M-M: Kirch: Klamm und heimlich

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M-M: Kirch: Klamm und heimlich

 
30.01.02 12:40
#1
Jahrelange Schuldenwirtschaft brachte den verschwiegenen Medienkonzern in eine fast ausweglose Lage. Kirchs Verbindlichkeiten betragen nun fast sechs Milliarden Euro. Von Klaus Boldt

Seit geraumer Zeit schon darf gerätselt werden, ob es Dr. rer. pol. Leo Kirch (75) nicht ziemlich dreckig geht: Unter all den Schulden, die den Münchener Medienunternehmer nachgerade verschütten, verbirgt sich doch mit Sicherheit nicht nur wirtschaftliches, sondern wohl auch wachsendes soziales Elend, oder?

Das besorgte Publikum irrt: Leo Kirch machte diese Last in Wahrheit nie etwas aus. Spieler sind so.

Mag der Milliardensassa auch in unerforschte Dimensionen des Misswirtschaftens vorgestoßen sein - ihn quälen andere Sorgen: Seine Zuckerkrankheit peinigt ihn; er ist fast blind. Verträge, die er schließt, müssen ihm Vertraute vorlesen. Im Jahr 2000 bekam er Bypässe; neulich erst wurden ihm mehrere Zehen amputiert.

Doch wie ein Alter am Daddelautomaten in der Bahnhofskneipe hängt Kirch der Zocker-Philosophie an: Der Gewinn ist mir wurscht, solange ich mir den Einsatz pumpen kann.

Kirchs Kalamitäten:

Verbindlichkeiten in Höhe von knapp 6 Milliarden Euro.
Milliardenverluste beim Pay-TV Premiere.
Verkaufsoptionen der Anteilseigner Rupert Murdoch (Premiere) und Axel Springer Verlag (Pro Sieben Sat 1 Media), die für Kirch kaum finanzierbar sind.
Gewinnrückgang im Kerngeschäft.
Klagen von Programmlieferanten (Universal, Paramount Pictures) wegen Zahlungsrückständen.
Drastischer Kursverfall der Aktie der Pro Sieben Sat 1 Media AG.
 
Kein schöner Anblick. Aber irgendwie mag man ihn. Irgendwie gehört Dr. Kirch einfach dazu.

Gewichtige Helfer haben den gottesfürchtigen Mann bislang zuverlässig vor dem Ruin bewahrt und ihm stets höflich salutiert: die Kumpel aus der Münchener Staatskanzlei, die Manager der HypoVereinsbank und der Bayerischen Landesbank und der DG Bank und der Deutschen Bank und der Dresdner Bank und so weiter.

Nach heutigem Kenntnisstand freilich kann den Altmeister der Heimlichtuerei nur ein Mirakel größten Ausmaßes retten. Mit Kirchs Unternehmungen in ihrer jetzigen Form geht es zu Ende: Tochterfirmen leiden schwer unter Rezession und Werbekrise, alte Kredite laufen aus, neue lassen sich kaum ergattern.

Nur, wer könnte das Wunder vollbringen? Die Drähte Kirchs ins Kanzleramt baumeln lose, seit Freund Helmut Kohl dort nicht mehr waltet. Und unter Kirchs Höflingen verfügt keiner über jene stechende Raffinesse, die Joachim Theye auszeichnete, den besten Berater, den Kirch je hatte.

Kanzlerkandidat Edmund Stoiber sucht neue Medienfreunde. Seine Wahlkämpfer fürchten, dass die Bayerische Landesbank, Kirchs größter Gläubiger, in eine Megapleite verwickelt werden könnte.

Gute Kontakte, ob zur Welt der Banken oder der Politik, würden ohnehin nicht mehr viel nützen. Knapp sechs Milliarden Euro ist Kirchs Schuldenkonto schwer; die Verpflichtungen insgesamt, meldet ein Aufsichtsrat, liegen bei über neun Milliarden.

Die Dresdner Bank verlängerte ein Darlehen erst in letzter Minute um drei Monate bis April. Und auch die Deutsche Bank macht Kummer: Zwar hat sie ihre Kredite durch die Springer-Beteiligung (Wert: rund 1,7 Milliarden Euro) komfortabel abgedeckt. Doch im Mai tritt Josef Ackermann die Institutsleitung an. Und der gilt als Kirch-Skeptiker.

Das Kerngeschäft der Gruppe, die Kirch Media (Umsatz 2000: 3,3 Milliarden Euro), in der Rechtehandel und Fernsehen gebündelt sind, rutschte im dritten Quartal 2001 in die roten Zahlen; weitere Abschreibungen auf Filmvermögen belasten das Jahresergebnis. Schulden: 2,2 Milliarden Euro.

Quelle: manager-magazin
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M-M: aus dem eigenen Lager droht Gefahr

 
#2
Viel Zoff erwartet Kirch demnächst ausgerechnet von Verbündeten: Verlegerwitwe Friede Springer (59) und ihr Vorstandschef Mathias Döpfner (39) wollen den 11,5-Prozent-Anteil des Axel Springer Verlags an der Pro Sieben Sat 1 Media AG, der keine 300 Millionen Euro wert ist, für vertraglich festgelegte 800 Millionen Euro zurückgeben. Der Verlag, an dem Kirch rund 40 Prozent hält, braucht dringend Geld.

Hektisch versuchen Kirch-Manager den Springer-Chef davon zu überzeugen, Kirch bei Art und Zeitpunkt der Zahlung entgegenzukommen - bitte nicht bar und bitte nicht im ersten Quartal, wie vorgesehen.

Bekommt er sein Geld? Springer-Chef Döpfner hat ebenfalls einen Vertrag mit Kirch und besteht auf Zahlung von 800 Millionen Euro


Doch Mathias Döpfner verstieße gegen geltendes Recht, würde er Rücksicht nehmen zum Schaden des Zeitungshauses. In der Hamburger Zentrale geht die Angst um, Kirch könne bald nicht mehr flüssig sein.

Der andere Partner, der Leo Kirch mehr als unangenehm werden könnte, heißt Rupert Murdoch. 1999 war der Tycoon mit rund 1,5 Milliarden Euro zu Hilfe geeilt, um sie in Kirchs Milliardengrab, das Pay-TV Premiere, zu schütten. Im Gegenzug erhielt er 22 Prozent und die im Nachhinein eher dämliche Zusage, dass er diese Anteile im Oktober 2002 für knapp 1,9 Milliarden Euro zurückgeben könne, wenn Premiere die Geschäftsziele verfehle. Und dies wird der Sender tun, auch mit dem Vorsteher Georg Kofler (44), einst Pro-Sieben-Chef.

Wie nur soll Kirch, der Klamme, das Geld beschaffen? Versuche, den Investmentfirmen Warburg Pincus und, wie es heißt, Permira Anteile an Premiere anzudrehen, schlugen fehl.

Murdoch ist zuversichtlich, dass Kirch die Rückkaufoption nur mit Anteilen am Stammhaus bezahlen kann. Das würde den Medienzar zum größten Gesellschafter bei Kirch Media befördern. Murdoch weiß: So billig kommt er nie wieder in den deutschen TV-Markt. Kirchs Chefmanager Dieter Hahn (40) sucht verzweifelt nach einer verträglichen Lösung. Groß ist die Chance bei einem wie Murdoch gewiss nicht.

Die Zeit drängt. Im Juni soll Kirch Media mit der börsennotierten Pro Sieben Sat 1 Media AG fusioniert werden. Analysten graut: Wer wollte sein Geld bei Kirch anlegen, der so viel Schulden hat wie Bertelsmann (Börsengang 2004) Bargeld?

Berater haben Kirch überzeugt, dass er seine - nach eigener Einschätzung 20, nach jener von Bankern allenfalls 5 Milliarden Euro schwere - Gruppe zerlegen muss: Eine Beteiligung am italienischen Medienkonzern Mediaset ging für 120 Millionen Euro weg; die 25 Prozent am spanischen Sender Telecinco stehen für 500 Millionen Euro zum Verkauf.

Mittlerweile sorgen sich gar Führungskader des Rivalen Bertelsmann (RTL Group) um den Alten aus München. Bertelsmann und Kirch haben den deutschen Privatfernsehmarkt erfolgreich gegen ausländische Konkurrenz abgeschottet.

"Am schlechtesten ist es, wenn es so weiterläuft", mault ein Bertelsmann-Vorstand. "Wenn Kirch klug ist, meldet er Konkurs an. Dann läuft Murdoch ins Leere." Kirch bliebe der Filmhandel (auch nicht schlecht!), seiner Mitwelt die traurige Lehre: Die Bank gewinnt immer.

Quelle: manager-magazin.de / Klaus Boldt


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