»Es wird nur dort
heiß, wo unsere
Nanoteilchensind
«
Spektrum der Wissenschaft: Sie wollen
Krebs mit Wärme bekämpfen. Wie soll
das gehen?
Dr. Andreas Jordan: Wir spritzen Billiarden
winziger Nanopartikel in den Tumor.
Sie verteilen sich und dringen in die
malignen Zellen ein. Mit einer speziellen
Apparatur ähnlich einem Kernspintomografen
bauen wir dann ein elektromagnetisches
Feld auf. Die Partikel – Eisen-oxid
einer speziellen Kristallstruktur –
beginnen zu schwingen und erzeugen
dadurch Wärme. Oberhalb von 42 Grad
Celsius sterben die Tumorzellen ab.
Spektrum: Gibt es nicht schon seit Jahrzehnten
Versuche, meist erfolglos, die
Hyperthermie zu nutzen?
Jordan: Sie scheiterten immer wieder an
den gleichen Fragen: Wie verteilt man
die Energie gleichmäßig im gesamten
Tumor? Wie lässt sich garantieren, dass
Krebsgewebe heiß genug wird, ohne angrenzendes
gesundes zu vernichten? Wie
soll man verhindern, dass der Blutfluss
die Wärme aus dem Tumor tansportiert?
Spektrum: Wie lösen Sie die Probleme?
Jordan: Zunächst einmal wird es nur da
heiß, wo unsere Nanoteilchen sind – im
Tumor. Denn das dichte Gefüge gesunder
Zellen lässt es gar nicht erst zu, dass
sich die Partikel dort verteilen. Das Problem
des Blutflusses lösen wir durch eine
Ummantelung aus Aminosilan. Dieses
biochemische Material verklebt die Teilchen
mit dem Krebsgewebe, so dass sie
nicht ausgewaschen werden.
Spektrum: Wann können Patienten
nach dieser Wärmetherapie verlangen?
Jordan: Derzeit testen wir sie an Patienten
mit einem Glioblastom-Rezidiv,
also einem wieder aufflammenden Hirntumor.
Normalerweise führt diese Erkrankung
innerhalb eines halben Jahres
zum Tod. Studienziel ist es, die verbleibende
Lebensspanne um mindestens drei
Monate zu verlängern. Patienten zu finden,
war allerdings schwieriger als erwartet.
Ergebnisse, auf deren Basis wir den
Zulassungsantrag stellen können, erwarten
wir Ende dieses Jahres, die Zulassung
dann für 2010.
Spektrum: Auch an Hochschulen wird
zur Hyperthermie geforscht. Was unterscheidet
Sie von Forschern dort?
Jordan: Wir wollen Studienergebnisse
so schnell wie möglich nutzbar machen.
An den Universitäten reicht es oft, wenn
Publikationen in einem renommierten
Fachmagazin erscheinen und genug Geld
für weitere Forschung genehmigt wird.
Winzige Eisenoxidteilchen heizen bösartigen Tumoren ein
und vernichten sie dadurch. Nach Jahren der Forschung erproben
Berliner Wissenschaftler die Nanokrebstherapie nun
an Patienten. Dr. Andreas Jordan, Vorstand der MagForce Nanotechnologies
AG, ist seit fast einem Vierteljahrhundert bei
der Entwicklung dieser Krebstherapie dabei.
Andreas Jordan wurde 1959 in Berlin
geboren und studierte an der Freien
Universität Berlin Biologie und Biochemie.
Ende der 1980er Jahre stieß Jordan zu
einer Arbeitsgruppe am Berliner Virchow-
Klinikum, die sich damit beschäftigte,
Tumoren durch Überhitzung zu bekämpfen.
Doch die von außen zugeführte Wärme
reichte nicht, um die bösartigen Zellen zu
vernichten. 1997 gründete Jordan sein
erstes Start-up-Unternehmen, um die von
ihm erfundene Wärmekrebstherapie
voranzutreiben. Drei Jahre später folgte
eine zweite Firma, um die für diese Therapie
notwendigen Nanopartikel zu entwickeln.
2004 legte man beide Unternehmen
zusammen; im Herbst 2005 wurde daraus
die MagForce Nanotechnologies AG. Seit
Ende 2007 ist MagForce am Entry Standard
der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet.
2003 wurde der erste Patient erfolgreich
mit der Nanokrebstherapie behandelt. Für
2010 rechnet das Unternehmen
mit einer
europaweiten Zulassung der Therapie bei
Glioblastomen, aggressiven Hirntumoren.
alle Abbildungen des Artikels: Mag Force Nanotechnologies AG
SPEKTRUM DER WISSENSCHAFT · November 2009 105
Spektrum: Haben Sie es nie bedauert,
auf einen Professorentitel verzichtet zu
haben?
Jordan: Richtig, ich bin nicht habilitiert.
Aber wenn die von uns entwickelte Therapie
am Markt ist und MagForce rentabel
arbeitet – wer weiß, ob ich nicht wieder
an eine Universität zurückkehre? Als
Leiter des »Centrums für biomedizinische
Nanotechnologie« der Charité
kümmere ich mich auch jetzt noch um
Grundlagenforschung, und wir veröffentlichen
unsere Ergebnisse in wissenschaftlichen
Journalen.
Länger in Amerika
zu forschen hätte mich schon gereizt.
Mittlerweile engagiere ich mich dafür,
erfolgreiche deutsche Wissenschaftler aus
den USA für MagForce anzuwerben.
Spektrum: Wie begann Ihre Karriere als
Manager?
Jordan: Im Labor an der Charité. Ein
Fondsmanager, der Geld zu vergeben
hatte, fragte mich, ob ich nicht Unternehmer
werden wolle. Nach schlaflosen
Nächten habe ich Ja gesagt; ich wollte
die Wärmetherapie marktfähig machen.
Spektrum: Das klingt so einfach. Gab es
auch ernsthafte Probleme?
Jordan: Die gab es 2003 und 2004. Da
konnte uns der Geldgeber von einem
auf den anderen Tag nicht mehr wei-
ter finanzieren. Die Suche nach neuen
Geldquellen war mühselig. Nach der
Krise von Internet und Biotech-Industrie
wollte keiner mehr zu fairen Konditionen
bei einem Nanotechnologie-
Unternehmen einsteigen. Ich bin monatelang
durch die Gegend getingelt;
schließlich fand die Nanostart AG unsere
Arbeit so gut, dass wieder Geld floss.
Spektrum: Und was würden Sie als den
größten Erfolg bezeichnen?
Jordan: Als wir endlich den ersten Patienten
behandelt haben. Das war 2003,
ein junger Patient mit einem Weichteiltumor
im Bereich des Schlüsselbeins, in
gefährlicher Nähe zu wichtigen Nerven.
Der Tumor ist nach der Behandlung
dort nicht wieder gewachsen. Nach Jahren
mit Zell- und Mäuseexperimenten
schließlich einen Menschen erfolgreich
zu therapieren, das war schon etwas.
Spektrum: Was unterscheidet eigentlich
den Unternehmer vom Wissenschaftler?
Jordan: Ich muss mit dem mir anvertrauten
Geld umgehen können, die Sprache
der Finanzwelt verstehen. Ein Wissenschaftler
kann neben der Hauptidee
viele Nebenwege verfolgen. Als Unternehmer
gehe ich nur den einen Erfolg
versprechenden Weg. Selbstüberschätzung
ist schlecht für Unternehmer, ich
muss meine eigenen Grenzen erkennen.
Spektrum: Problem Grenzen: Wie rentabel
kann ein Produkt sein, das sich bei
ein paar Patienten mit einem seltenen
Tumor anwenden lässt?
Jordan: In einer zweiten Studie therapieren
wir bereits Patienten mit Prostatakrebs;
außerdem führen wir Studien mit
Patienten durch, die Speiseröhren-, Leber-
und Bauchspeicheldrüsenkrebs haben.
Demnächst starten Versuche zum
Brustkrebs. Unser Ziel ist eine generel-
le Zulassung für solide Tumoren. Das
könnte schon zwei, drei Jahre nach der
Erstzulassung so weit sein. Wärme ist ja
universell wirksam, für die Anwendungsgebiete
gibt es kaum Grenzen.
Spektrum: Haben Sie Pläne, auch Tochtergeschwülste
und noch nicht sichtbare
Tumoren zu therapieren?
Jordan: Ja, wir versuchen Nanopartikel
mit medizinischen Wirkstoffen zu koppeln,
die durch eine Wärmereaktion frei
werden. Damit ließen sich auch vereinzelte
bösartige Zellen erwischen.