Mach schneller Baby

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vega2000:

Mach schneller Baby

 
31.01.02 21:54

Öffentlicher Verkehr


Man sagt, alle Menschen sind gleich. Alle Menschen sind Brüder und Schwestern. Nun, mir sind meine Geschwister schon immer auf den Sack gegangen. Der Mensch, die Krone der Schöpfung, dieses von der Evolution so ungemein begünstigte Geschöpf. Das einzige Wesen auf der Welt das willentlich und mit purer Absicht grausam sein und Anderen Qualen zufügen kann. Das einzige Wesen auf der Welt das zwischen gut und böse wählen kann, und es aus purer Faulheit doch nicht macht. Das einzige Wesen auf der Welt das mit wahrer Intelligenz gesegnet ist. Und das einzige Wesen auf der Welt das es schafft, diese Welt mit purer Idiotie und bewundernswerter Präzision zu zerstören.

Warum ich so sauer und schlecht auf die Menschen zu sprechen bin? Nun, immer wieder höre ich daß wir uns in einer hektischen und schnellebigen Gesellschaft befinden, daß Stress und Termindruck unserer Handeln und Denken bestimmen. Daß wir es einfach nicht mehr schaffen uns etwas Zeit und Ruhe zu gönnen. Die Realität sieht anders aus.

Tagtäglich ist es das selbe grausame Schauspiel. Frühmorgens haste ich aus dem Haus und zur S-Bahn-Station um noch rechtzeitig in die Arbeit zu kommen. Und dort (in der S-Bahn-Station, nicht in der Arbeit) beginnt es dann. Verschlafene Morgenmuffel, lethargische Zombies, Leute die mit dem typischen 8.00-Uhr-Morgen Blick, dem Blick eines Drogenjunkies auf Methadon der noch nicht mal einen Kaffee oder eine Zigarette intus hat, auf der Rolltreppe stehen und auch die normalen Stiegen verstopfen und mir keinen Durchgang lassen. Menschenskinder, haben die alle nichts zu tun? Müssen die nicht auch in die Arbeit? Oder sind das alles Frührentner, Arbeitslose und Sozialschmarotzer weil sie soviel Zeit haben? Vor Allem auf der Rolltreppe steigt mir jedesmal wieder die bittere Galle auf. Rechts stehen, links gehen. Das weiß jedes Kind.

Und was ist? Vor mir stehen drei faltige, abgetakelte Tanten, die bei so einer sommerlichen Hitze natürlich auch noch kurze Röcke und ärmellose Tops tragen müssen, um andere mit dem Anblick ihrer Krampfadern, unrasierten Beine und ebenfalls unrasierten Achselhöhlen zu erfreuen. Dazu möglichst viel Make-Up, um die dunklen Augenringe noch ein wenig zu betonen und massenweise Deodorant und Parfüm um gegen die Achselnässe des anbrechenden Tages gewappnet zu sein. Im Umkreis von dreihundert Metern fallen Fliegen, Mücken, kleine Hunde und sonstiges Getier ohnmächtig zu Boden.

Und so ein Anblick bereits in aller Frühe auf den nüchternen Magen. Das macht Laune und Lust auf den Tag, da weiß man erst wozu man überhaupt aufgestanden ist.

Zur Seite geschubst und höflich mit dem kurzen Satz 'Verzieht euch ihr Spinatwachteln' darüber belehrt, daß man auf einer Rolltreppe gefälligst rechts zu stehen hat wenn man fußlahm und gehfaul ist, bekommt man dann immer so Sätze wie 'Ungehobelte Jugend' hinterhergeworfen, meist begleitet von einem Schwall ekligen Geifers weil die dritten Zähne mal wieder am Rutschen sind und sie die Klappe nicht rechtzeitig zubekommen.

Dann hat man es endlich bis zum Bahnsteig geschafft und will sich in die S-Bahn quetschen, aber hier kommt bereits die nächste erbauliche Situation auf mich zu. Alle Plätze besetzt, man kann nur noch stehen. Und auch Stehplätze sind rar gesät, weil die Idioten natürlich alle bei den Türen rumgammeln müssen anstatt mal daran zu denken, daß es auch noch Zwischengänge zwischen den Sitzreihen gibt in die man sich ebenfalls stellen könnte um bei den Türen mehr Platz zu machen.

Aber nein, stattdessen sind sie alle zusammengequetscht in der Tür wie die Sardinen in der Büchse, und man schafft es natürlich nicht mehr einzusteigen. Die S-Bahn fährt ab und es bleibt einem nichts weiter als Zeter und Mordio rufend auf die nächste zu warten.

Zwischenzeitlich sind natürlich auch die abgetakelten Spinatwachteln von der Rolltreppe am Bahnsteig angelangt, sehen einen komisch an wie man mit hochrotem Kopf und zornbebend dasteht weil man trotz aller Eile jetzt erst recht nicht mehr pünktlich in der Arbeit erscheinen wird, und lassen dann noch einen schnippischen Kommentar im Stile von 'Na, und warum hatten Sie es jetzt so eilig?' begleitet von einem hämischen Grinsen vom Stapel. In solchen Momenten fällt meine Beherrschung irgendwo weit entfernt zu Boden. Ich lächle freundlich, sehe die nächste S-Bahn nahen, und schubse die Alte die mir am Nächsten steht auf die Gleise. Ein lautes SPLAT!, ein kleiner Regenschauer aus Hautfetzen, Knochen und Innereien, und ich fühle mich gleich wesentlich entspannter. Und als netter Nebeneffekt erliegen die anderen ob des gar grausigen Anblicks gleich einem Herzinfarkt und ich habe meine Ruhe. Und da reden die immer von verweichlichter Jugend. Pah! Vonwegen Gewalt in Computerspielen läßt die Jugend verrohen. Quake härtet ab!

Die S-Bahn ist da, und frisch und ausgeglichen remple ich die Sardinen in der Tür zur Seite oder ziehe sie raus, um mir auf die Art und Weise Platz zu verschaffen. Die Flüche und Beschimpfungen sowie die Ellbogenstöße und Kopfnüsse tangieren mich nur periphär da ich immer noch dieses Hochgefühl in mir habe und mich fühle wie Moses als er das Rote Meer geteilt hat.

So, ich stehe also in der S-Bahn, eingepfercht mit den ganzen anderen armen Schweinen die sich einen Schwitz- und Schweiss-Contest liefern, frei nach dem Motto, wer schafft es als Erster den Wagon unter Wasser zu setzen. Eigentlich könnte es jetzt ja losgehen.

Denkste! Wir befinden uns ja in einer dieser neuen S-Bahnen, eine von denen die Lichtschranken an den Türen haben und nicht losfahren können solange noch ein Depp in der Tür steht und sich selbige nicht schliessen kann. Da kann der Zugführer noch so oft darauf hinweisen daß bitte alle von den Türen weggehen sollen da man sonst nicht losfahren könne, keiner scheint so richtig zu begreifen was er meint. Nur um sicherzugehen daß die Leute tatsächlich so dämlich sind wie er denkt, wiederholt der Zugführer seine Durchsage noch mal ganz langsam und mit einer Sprache die auch jeder Trottel verstehen sollte: 'Ihr´s Deppn, in´d Tür´n wo oban des Licht blinkt soit´s zrucktret´n !' (nein, der nette Mann ist nicht betrunken sondern Bayer)

Nach weiteren fünf Minuten von Flüchen, Drohungen und Verwünschungen aus den Lautsprechern haben die Leute es dann endlich kapiert und die Fahrt kann weiter gehen. Nur zu schade daß das Gedächtnis des Menschen so mangelhaft ist, sonst wüßte er bei der nächsten Station bereits was der Zugführer meint wenn er die Leute bittet, von den Türen zurückzutreten. Macht ja nix, ich habs nicht eilig und warte gerne nochmal fünf Minuten während ich heldenhaft versuche, in dem Mief nicht zu ersticken während die ersten Leute schon damit beschäftigt sind, mit Wischmob und Eimern dem steigenden Wasserspiegel in der S-Bahn Herr zu werden. Ich hatte diese Aufkleber 'Wir reinigen Ihre S-Bahn jetzt auch während der Fahrt!' ja schon oft zu Gesicht bekommen, aber jetzt weiß ich erst was wirklich damit gemeint ist.

Einem Mann der behauptet der Kontrolleur zu sein und meinen Fahrausweis sehen will strecke ich mit einem vergnügten Grinsen den Mittelfinger entgegen. Im Gegenzug dafür streckt er mir einen dieser netten grünen Zettel samt Zahlungsschein entgegen, woraufhin mir mein Grinsen im Halse stecken bleibt.  
Nicht normgerecht aber wirkungsvoll: Die alternative Fahrkarte  

Ich verstehe nicht ganz, wozu ich zahlen soll. Es ist unbequem, die Temperaturen liegen zwischen Backofen und Fegefeuer, es stinkt nach Schweiss, ich kann mich nicht einmal richtig rühren und Sitzgelegenheit ist schon gar keine in Sicht. Und für sowas verlangen die Geld? Das ist Ausbeutung übelster Sorte!

Nach einem kleinen Wutausbruch Stufe 9,8 auf der Richterskala finde ich mich an der nächsten S-Bahn-Station wieder.

An manchen Tagen habe ich Glück und mein Flug aus dem Wagon wird von ein paar herumstehenden Körpern aufgefangen, auf denen landet es sich wenigstens bequem wenn es nicht gerade eines dieser unterernährten Gerippe ist.

Meistens habe ich weniger Glück und verlasse die Station übersät mit blauen Flecken. Den netten grünen Zettel samt Zahlschein zerreisse ich erst einmal und werfe ihn in die nächstgelegene Mülltonne. Jetzt sehe ich erst recht nicht ein warum ich 60,- DM zahlen soll, wenn ich noch nicht einmal bis zu meiner gewünschten Endstation mitfahren darf. Die können mich doch alle mal kreuzweise.

Zumal ich jetzt erst mal eine halbe Stunde zu Fuß zur Arbeit weiterlaufen darf, vorbei an allerlei Ampeln die natürlich immer gerade DANN rot sind, wenn ich davor stehe.

Und dann darf ich meinem Chef erklären, warum ich andauernd zu spät komme. Keine tolle Aufgabe, vor Allem weil er vormittags immer so übellaunig ist. Er muß sich nämlich, wie er es ausdrückt 'immer mit diesem impertinenten Gesocks' (=diesen verdammten Arschlöchern) auf dem Weg zur Arbeit herumschlagen, wenn er sich frühmorgens mit dem Auto durch den Verkehr quält. Und immer wieder diese Strafzettel von den Verkehrspolizisten die überhaupt nicht einsehen, warum er keine Rücksicht auf Vorrang- und Stopschilder, Ampeln, Bürgersteige, Passanten und Schulkinder nehmen könne. Und wie gut ich es doch hätte, die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen zu können. Da könnte man wenigstens entspannen und die Ruhe geniessen...

Heute nach der Arbeit werde ich in den nächsten Waffenladen spazieren. Die Menschen die mich im Feierabendverkehr niederrennen weil sie es alle so schrecklich eilig haben und mich mit Flüchen und Drohungen sowie Ellbogenstößen und wenig nett gemeinten Kommentaren traktieren, tun mir eigentlich nur leid. Wissen sie denn nicht, daß Aufregung und Stress der Gesundheit schadet?

Spätestens morgen wenn ich mit der Pumpgun bewaffnet in der S-Bahn-Station auftauche werden sie es hoffentlich merken

Mach schneller Baby 561407
schmuggler:

Vega

 
31.01.02 21:58
die Zeitungen werden dir´s danken
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