SinnerSchrader AG
Nach der Rückkehr zu einer realistischen Bewertung bieten sich auf mittlere Sicht wieder Kurschancen
Auf den ersten Blick gleicht die Geschichte dieses Unternehmens derjenigen vieler Antipoden: 1996 gründeten zwei sehr junge Unternehmer, Oliver Sinner (heue 33) und Matthias Schrader (heute 34) ein Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen für E-Business. Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht die Vernetzung von Geschäftsprozessen und der Aufbau effizienter Vertriebskanäle über das Internet („Multi Channel Strategy“). Auch die beiden weiteren Vorstandsmitglieder der Gesellschaft Detlef Wichmann (35) und Thomas Dyckhoff (39) gehören noch der jüngeren Generation an. Unter Führung der Commerzbank AG, der DG-Bank AG und Schroder Securities Ltd. ging SinnerSchrader im November 1999 in den Neuen Markt und erlöste aus der Plazierung von 2.475 Mio. Aktien zum Preis von € 12 nach Abzug der Emissionskosten DM 54.8 Mio. Auf dem Höhepunkt der Euphorie im Neuen Markt erreichte die Aktie einen Stand von € 90, womit sich bei 9.975 Mio. Aktien eine Marktkapitalisierung von € 898 Mio. ergab. Der damalige Umsatz betrug bescheidene € 14.7 Mio., so dass sich ein Kurs-/Umsatz-Verhältnis von 61 und bei einem positiven Ergebnis je Aktie nach US-GAAP von € 0.20 ein KGV von 450 ergab. Inzwischen ist der Börsenwert auf € 44 Mio. zurückgefallen. Die Gründer Oliver Sinner und Matthias Schrader einschließlich ihrer Familien halten derzeit noch 43.1 % des Aktienkapitals, bei den Mitarbeitern liegen 6.8 %. Neu hinzugekommen sind mit 13.5 % die Altgesellschafter der übernommenen Netmatic, und ein „strategischer Investor“ besitzt 12.6 %, so dass der Streubesitz 23.7 % und die freie Marktkapitalisierung ca. € 9 Mio. ausmacht. Der Erlös aus dem Börsengang ist übrigens voll in das Unternehmen geflossen; Die Gründer haben keine Aktien abgegeben.
In der aktuellen Jahresbilanz per 31.08.2001 wird das Konzern-Eigenkapital mit € 43.6 Mio. ausgewiesen, das sind € 3.78 je Aktie. An liquiden Mitteln (einschließlich Wertpapiere) sind € 29.3 Mio. vorhanden, dies entspricht € 2.54 je Aktie.
Schwieriges Umfeld belastet
Die SinnerSchrader AG ist eine reine Holdinggesellschaft, die ihre Geschäftstätigkeit über operative Tochterunternehmen betreibt. Wichtigstes Betätigungsfeld sind Projektdienstleistungen, die sich von der Strategie- und Konzeptberatung für transaktionale Web-Lösungen über das Design und die Produktion Web-basierender Benutzeroberflächen bis hin zur Implemantierung von Software für Middleware- und Backend-Systeme erstreckt. Daneben werden auch Media-Dienstleistungen erbracht.
Die ehrgeizigen Planungen des Unternehmens mit einer Umsatzverdoppelung für das am 31.08.2001 beendete Geschäftsjahr konnten nicht umgesetzt werden. Immerhin konnte in der Alten Unternehmensstruktur noch ein Umsatzzuwachs um 22.3 % auf € 17.9 (14.7) Mio. erreicht werden, wobei die im Berichtsjahr erworbene Netmatic lediglich mit acht Monaten erfasst wurde. Durch den Einbruch des Online-Werbemarktes verzeichnete das Mediageschäft einen starken Rückgang und steuerte nur noch einen Anteil zum Umsatz von 15 (26) % bei, während das Projektgeschäft um 13.4 % auf € 16.5 (14.5) Mio. zulegte. Bemerkenswert ist, dass die „New Economy“ als Kundengruppe im Berichtsjahr von einem Anteil von 6 (35) % kaum noch eine Rolle spielte. Charakteristisch für das Unternehmen ist die ausgeprägte Abhängigkeit von relativ wenigen Großkunden; im letzten Geschäftsjahr entfielen immer noch 58 (61) % des Konzernumsatzes auf die größten sechs Kunden. Die Kundenliste enthält freilich recht prominente Namen: Die Deutsche Bank (sie hat sich u.a. die Internet-Plattform „max-blue“ entwickeln lassen) ist größte Einzelkundin und hat, wie auch Tchibo und Talkline, umfangreiche Folgeaufträge erteilt. Daneben haben sich Bertelsmann, der Otto Versand und Viag Interkom für eine Zusammenarbeit mit SinnerSchrader entschieden.
Sondereinflüsse belasten
Die für das betriebliche Ergebnis maßgebende Ertragskennzahl, das EBITDA (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) hat der SinnerSchrader-Konzern mit € 0.47 Mio („Pro-forma-Rechnung“) auch im Geschäftsjahr 2000/01 positiv gestalten können. In dieser Zahl sind bereits Wertberichtigungen auf Forderungen (€ 1.12 Mio.), Kosten des Auslandsaufbaus (€ 0.77 Mio.) sowie F+E-Aufwendungen (€ 0.31 Mio.) vorab verarbeitet. Unberücksichtigt ergibt sich ein EBITDA von € 2.66 Mio. Der Verlustausweis von € -3,48 (+1.97) Mio. ist im Wesentlichen auf die aus dem Netmatic-Erwerb stammenden Abschreibungen von € 4.13 Mio. auf den Kaufpreis zurückzuführen und stammen somit nicht aus dem operativen Geschäft. Das Ergebnis je Aktie nach US-GAAP fiel mit € -0.23 negativ aus. Im HGB-Abschluss der Holding wird ein Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von DM 5.29 (1.08) Mio. ausgewiesen. Aus dem Jahresüberschuss von DM 3.21 (0.67) Mio. konnten DM 2.41 (0.35) Mio. den Rücklagen zugewiesen werden, während als DM 0.92 Mio. als Gewinnvortrag verblieben. Eine Dividende wurde nicht gezahlt.
Unverändert solide Bilanzstruktur
SinnerSchrader hat es im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen der Branche vermieden, Akquisitionen zu weit überhöhten Preisen durchzuführen. Gemessen an den vielfach geübten Praktiken in der „New Economy“ ist das Ziel, eigenes Wachstum anzustreben, geradezu als konservativ zu bezeichnen. Die im Berichtsjahr durchgeführte Akquisition der Netmatic Internet stellte einen strategischen Erwerb dar, um die technologische Kompetenz des Unternehmens zu stärken. Der Erwerb erfolgte durch Zahlung von DM 3 Mio. in bar und durch die Ausgabe von DM 1.5 Mio. unger Aktien aus dem vorhandenen genehmigten Kapital. Der Goodwill wurde mit rd. DM 36 Mio. aktiviert. Mit der Übernahme von 50 hochspezialisierten Softwareentwicklern wurde das Unternehmen größter WebObjects-Impeltentierer in Europa. Netmatic erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von € 4.1 Mio. und ein positive Ergebnis.
Die Bilanzsumme des Konzerns hat sich dementsprechend um 38 % auf € 53.3 (38.6) Mio. ausgeweitet. Nach Abschreibungen ist der erworbene Firmenwert noch mit € 13.9 Mio. aktiviert. Trotz der Investitionen und des im Konzern negativen Jahresergebnisses hat sich der Bestand an liquiden Mitteln mit € 29,3 (31.0) Mio. auf sehr hohem Niveau gehalten. Die Passivseite ist mit eigenen Mitteln, die 81.8 (87.5) % der Bilanzsumme ausmachen, sehr gut unterlegt.
Konjunkturelle Belegung wichtig
Auch wenn gegenwärtig neben den Personalkosten bei vielen Unternehmen auch die Investitionen in die Informationstechnologie zunehmend auf den Prüfstand geraten, führt sicher kein Weg an dem weiteren Aufbau vernetzter Marketing-Strategien vorbei. Die hohe Abhängigkeit des SinnerSchrader-Konzerns von einigen wenigen Großkunden bringt sicherlich Gefahren mit sich, hat aber auch positive Aspekte, da der hohe Grad an Kundenzufriedenheit auch Signalwirkung für potenzielle Neukunden hat. Nachdem mit Kabel New Media ein namhafter Konkurrent insolvent ist, verbleiben als wesentliche Wettbewerber die ebenfalls im Neuen Markt notierten Pixelpark und GFT. Auf Grund ihrer finanziellen Ausstattung ist SinnerSchrader ehestens in der Lage, die augenblicklich schwierige Phase zu überstehen. Kurzfristig dürfte jedoch eine schnelle Wende allerdings noch nicht in Sicht sein, da unabhängig von künftigen Gepflogenheiten zumindest im laufenden Geschäftsjahr die Abschreibungen auf den Netmatic-Kaufpreis den Abschluss belasten.
Fazit
Die Aktie der SinnerSchraderAG notiert nur wenig höher als der Buchwert; die vorhandene Liquidität deckt die Marktkapitalisierung zum größten Teil ab. Die Mittel aus der Börseneinführung sind noch nahezu vorhanden, da kostspielige Akquisitionen vermieden wurden. Zwar ist die Branche aktuell schwierig , doch verfügt SinnerSchrader über sehr renommierte Kunden aus der „old-economy“, deren Referenzen sich im weiteren Wettbewerb positiv bei der Gewinnung neuer Arbeitgeber auswirken sollten. Die komfortable Finanzsituation erlaubt es, die wohl nur vorübergehende Marktschwäche ohne Probleme zu überwinden. SinnerSchrader leidet jedoch zweifellos unter dem mittlerweile schlechten Ruf des Neuen Marktes Das verbleibende Restrisiko der Aktie schätzen wir jedoch als sehr gering ein; dagegen scheinen die Chancen bei einer Besserung der allgemeinen und der speziellen Konjunktur beträchtlich zu sein.
Kaufempfehlung
Datum 19.03
Wertpapier SinnerSchrader AG
WKN
514190 Kurs 3,1
Kursziel 4,5
Zeithorizont 3 Monate
Stopploss 2,6