sei das eine Nische, doch eine, deren Zukunft noch bevorstehe. Ebenso das von der Softwaretochter Apoll entwickelte "Immobilien-Risk-Management"-Tool. "Der Markt ist da; das Produkt ist da", jetzt warte er nur noch auf die EU-weite Umsetzung der Basel-II-Bestimmungen. Dann müssten Banken das Tool verwenden, um verbindliche Bestimmungen, unter anderem über ihr Ei-genkapital und den damit verbundenen Kreditrisiken und -absicherungen handhaben zu können. Und wenn die Bestimmungen erst nach 2005 umgesetzt werden? Dann müsse Apoll so lange warten.
Es gehe also mit der Lintec weiter - trotz aller Einbrüche und Abhängigkeiten von Banken, vom Markt und von der Glaubwürdigkeit gegenüber den Kunden?
"Eigentlich ist schon alles geschehen, was nötig war, um Lintec aus der Krise zu bringen", sagt Lindemeyer nach längerem Nachdenken. "Wir haben heute mehr Kapital, mehr Kunden und mehr Know-how."
Bei dieser Antwort wirkt er wie einer, der weiß, dass er viel riskiert und fast alles verloren hat.
www.lintec.de
ComputerPartner-Meinung:
Das Erfolgsmodell Lintec AG ist kurz vor dem Zusammenbruch. Nicht nur, weil die AG keine ihrer Prognosen erfüllen kann und mit fast leeren Händen dasteht, sondern weil offensichtlich die Person Lindemeyer ohne nennenswerte Fortune agiert. Doch da die Lintec ohne ihren Gründer nicht denkbar ist, wäre auch ein Rückzug Lindemeyers keine Lösung. So muss der lange vom Erfolg und den Besonderheiten des "Aufbau Ost" verwöhnte Vorstand jetzt zusehen, dass er rettet, was noch zu retten ist. Was er derzeit bieten kann, ist eine Reihe von Geschäftsideen, die noch keinen genügend großen Markt haben. Ob ihm die Banken angesichts dieser Perspektiven helfen werden, ist sehr fraglich. Doch es wäre - auch für die von Arbeitslosigkeit deutlich gekennzeichnete Region Leipzig - die einzige Lösung. Der Markt aber, in dem die Lintec derzeit agiert, wird es bestimmt nicht tun. Dazu ist er zu schwach. (wl)
Lintec-Tochter RFI
Vorstand wurde aufgestockt
Mitte Juli wurde Thomas Goletz von der RFI-Mutter Lintec AG als Vorstandsvorsitzender der RFI AG in Mönchengladbach eingesetzt. Die beiden bisherigen Vorstände, Walter Daguhn und Steffen Schweitzer, bleiben nach wie vor in ihren Positionen. Goletz ist darüber hinaus COO (Chief Financial Officer) bei der Lintec AG und bekleidet außerdem das Amt des Vorstandes bei der Batavia AG. "In der derzeitigen Situation sind wir froh, mit Herrn Goletz einen Mann mit konzernübergreifendem Know-how in unserem Unternehmen zu haben", kommentiert Daguhn den Einstieg von Goletz. (bw)
www.rfi.de
Viele Grüße
aus dem Ruhrpott
EX-VORZEIGEUNTERNEHMEN KÄMPFT AN ALLEN FRONTEN
Lintec-Chef Lindemeyer: mit dem Rücken zur Wand
Die Negativmeldungen über die Lintec AG nehmen existenzgefährdende Ausmaße an. Doch Vorstand Hans Dieter Lindemeyer ist noch immer davon überzeugt, dass sein Unternehmen nicht scheitern wird. Dieser Ansicht wollen nicht alle folgen. Zu lange habe Lindemeyer zu wenig für das einstige sächsische Vorzeigeunternehmen getan, so der Hauptvorwurf von Insidern.
Als Hans-Dieter Lindemeyer 1990 den Lintec-Vorgänger Soft- & Hardware Lindemeyer gründete, war der Aufbruch Ost in aller Munde. Märchenhafte Kredite und Fördermittel wurden gewährt, und wer Bescheid wusste oder sich schlau machte, konnte aus diesen Geldtöpfen nahezu beliebig schöpfen. Alsbald entstanden auch im Leipziger Gewerbevorort Taucha Bürogebäude modernsten Zuschnitts. Das nötige Personal konnte ebenso mithilfe von Zuschüssen des Landes Sachsen bezahlt werden - "bis zu 90 Prozent der Löhne", wie ein Kenner versichert.
Hinzu kamen die unerlässlichen Kontakte - für einen ehemaligen VEB-Mann wie Lindemeyer kein allzu großes Problem. Seine Firma, die sich vorrangig auf PC-Assemb-lierung und Distribution verlegt hatte, wuchs - obwohl Lindemeyer eigentlich von Softwareprogrammierung träumte.
Und als der PC-Boom auch die weiteren 90er-Jahre bestimmte, war schnell und einstimmig von dem sächsischen Erfolgsmodell Lintec die Rede. Was zumindest die Bautätigkeit der 1998 in Lintec AG umbenannten Firma belegte: In Taucha entstand ein repräsentativer Firmensitz, Fabrikationshallen kamen hinzu, und schließlich wurde die heute leer stehende Europa-zentrale von Lintec angebaut. Zugleich stieg die Zahl der Mitarbeiter beträchtlich. 112 waren es im Jahr 1996, 182 im Jahr 1998, 488 im Jahr 1999 und schließlich 637 im Jahr 2000.
Doch während die Zahlen anschwollen und man sich bei Lintec, zumindest der Prognose nach, als baldige Milliarden-Company wähnte, zogen dunkle Wolken über Taucha auf. Zwar hatte der Börsengang 1998 rund 15 Millionen Euro in die Kassen der Sachsen gespült, doch diese waren schnell wieder ausgegeben.
Weder die Akquisitionen - Multimedia-Broker Batavia, Internet-Dienstleister Pixelnet plus Photo Porst, Notebook-Händler RFI oder die Venture-Capital-Firma MVG mit ihren Beteiligungen - spielten das Geld ein, das man in Taucha "nach acht Jahren des knappen Geldes, der dünnen Personaldecke und kurzfristiger Investitionen" (Lindemeyer) so gerne gehalten hätte, noch versprach das Geschäftsmodell, PC-, Server- und Notebook-Assemblierung sowie Distribution - anhaltenden Erfolg. Der Preiskrieg war nun auch nach Taucha gekommen.
Eine Zeit lang spielte Lindemeyer noch auf der Klaviatur der Zuschüsse: Es entstand unter anderem die bezuschusste Idee eines Senioren-PCs, es wurden durch Konsolidierung weitere Arbeitsplätze geschaffen. Doch klar war, wie Lindemeyer heute sagt: Würde die Lintec nicht auf Dienstleistung umstellen und die Erwerbungen das werden, was sie werden sollten, würde der Leipziger Stern wieder verglühen.
Missmanagement durch wen?
So sollte sich Pixelnet zu einer Art "Dell des Internet-Fotodienstes" (Lindemeyer) entwickeln. "Die Großen wie Kodak und Fujitsu kümmerten sich nicht um diesen Markt", meint der Lintec-Chef. Doch um die Entwicklung dieses Geschäftes bemühte sich der Vorstand nicht in der Weise, wie Lindemeyer das gerne gehabt hätte. "Er hat nicht umgesetzt, was Lintec vorgab", sagt Lindemeyer gegenüber ComputerPartner. So muss-te der Börsengang, angesetzt für Juni 2000, verschoben und schließlich abgesagt werden; Ende 2001 wurde Pixelnet auf eine reine Finanzbeteiligung zurückgestuft. Allenfalls der Verkauf von gut 4 der 5,1 Millionen Aktien, die Lintec hielt und dem Unternehmen rund 28 Millionen Euro einbrachte, war noch interessant.
Mit Pixelnet wurde auch die Tochter Photo Porst verabschiedet. Auch sie war angetreten, um im Markt für digitale Photoentwicklung zu triumphieren. Doch nachdem "deren Geschäftsleitung nicht rechtzeitig erkannt hatte, dass man normal wirtschaften muss" (Lindemeyer), wurde sie verabschiedet. Und mit ihr insgesamt 1.900 Mitarbeiter.
Eine ähnliche Entwicklung trifft für die Multimedia-Tochter Batavia zu. Sie war ins Lintec-Reich geholt worden, um neben der klassischen Distribution von PC-Peripherie als Broker für weiße und braune Ware bundesweit für Furore zu sorgen. "Der Vertrieb von Schnäppchen-ware an Großflächenvermarkter" (Lindemayer) und an die hauseigene BTO-PC-Fertigung wurde zu ihrem Zweck. Auch Batavia sollte an die Börse. Doch nachdem auch hier der "Vorstand zu spät erkannt hatte, dass dieses Geschäftsmodell überholt war", so der Lintec-Vorstand, platzten Beteiligung und der Börsengang. Die Vorstände muss-ten gehen, und wenn Lindemeyer bis heute mit einer Klage gegen die Vorstände und den damaligen Wirtschaftsprüfer Arthur Andersen zögert, liegt das nach Ansicht eines Firmenkenners daran, dass Lindemeyer selbst die volle Kont-rolle und Durchgriffsmöglichkeit gehabt hätte. "Doch das operative Geschäft hat den Vorstand nicht interessiert", so der anonym bleiben wollende Unternehmenskenner.
Heute, nach dem Shack-out der Vorstände, soll Batavia wie eine "kleine Medion" agieren, als "Marketing-Dienstleister für die Indus-trie", hofft Lindemeyer. Und mit ihm hoffen die 20 verbliebenen Mitarbeiter.
Dass schließlich auch die bis vor einem halben Jahr in den höchsten Tönen gelobte Mönchengladbacher Notebook-Tochter RFI die Not-bremse ziehen musste und sich nach und nach aus dem margenschwachen, dafür lagerintensiven Distributionsgeschäft zurückziehen muss, ist laut Lindemeyer zumindest auch ein Fehler der Geschäftsleitung um Walter Daguhn. "Auf der einen Seite haben wir mit unseren Bluetooth-Produkten ein Fanal gesetzt, wie man eine Lösung vermarkten kann", sagt Lindemeyer mit Hinweis auf den Tiefkühlessen-Vermarkter Bofrost. "Auf der anderen Seite haben wir Geld verloren. Unsere Erträge lagen meilenweit hinter der Planung."
Jetzt, mit 53 statt 123 Mitarbeitern, soll RFI die Eigenmarke mit Lösungen vermarkten. "Wir stehen in konkreten Verhandlungen mit einigen Dienstleistern", wirbt der Lintec-Vorstand. Dennoch setzte Lintec den RFI-Vorständen Daguhn und Steffen Schweitzer einen neuen Vorstandsvorsitzenden vor die Nase (siehe Kasten). Denn Lindemeyer sieht sich auch in diesem Fall getäuscht.
Das scheint überhaupt ein Problem der Lintec AG und ihrer Töchter zu sein. Es gibt zwar Pläne - gemäß dem Motto: "Schnell und zügig eine Position aufbauen und dann entwickeln" (Lindemeyer) - doch wenig Ausführung. "Man braucht die lokale Nähe und den Kontakt zu den Mitarbeitern", findet Lindemeyer heute.
Doch dass er mit dieser Meinung nicht bei allen Mitarbeitern auf warmherzige Bestätigung stößt, ist offensichtlich.
Denn die Vorwürfe, die der Lintec-Vorstand sich von Unternehmensinsidern gefallen lassen muss, reichen von "Er kann nicht delegieren" über "Ein-Mann-Unternehmen mit Statisten" bis hin zu "Was ihn interessierte, war, an der Börse ein großes Rad zu drehen".
Diese Vorwürfe treffen den ehemals aktiven Schach- und Skatspieler und heutigen Rennpferde- und Wettbüro-Besitzer bis ins Mark. Er sei kein Spieler, wie ihm vorgeworfen wird, sondern ein "Stratege".
Das zeige zum Beispiel die Idee, zielgruppenspezifische PCs anzubieten. Natürlich sei das eine Nische, doch eine, deren Zukunft noch bevorstehe. Ebenso das von der Softwaretochter Apoll entwickelte "Immobilien-Risk-Management"-Tool. "Der Markt ist da; das Produkt ist da", jetzt warte er nur noch auf die EU-weite Umsetzung der Basel-II-Bestimmungen. Dann müssten Banken das Tool verwenden, um verbindliche Bestimmungen, unter anderem über ihr Ei-genkapital und den damit verbundenen Kreditrisiken und -absicherungen handhaben zu können. Und wenn die Bestimmungen erst nach 2005 umgesetzt werden? Dann müsse Apoll so lange warten.
Es gehe also mit der Lintec weiter - trotz aller Einbrüche und Abhängigkeiten von Banken, vom Markt und von der Glaubwürdigkeit gegenüber den Kunden?
"Eigentlich ist schon alles geschehen, was nötig war, um Lintec aus der Krise zu bringen", sagt Lindemeyer nach längerem Nachdenken. "Wir haben heute mehr Kapital, mehr Kunden und mehr Know-how."
Bei dieser Antwort wirkt er wie einer, der weiß, dass er viel riskiert und fast alles verloren hat.
www.lintec.de
ComputerPartner-Meinung:
Das Erfolgsmodell Lintec AG ist kurz vor dem Zusammenbruch. Nicht nur, weil die AG keine ihrer Prognosen erfüllen kann und mit fast leeren Händen dasteht, sondern weil offensichtlich die Person Lindemeyer ohne nennenswerte Fortune agiert. Doch da die Lintec ohne ihren Gründer nicht denkbar ist, wäre auch ein Rückzug Lindemeyers keine Lösung. So muss der lange vom Erfolg und den Besonderheiten des "Aufbau Ost" verwöhnte Vorstand jetzt zusehen, dass er rettet, was noch zu retten ist. Was er derzeit bieten kann, ist eine Reihe von Geschäftsideen, die noch keinen genügend großen Markt haben. Ob ihm die Banken angesichts dieser Perspektiven helfen werden, ist sehr fraglich. Doch es wäre - auch für die von Arbeitslosigkeit deutlich gekennzeichnete Region Leipzig - die einzige Lösung. Der Markt aber, in dem die Lintec derzeit agiert, wird es bestimmt nicht tun. Dazu ist er zu schwach. (wl)
Lintec-Tochter RFI
Vorstand wurde aufgestockt
Mitte Juli wurde Thomas Goletz von der RFI-Mutter Lintec AG als Vorstandsvorsitzender der RFI AG in Mönchengladbach eingesetzt. Die beiden bisherigen Vorstände, Walter Daguhn und Steffen Schweitzer, bleiben nach wie vor in ihren Positionen. Goletz ist darüber hinaus COO (Chief Financial Officer) bei der Lintec AG und bekleidet außerdem das Amt des Vorstandes bei der Batavia AG. "In der derzeitigen Situation sind wir froh, mit Herrn Goletz einen Mann mit konzernübergreifendem Know-how in unserem Unternehmen zu haben", kommentiert Daguhn den Einstieg von Goletz. (bw)
www.rfi.de
Viele Grüße
aus dem Ruhrpott