Londons Balanceakt im islamischen Banking

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Londons Balanceakt im islamischen Banking

 
19.06.05 09:11
Heimmarkt-Expertise als Basis für Offshore-Kunden

Grossbritannien hat die Chancen des islamischen Banking gemäss dem Lord Mayor von London mit enormem Enthusiasmus ergriffen. Allerdings hat der US-freundliche Kurs der britischen Regierung in der arabischen Welt viele Ressentiments entstehen lassen. Die Londoner City übt sich in Schadensbegrenzung. London sieht seine spezifische Attraktivität in seinem grossen «Cluster» mit einer Vielzahl von Experten.

Der Finanzplatz London baut seit einiger Zeit seine Position im islamischen Banking gezielt aus. Dazu gehört sowohl das spezifische Know-how über Scharia-kompatible Anlagemöglichkeiten wie auch die konkrete Infrastruktur mit den entsprechenden Produkten und Spezialisten. Grossbritannien habe die neuen Chancen des islamischen Banking mit einem enormen Enthusiasmus ergriffen, erklärte Alderman Michael Savory, derzeit Lord Mayor von London und damit erster Repräsentant der Londoner Finanzgemeinde am einem Round-Table-Gespräch in London. Dabei hat das multikulturelle Grossbritannien gute Voraussetzungen, ein gutes Stück des islamischen Kuchens zu ergattern. Der Heimmarkt mit den rund zwei Millionen britischen Muslimen bildet ein starkes Rückgrat. Die muslimischen Einwanderer hätten vielfach Unternehmergeist bewiesen und brauchten entsprechende Finanzdienstleistungen, so der Lord Mayor. Neben dem Heimmarkt sieht London aber auch Chancen für den Export von islamischen Finanzdienstleistungen in andere Länder.

Pragmatismus vor Politik

Allerdings hat der amerikafreundliche Kurs der Regierung Tony Blair in der arabischen Welt Ressentiments gegenüber Grossbritannien entstehen lassen. Diese könnte für konkurrierende Finanzplätze mit neutraleren Regierungen ein Vorteil sein. Die Londoner City übt sich hier in Schadensbegrenzung. Vertreter der Londoner City, die ein gutes Geschäft noch selten leichtfertig aufgegeben haben, geben sich bewusst apolitisch und pragmatisch. Islamische Kunden, die ihr Geld über den Finanzplatz London anlegen wollen, würden nach genau den gleichen Kriterien behandelt wie andere Kunden, beharrt Terry Stone, Director bei der islamischen ABC International Bank und Berater für den Nahen Osten bei IFSL, einer Organisation, die Finanzplätze in aller Welt vermarktet.

Vor einem Grössenvergleich mit anderen Finanzplätzen mit Reputation für islamisches Banking scheut man in London allerdings zurück. Sarah Goodon, Spezialistin für islamische Finanzdienstleistungen in der Anwaltskanzlei Trowers & Hamlins, meint zwar, dass in London wohl mehr islamisches Finanzwissen verfügbar sei als sonst irgendwo auf der Welt. Bei der Frage nach einer Rangliste bekommt man jedoch nur ausweichende Antworten. Terry Stone von der City- Marketing-Organisation IFSL verweist darauf, dass Zahlen über Marktanteile kaum zu bekommen seien. Unverbindlich wird stattdessen auf den «gesunden Wettbewerb» zwischen den Finanzplätzen hingewiesen. Dabei ist man sich in London der relativen Vorteile der jeweiligen Standorte sehr bewusst. So hat sich Singapur in letzter Zeit mit viel Geld und einer klaren Strategie daran gemacht, das islamische Banking auszubauen. Dem Kleinstaat kommt dabei die geographische Nähe zu seinen politisch instabileren Nachbarn Indonesien und Malaysia zugute. In London ist man sich auch im Klaren darüber, dass Genf seit langem gute Beziehungen mit arabischen Kunden pflegt und die britischen Kanalinseln ihre Stärken beim Offshore-Banking und im Trust-Wesen haben. Gemäss Terry Stone hatte London jedoch zuletzt den grössten Mittelzufluss. Die besondere Attraktivität sei der «Cluster», den London biete. Dazu gehörten das breite Spektrum an Sachkenntnis von den Anwälten, Vermögensverwaltern bis hin zu den Fondsmanagern und die anerkannte Marktregulierung durch die Financial Services Authority. Als Standortvorteil sieht man in London auch das englische Rechtssystem, welches sowohl Flexibilität als auch Sicherheit und wirtschaftlichen Realismus biete und darum häufig von internationalen Firmen als Rechtsgrundlage gewählt werde. Das Know-how umfasst aber auch die menschlichen Seiten des Anlegens. Arabische Kunden, die dank dem Erdöl relativ mühelos zu Reichtum gekommen seien, seien zuweilen Spielernaturen, die einen schnellen Gewinn einer «langweiligen» Werterhaltung vorziehen, sagt ein Schweizer Privatkunden-Betreuer mit London-Erfahrung.

Ethnische Diversität als Standortvorteil
London profitiert beim islamischen Banking von seiner ethnischen Diversität. Rund um die Edgware Road, wo die Islamic Bank of Britain ihre erste Filiale eröffnet hat, lebt traditionell eine starke arabische Gesellschaft. Dies sieht ein Besucher unmittelbar sowohl an den Passanten wie auch an den vielen arabischen Restaurants und den zahlreichen Niederlassungen arabischer Banken. In London gibt es Kasinos, in denen wohlhabende Araber ungeniert dem Glücksspiel nachgehen können. London ist selbst ein Offshore- Zentrum für eine arabische Kundschaft, die zwar im Nahen Osten lebt, aber ihr Geld lieber in einem Land anlegt, das kein politisches Pulverfass ist. Gleichzeitig werden die vermögenden Muslime immer wichtigere Investoren für die westliche Welt. Gemäss Terry Stone wird heute bei der Finanzierung von Grossprojekten wie dem Bau von Kraftwerken oder beim Flugzeug-Leasing häufig eine Tranche speziell für islamische Investoren strukturiert.

Den Heimmarkt hat Grossbritannien in den letzten Jahren mit einer Reihe von Steuerreformen vorangetrieben. Mit der HSBC und Lloyds TSB sind zwei der grossen Banken mit einer ganzen Produktpalette im islamischen Banking für Retail-Kunden engagiert; zudem hatte die Islamic Bank of Britain im vergangenen Jahr von der britischen Finanzmarktaufsicht FSA eine eigene Banklizenz erhalten. Dies wird als wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem vollständigen Angebot an Scharia-konformen Bankdienstleistungen angesehen. Die Nachfrage im Heimmarkt hilft den britischen Banken auch, Lösungen für Detailfragen zu finden. Die Schwierigkeiten bei der Konstruktion einer Scharia-kompatiblen Hypothek für den Kauf britischer Sozialwohnungen sind nur ein Beispiel dafür. Iqbal Asaria, Vorsitzender der Expertengruppe für Finanzdienstleistungen beim islamischen Rat Grossbritanniens, verweist darauf, wie wichtig es für die Anbieter von islamischen Finanzdienstleistungen ist, im Dialog mit den unterschiedlichen Gelehrten zu sein. Ihre Anweisungen seien in den Grundlagen ähnlich; bei spezifischen Fragen könne es jedoch auch zu Abweichungen kommen.
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