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28.06.01 01:52

Bill Gates - Die Bestie taucht wieder auf


Von Tillmann Prüfer und Martin Virtel, Hamburg

Nachdem die Zerschlagung abgewendet scheint, präsentiert sich Microsoft-Chef Bill Gates stärker und selbstsicherer denn je. Doch wichtige strategische Ziele hat der weltgrößte Softwarekonzern bereits verfehlt.

Normalerweise ist 17.00 Uhr in Münchner Büros die Zeit, sich auf den Feierabend vorzubereiten, die Schreibtische aufzuräumen, und allenfalls noch zu telefonieren, um sich im Biergarten zu verabreden. Für die Mitarbeiter in der deutschen Microsoft-Zentrale in München wird es gegen 17.00 Uhr hingegen Zeit, einen verkniffenen Gesichtsausdruck aufzulegen. Denn jeden Moment könnte es Nachrichten aus Amerika geben und das Berufungsurteil im Kartell-Prozess gegen Microsoft bekannt werden. Dann steht fest, ob der Richterspruch der ersten Instanz Bestand hat und der weltgrößte Softwarekonzern in zwei Teile zerschlagen werden muss - oder nicht.

Microsoft-Chef Steve Ballmer dagegen sieht dem Urteil schier überschwänglich entspannt entgegen. In Konzernkreisen geht man davon aus, dass die Zerschlagung abgewendet werden kann. Der "Washington Post" gestand Ballmer offenherzig, es gebe "überhaupt keine Pläne" für den Fall, dass der Konzern aufgespalten werden müsse. Der Richterspruch sei im Grundsatz falsch - die Microsoft-Geschäftspraktiken hätten niemals gegen das Kartellrecht verstoßen.



Die Bestie


Microsoft, von den Zynikern des britischen Branchendienstes "The Register" beharrlich "Die Bestie aus Redmond" genannt, präsentiert sich selbstbewusster denn je. Die Titelseiten der US-Wirtschaftsmagazine übertrumpften einander in den vergangenen Wochen mit grinsenden Konterfeis des zum Unternehmerhelden avancierten Ex-Chefs Bill Gates: "Wie Microsoft stärker denn je wurde", lautete eine Schlagzeile. "Die Bestie ist zurück - Bill hat wieder Spaß. Haben Sie schon Angst?", eine andere.



Sicherer denn je?



Tatsächlich ist die Microsoft-Aktie nach ihrem Einbruch seit Jahresanfang um über 60 Prozent gestiegen - Bankanalysten zufolge ein Zeichen, dass auch die Investoren nicht mit einer Filetierung der Bestie rechnen. Gleichzeitig verloren die Technologiewerte Sun, EMC, Oracle und Cisco im Durchschnitt über 30 Prozent.


Das laufende Geschäft spült monatlich 1 Mrd. $ in die Kassen, wo sich schon ein Barbestand von 30 Mrd. $ angehäuft hat - mehr als bei jedem anderen Unternehmen. "Wir leisten bessere Arbeit denn je", lobt Gates seine Firma. Vieles davon sei unbeachtet geblieben, weil der Prozess die Nachrichten dominiert habe. Gates: "Wir werden eine wahre Welle von Innovationen auf den Markt bringen. Sie werden zeigen, dass wir am Beginn einer Ära jenseits des Internet-Zeitalters stehen." Oder, wie es Microsoft-Stratege David Vaskevitch ausdrückt: "Das Unternehmen erfindet sich gerade selbst neu - nennen wir es Microsoft 3.0."


Allerdings haben die Chronisten dieser Erfolgsstory ein Problem: Sie hat noch gar nicht richtig angefangen. Zwar begeistert der Konzern sich selbst mit immer euphorischeren Ankündigungen. Darüber hinaus ist aber nicht viel zu sehen.


Das neue Microsoft-Zeitalter soll mit einer Lawine von neuen Produkten über die Konsumentenwelt hereinbrechen. Vor wenigen Wochen wurde Office XP vorgestellt. Eine neue Version des Softwarebündels aus Textverarbeitung (Word), Tabellenkalkulation (Excel) und anderen Komponenten, das schon fast Standard in Unternehmen ist.



Wüstenvolk


So richtig losgehen mit "Microsoft 3.0" soll es im Oktober, wenn die Betriebssystem-Version Windows XP auf den Markt kommt. Schon wartet die PC-Industrie auf Windows XP wie ein Wüstenvolk auf Regen. Die Hersteller hoffen, dass die Leute sich stärkere PC kaufen werden, um die XP-Vorteile nutzen zu können. So käme die von Absatzproblemen in den USA gequälte Branche wenigstens an ihre Vorjahresumsätze heran.


Auch in bislang nicht erschlossene Marktsegmente will Microsoft vorstoßen. Das Betriebssystem Stinger soll auf Mobiltelefonen der dritten Generation laufen. Nebenbei soll die Spielkonsole Xbox den Videokonsolen-Herstellern Sony, Sega und Nintendo das Weihnachtsgeschäft vergrätzen. Selbst um den Zukunftsmarkt Breitband- und Web-TV bemüht sich der Software-Riese.


Dies alles ist Teil einer All-Informations-Strategie. Microsoft will mit seiner Software in sämtliche Lebensbereiche vordringen. "Wir wollen Informationen immer, überall, auf jedem Gerät verfügbar machen", hat Bill Gates als Ziel formuliert. Und zwar "online miteinander verknüpft".


Davon ist Microsoft jedoch noch weit entfernt. Denn überall, wo der Konzern neue Schritte wagt, tauchen neue Probleme auf.


- Bei Office XP und Windows XP kämpft Microsoft gegen einen mächtigen Konkurrenten: sich selbst. Bereits heute finden über die Hälfte der Office-Nutzer, dass eine alte Version des Programmpakets für ihre tägliche Arbeit vollkommen ausreicht. In der aufgerüsteten Fassung soll deshalb eine "Spracheingabe" zum Kauf reizen. Vorerst versteht Office XP allerdings nur Englisch. Für Windows XP wirbt Microsoft mit dem Argument, die künftige Variante arbeite noch stabiler als die aktuelle Version Windows 2000. Fraglich, ob das genügt, um die wichtigen Firmenkunden zu überzeugen. Nach Berechnungen des US-Marktforschungsunternehmens Giga Group soll schon Windows 2000 um 60 Prozent stabiler laufen als die Vorversion Windows NT. Dennoch läuft der Absatz bislang mäßig.


- Auch der Erfolg der Xbox lässt auf sich warten. Beim diesjährigen Game Critics Award, einem wichtigen Erfolgs-Indikator für die Branche, konnte die für Spieleprogrammierer bereits verfügbare Microsoft-Konsole in keiner der 16 Kategorien überzeugen. Steve Ballmer kann nur hoffen, dass die Konsumenten gnädiger sein werden als die Fachleute. Die Verluste der Konsolenherstellung sind hoch. Das Projekt rechnet sich nur, wenn sich genügend Spiele für das Gerät verkaufen lassen.


- Etwas weiter sind Microsofts Mobilfunk-Ambitionen gediehen. Gegenwärtig stecken sie aber fest. Nur zweitklassige Handy-Hersteller wie Sendo, Mitsubishi und Samsung konnten sich für das Betriebsystem Stinger erwärmen. Microsoft präsentierte diese Schlappe als eine besonders ausgeklügelte Strategie: Der Plan sei, Stinger an den wichtigen Herstellern Nokia, Motorola und Ericsson vorbei direkt mit Netzanbietern wie Vodafone zu vermarkten. Mittlerweile nimmt Ballmer wieder Abstand von dieser Idee. Nun möchte er Nokia überreden, doch mit Microsoft zusammenzuarbeiten.


- Geradezu katastrophal verläuft das Geschäft mit Software für den Kabel-TV-Betrieb, obwohl Microsoft hier Milliarden in Betreibergesellschaften investiert hat. Erst ein einziger Kunde konnte gewonnen werden: TV Cabo aus Portugal. Ein Unternehmen, an dem Microsoft selbst mit einem Prozent beteiligt ist. AT&T, größter US-Kabelbetreiber, hat das Warten auf Microsofts System Anfang Juni entnervt aufgegeben, nachdem Hunderttausende Decoder von Motorola über 18 Monate in den Lagerhallen verstaubt waren.


- Auf einem Schlachtfeld hat Microsoft schon fast aufgegeben: dem Handel mit Inhalten. "Wir hätten lieber die Finger davon lassen sollen", räumte Steve Ballmer kürzlich ein. Unter Buchstabenkürzeln wie MSNBC oder ZDFMSNBC wollte Microsoft selbst zum Medienunternehmen werden. Doch die Kooperationen verlaufen zögerlich. Vergebens wirbt der Konzern um die Gunst von Film- und Musikfirmen. Als pure Anbiederung darf gewertet werden, dass das neue Windows XP das Raubkopie-freundliche Dateiformat MP3 nicht unterstützt.


Für Ballmer ist es von großer Bedeutung, einen Fuß in das Inhalte-Geschäft zu bekommen. Wer Multimedia-Software durchsetzten möchte, braucht Tophits und Blockbuster.



Bewährte Buhmänner



Die Redmond-Bestie wird also noch tief in die Kriegskasse greifen müssen, bis sie anfangen kann, sich selbst neu zu erfinden. Bis dahin könnte die Fortsetzung eines bewährten Geschäftsmodells mehr Erfolg versprechen: Aus einem bestehenden Monopol ein weiteres Monopol zu schöpfen - und mindestens so gute Anwälte wie Programmierer zu beschäftigen.


Wie schon bei der Browser-Software Internet-Explorer, mit der Konkurrent Netscape aus dem Markt geknüppelt wurde,wird diese Strategie bei Windows XP weiter verfolgt. Dafür hat Microsoft ein neues Zauberwort erfunden: ".net" (Dotnet).


Umgesetzt auf Windows XP, sieht das ab Oktober etwa so aus: Wer ein Foto aus seiner Digitalkamera auf den PC überspielt, wird gefragt, ob er nicht im Netz Farbabzüge bestellen möchte. Wo immer möglich, werden Microsoft-Programme ihren Nutzern Web-Dienstleistungen aufnötigen.


Zwar ist auch dies bislang nur eine vollmundige Erklärung. "Microsoft hat das Ganze erst mal angekündigt, um die Konkurrenz zu verunsichern", urteilt Massimo Pezzini, Spezialist für Business-Software beim Technologieberater Gartner Group. Sollte der Software-Gigant sein Vorhaben wirklich umsetzten, hätte dies weit reichende Konsequenzen. Wer immer im Internet Dienste anbieten wollte, täte in Zukunft gut daran, mit dem Betriebssystem-Monopolisten zu kooperieren.



Neuer Ärger


Natürlich handelt sich der Konzern damit neuen Ärger ein. Schon krittelt Tom Miller, der Justizminister von Iowa: "Microsoft scheint seine Macht zu nutzen, um Wettbewerb auf der neuen Plattform zu verhindern." Zusammen mit seinem Amtskollegen aus Connecticut, Richard Blumenthal, denkt Miller laut über einen neuen Kartellprozess nach.


In der Redmonder Zentrale hält sich der Schauder ob solcher Drohungen in Grenzen. Mit Kartell-Prozessen ist die Bestie nicht mehr zu schrecken. Firmengründer Bill Gates hat für Monopol-Vorwürfe nurmehr einen schwachen Scherz übrig: "Hätten wir ein Monopol, gäbe es doch gar keine Wettbewerber, die sich beschweren könnten."



© 2001 Financial Times Deutschland

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