Du hast mich schon richtig eingeschätzt...))
Aber angefangen mit der Provozierung in diesem Thread
hast Du....Steinewerfer...
Na warten wir mal ab, was morgen hier los ist...
hoffentlich nicht mit so einem Ausgang wie damals..
Wer tötete Olaf R.?
Vor zwanzig Jahren wurde der Demonstrant Olaf Ritzmann getötet. Ein Lehrstück in Sachen machtstaatlicher Zynismus
"Die Demokratie muss gelegentlich in Blut gebadet werden", soll Franz Josef Strauß den Putsch Augusto Pinochets kommentiert haben. Das war auf Lateinamerika gemünzt, in Europa mag man?s eine Nummer kleiner. Doch auch das kann tödlich enden, und zwar nicht nur in Bayern. Dass auch Sozialdemokraten das kleine Einmaleins der Aufstandsbekämpfung beherrschen, konnten sie beim Besuch des Kanzlerkandidaten Strauß in Hamburg zeigen, der am 25. August 1980 stattfand. Die brutalen Polizeieinsätze dieses Tages forderten einen toten Demonstranten: Olaf Ritzmann, 16 Jahre alt, Tischlerlehrling. Anders als bei Benno Ohnesorg oder Klaus Jürgen Rattay ist sein Fall heute fast vergessen.
Für eine Radiosendung haben wir die Geschehnisse von vor zwanzig Jahren in einer Collage aus Zeitzeugnissen zu rekonstruieren versucht. Die meisten dieser Dokumente verdanken wir dem Untersuchungsausschuss linker Gruppen und Organisationen, der damals versuchte, die Vorfälle aufzuklären
"Über 15.000 Menschen haben am 25. August gegen F.J. Strauß demonstriert, der Vertreter einer Politik ist, die sich festmachen läßt z. B. an:
- Kriegshetze
- Unterstützung von Militärdiktaturen
- Unterdrückung und Liquidierung von Protestbewegungen und freier Meinungsäußerung
- Verstärkte Ausrichtung an den Interessen der Großindustrie und verstärkte Entmündigung und Entrechtung der Bevölkerung.
Ein großer Teil der Demonstranten (und keineswegs nur eine kleine, unbedeutende Gruppe, wie die bürgerliche Presse glauben machen will) hatte sich vorgenommen, und dazu auch öffentlich aufgerufen, den Auftritt des ?Kandidaten? mit seinen üblichen Hetzreden in Hamburg so weit wie möglich zu behindern. Die Demonstration sollte deshalb auch direkt zur Ernst-Merck-Halle gehen, wo die Strauß-Veranstaltung angesagt war.
Hamburgs SPD-Senat und die Polizeiführung der Hansestadt haben diesen weiterführenden Protestmarsch verboten ? und zur Durchsetzung des Demonstrationsverbots mit über 3.000 Polizisten und ?Grenzschützern? das seit langem größte Polizeistaatsmanöver in dieser Stadt veranstaltet.
[...]
Das spielte sich vor, während und nach der Anti-Strauß-Demonstration ab: Das gesamte, an das Messegelände angrenzende Karolinenviertel wurde abgeriegelt; Kneipen und Läden mußten schließen; einzelne Wohnungen wurden zwangsweise geräumt; Greiftrupps der Polizei mit Hunden und Hubschrauberunterstützung durchkämmten das Viertel nach "verdächtigen Personen". Öffentliche Verkehrsmittel im Innenstadtbereich wurden gesperrt, um das ganze Gebiet herum waren Straßensperren mit Personenkontrollen. Fliehende Demonstranten wurden niedergeknüppelt; Tränengasgranaten wurden (ohne Rücksicht auf Verluste) in die Menge geworfen.
Die etwa 5 bis 6.000 Demonstranten, die in Richtung Ernst-Merck-Halle marschiert waren, die massiven Sperren jedoch nicht überwinden konnten, sondern fortlaufend von Polizei und BGS angegriffen wurden (wobei es nur zeitweise gelang, diese Angriffe zurückzuschlagen) haben ihre Demonstration gegen 21.15 am S-Bahnhof Sternschanze mit einer kurzen Kundgebung abgeschlossen. Die Menge zerstreute sich, und ein größerer Teil der Demonstranten ging in den S-Bahnhof, um nach Hause zu fahren."
(aus einem Flugblatt)
"Sehr geehrte ?Spiegel?-Redaktion! Beiliegend schicke ich Ihnen einen ?Offenen Brief an den Innensenator?, den ich schrieb, nachdem mich die Nachricht vom Tode Olaf Ritzmanns, des mittelbaren Opfers des Polizeieinsatzes vom 25.8.1980 auf dem S-Bahnhof Sternschanze, erreichte und erschütterte.
Nach meiner Überzeugung kann der Polizeieinsatz gegen die auf dem Heimweg befindlichen Strauß-Gegner einzig den Zweck eines ?Rachefeldzuges? verfolgt haben, denn die Angegriffenen ? ihre Kundgebung war längst beendet ? standen friedlich wartend auf dem Bahnsteig (es wurde auch während des Einsatzes niemand verhaftet). Die tatsächlich geworfenen Steine dienten lediglich als Abwehr der Polizisten, die, indem sie mit Gummiknüppeln auf ihre Schilde schlugen, einen furchterregenden Lärm machten, wobei sie keilförmig gegen die Menschen vorrückten. Dieser Lärm und die Tränengasgranaten, die in die Menge geworfen wurden, waren der Grund für die Panik, die Olaf Ritzmann und viele andere ? vom Gas fast blind ? auf die Gleise trieb; auf dieser ziellosen Flucht ereignete sich dann in einiger Entfernung vom Bahnsteig der schwere, tödliche Unfall.
Da ich der Meinung bin, daß die Polizei ein solches Verhalten vorhersehen mußte, sie aber trotzdem so brutal vorging, ja sogar den anderen Ausgang des überfüllten Bahnhofes abriegelte, muß ich der Polizei bzw. der Einsatzleitung die Schuld für Olaf Ritzmanns Tod geben.
Deshalb schrieb ich den ?Offenen Brief? mit der Bitte um lückenlose Aufklärung und Bestrafung der schuldigen Beamten. Da der ?Spiegel? für seine faire, objektive Berichterstattung, aber auch für seine kritische Haltung der Staatsmacht gegenüber bekannt ist, bitte ich Sie um den Abdruck des ?Offenen Briefes?. Es muß auch einmal die andere Seite gehört werden."
(Leserbrief an den "Spiegel")
"Gegen 21 Uhr kam ich aus Richtung Feldstraße/Neuer Pferdemarkt in die Schanzenstraße. Genau in der kurzen Zwischenzeit, bevor die Demospitze wieder in die Schanzenstraße einbog, kamen eine größere Anzahl Einsatzfahrzeuge der Polizei die Schanzenstraße heraufgefahren. Nach meiner Erinnerung bogen sie in die Lagerstraße ab. Ich schloß mich dann der Demo an und ging mit zum S-Bahnhof. Nach der kurzen Abschlußkundgebung, die wohl keine 5 Minuten dauerte, wollte ich zum Schulterblatt gehen. Es ist zu betonen, daß es zu dieser Zeit völlig ruhig war und jeder sich in die verschiedenen Richtungen auf den Heimweg machte.
Gerade als ich mich unter der S-Bahnbrücke befand, fuhren die Polizeifahrzeuge vor, hielten völlig überraschend an. Gleichzeitig wurden auch schon die Türen der Einsatzfahrzeuge aufgerissen, und die Beamten stürzten mit Schlagstöcken und Schilden bewaffnet auf die am Bahnhofseingang stehenden oder gehenden Passanten. Es war weiter so, daß die Polizisten Gasschutzbrillen trugen. Der ganze Vorgang spielte sich in wenigen Sekunden ab, ich war z. B. nicht mehr in de Lage, wenige Schritte weiter zu gehen, um aus dem Eingangsbereich des Bahnhofs wegzukommen.
Äußerst wichtig für die weiteren Vorkommnisse ist, daß die Polizisten dermaßen aggressiv auftraten, daß jedem nur ein Gedanke kam: ?Bloß nicht denen zu nahe kommen, die wissen ja vor lauter Wut nicht mehr, was sie tun.? So wurden beim Aussteigen aus den Wagen die Leute auf dem Bürgersteig angeschrien: ?Wo wollt ihr denn hin??, ?Jetzt geht?s los!?, ?Auf euch haben wir gewartet, ihr Säue!?, ?Jagt die Schweine!?
Das sind nur einige der ?Bemerkungen?, die die Beamten machten.
Weiter wichtig ist, daß die Polizisten ohne irgendeine Vorwarnung sofort mit den Knüppeln auf die Schilde schlugen und in die Bahnhofshalle reinstürmten. In der Bahnhofshalle und auf der Treppe entstand eine unbeschreibliche Panik, weil die Bullen kurz vor dem Ende der Treppe anfingen, Tränengas oder Rauchpatronen zu werfen. Es herrschte wie gesagt eine große Panik, weil einerseits die Bullen von hinten brutal auf die letzten Leute einknüppelten, die natürlich auch schnell nach oben wollten, andererseits es gar nicht möglich war, so schnell zu fliehen, weil sich auf dem Bahnsteig ein Stau bildete (die Kontrollsperre und ein Kiosk verengen noch mal den Bewegungsraum). Ich selber war ziemlich weit hinten auf der Treppe, als die Bullen kamen.
Auf dem Bahnsteig war wegen der Enge ein totales Chaos. Jeder hatte wohl Angst, auf die Gleise zu stürzen, weil bei dem Gedränge keiner mehr erkennen konnte, wo der Bahnsteig zu Ende war. So wie ich beobachten konnte, sind deshalb einige Leute auch auf die Gleise gesprungen. Andere versuchten sich in Richtung Altona auf dem Bahnsteig und auf der Brücke in Sicherheit zu bringen."
(aus einem Gedächtnisprotokoll)
"Die Abschlußkundgebung der Demo war zu Ende. Die Demonstranten waren im Begriff, nach Hause zu gehen. Die Bahnhofsuhr zeigte 21.15 Uhr an. Pötzlich fuhren Polizeimannschaftswagen heran, Polizisten sprangen mit Schild und Knüppel hinaus und sperrten den Nebeneingang des Bahnhofs Schanzenstraße und die Straße bis zum Rondell ab. Fünf bis sechs Polizisten überfielen den am Rondell parkenden Sanitäterwagen, und ich sah, wie mindestens eine Person aus dem Wagen gezerrt wurde. Mehr konnte ich nicht sehen, weil die Polizisten auf uns zukamen.
Unsere Gruppe stob auseinander, ich stand plötzlich allein auf dem Platz und lief zu den Demonstranten am Haupteingang des Bahnhofs. Ich lief deshalb dahin, weil ich Angst hatte, daß Polizisten mich allein catchen würden. Ich stand noch vorm Haupteingang, als die Polizisten anfingen, alle Leute in den Bahnhof reinzutreiben. Ich lief in den Bahnhof rein und wollte beim Nebeneingang wieder raus. Als ich um die Ecke bog, sah ich, wie die Polizisten vom Nebeneingang mit erhobenen Knüppeln auf uns zurannten. Ihr Stiefelgetrampel ist mir immer noch im Ohr.
Ich wußte nicht mehr, wohin ich rennen sollte, bekam immer mehr Angst, als ich die haßerfüllten Gesichter der Polizisten sah. Ich ergriff die Flucht und wollte die Treppe zum Bahnsteig hochrennen. Es war die einzige Fluchtmöglichkeit. Auf der Treppe war ein panisches Gedränge, manche fielen hin, wurden zum Glück wieder aufgehoben. Ich war in der letzten Reihe, und die Polizisten droschen mit ihren Knüppeln auf uns ein. Neben meinen Füßen landeten ständig Knüppelhiebe. Ich hatte panische Angst, ergriffen zu werden.
Manche von uns bekamen sehr viel Hiebe ab, manche wurden ergriffen ? was mit ihnen geschah, weiß ich nicht, ich hatte Angst, mich umzudrehen. Als ich mich auf der Hälfte der Treppe befand, detonierte neben mir eine Tränengasbombe. Ich lief noch schneller, und als ich oben war, detonierten noch zwei Bomben. Ich hatte Angst, in dem Gedränge auf die Gleise zu stürzen, deshalb rannte ich schnurstracks geradeaus in Richtung U-Bahn."
(aus einem Gedächtnisprotokoll)
"Kurz nach Abschluß der Kundgebung fuhren einige Mannschaftswagen vor. Deswegen ging ich in den Bahnhof, um mit der S-Bahn nach Hause zu fahren. Die Halle und die Treppe waren dicht voll von Menschen. Als ich noch vor der Treppe angelangt war, riefen von hinten welche: ?Sie kommen?, woraufhin viele zu rennen begannen. Einige riefen: ?Ruhig bleiben, nicht laufen! Stehenbleiben!? Auf dem Bahnsteig lief gerade der Zug Richtung Altona aus. Weil ich in diesen nicht mehr einsteigen konnte, ging ich in Fahrtrichtung ein Stückchen mit, auf das Ende des Bahnsteigs zu. Da begannen die Menschen auf der Treppe zu rennen und zu schreien: ?Die Bullen kommen!? Ich lief in der Richtung weiter, in der ich gerade stand, weil es mit oder ohne Überlegung keine andere Möglichkeit mehr gegeben hätte. Ich sprang auf die Gleise, stolperte und befand mich kurz darauf auf einem schmalen Rost, der über die Brücke führte. Als ich mich hier umdrehte, sah ich Tränengaswolken und von Bullen gejagte Menschen. Ich hörte Hunde bellen. Deshalb wollte ich schnell weg und sprang in das Gebüsch hinter der Brücke. Ich hatte nicht damit gerechnet, daß es dahinter steil bergab ging, und ich fiel hinab. Unten gingen vor und hinter mir noch einige andere. Hinten bellten die Hunde und schrien Menschen. Über uns flog ein Hubschrauber mit Scheinwerfern."
(aus einem Gedächtnisprotokoll)
"Gleich darauf sah man auch die Verfolger, die in ganz kurzem Abstand die Treppe heraufstürmten: drei, vier Reihen Polizisten in schwarzen Lederjacken, mit Helm, Schild, die Knüppel wild schwingend. Auf dem Bahnsteig war jetzt ein wildes Gedränge. Die Bullen stoppten auf den letzten Stufen, und aus ihrer Mitte wurden kurz hintereinander zwei Tränengasbomben in die Menschenmenge auf dem Bahnsteig geworfen. Das verursachte eine regelrechte Panik."
(aus einem Gedächtnisprotokoll)
"Wir versuchten uns gegen den Strom der losrennenden Menschen zu stellen, indem wir uns, hingewandt zum Eingang, umdrehten und den raufstürzenden Leuten zuriefen: ?Keine Panik, keine Panik!? außerdem versuchten wir so gut es ging, die Leute an den Klamotten festzuhalten, uns gegen sie zu stemmen und sie zu hindern, kopflos mit der Menge weiterzulaufen. Zeitweilig stand ich selbst nicht weiter als einen Meter von der Bahnsteigkante entfernt und drängte mich mit den anderen zur Mitte und zum Ausgang der Plattform. In der Zeit sah ich, wie zwei Tränengasgranaten ben auf den Bahnsteig flogen und sich das Tränengas schnell verbreitete. In diesem Durcheinander, das ich auch als Chaos bezeichnen kann, wurden die nach oben drängenden Leute gegen die Stützpfeiler des Bahnhofs gedrückt, und viele wurden umgestoßen und fielen hin etc. Dann sahen wir aus Richtung Altona die Lichter eines Zuges, der näher kam und dann plötzlich anhielt, und zwar mit den ersten beiden Abteilen an der Plattform. Die Panik auf der Plattform, die die ganze Zeit bisher angehalten hatte, hörte mit dem Halt des Zuges auf einmal auf. Es war Ruhe. Wir hörten dann die Durchsage des Bahnhofslautsprechers, daß der Zugverkehr eingestellt werde. Dann ging auch schon das Gerücht um, es sei ein Unfall passiert, was immerhin den vorzeitigen Halt des Zuges erklärte."
(aus einem Gedächtnisprotokoll)
"Die Leute rasten in wilder Panik vom Haupteingang her über den Bahnsteig an uns vorbei ... Dann kam der Ruf ?einer ist vor die S-Bahn gefallen?. ... Auf dem Bahnhof selbst habe ich nur Bahnpolizei mit Hunden (Maulkörbe) gesehen. Zu einer aufgeregten Gruppe von Demonstranten sagten Bahnpolizisten sinngemäß: ?Seid doch ruhig, hier dürfen sie nicht rauf (gemeint war die Polizei)? ... die Reisenden im Abteil waren aufgeregt, wir wiesen darauf hin, daß die Polizei den Bahnhof umstellt hatte, im Bahnhof Tränengas war. Ich riet, daß sie im Abteil bleiben sollten, was sie auch taten. Wir diskutierten dann mit den Reisenden über den Polizeieinsatz im Bahnhof. Eine Frau sagte: ?Die haben doch tatsächlich Tränengas eingesetzt, ihr habt ja richtig rote Augen, wie kleine weiße Kaninchen!?"
(aus einem Gedächtnisprotokoll)
"Es kam jetzt noch ein Sanitäter, der hatte eine Lampe in der Hand und rannte damit auf die Gleise. Man konnte nun vom Bahnsteig aus sehen, daß sich dort an dem Verletzten zu schaffen gemacht wurde. Und zwar an der Stelle, wo sich die Gleise beider Richtungen für die jeweiligen Bahnsteigseiten voneinander entfernen, aber mehr auf der Gleisseite, die Richtung Altona führt [...]. Mir schien das alles unendlich lange zu dauern, bis endlich Sanitäter mit einer Tragbahre erschienen.
Als sie den Verletzten dann an uns vorbeitrugen, konnte man sehen, daß sie seinen Kopf mit Mullbinden umwickelt hatten. Darunter war auf der Bahre ein riesengroßer Blutfleck. Mir wurde ganz schlecht, als ich das sah. Die Empörung bei uns allen auf dem Bahnsteig war groß, Rufe des Zorns wurden laut, viele empfanden die Anwesenheit der Bullen mit den Hunden, die nun wirklich total überflüssig waren, als eine absichtliche Provokation."
(aus einem Gedächtnisprotokoll)
"Beim Bahnsteigende vor der Brücke standen Polizisten mit Mützen und Hunden mit Maulkorb. Die sagten, die Leute sollten hinter die Absperrung gehen. G. hörte, wie die Leute über den Unfall redeten. G. sagte zu einem der Bullen, er solle lieber dafür sorgen, daß die Bahre schnell kommt. Der meinte, es gebe hier noch mehr so kluge Leute wie G. Zwei Demonstranten drohten dem [...] Bullen. [...] Der Demonstrant drohte dem Bullen mit der Hand, darauf nahm der eine Bulle dem Hund den Maulkorb ab."
(aus einem Gedächtnisprotokoll)
"Endlich fuhr auch der S-Bahnzug in Richtung Dammtor richtig in den Bahnhof ein. Ich stieg ein, viele andere auch. [...] Endlich wurden auch die Türen geschlossen, und der Zug zog gerade langsam an, als jemand im Abteil rief: die kommen schon wieder! Ich drehte mich um und sah aus dem Zugfenster, da ein Pulk Leute auf dem Bahnsteig in Richtung U-Bahnhof-Ausgang rannte. Der Zug war sofort stehengeblieben. Die Türen wurden (von den Leuten im Zug) aufgerissen, bei uns innen riefen welche: Macht Platz, laßt die Leute rein! Viele der Flüchtenden kamen zu uns. Währenddessen war eine wilde Verfolgungsjagd auf dem Bahnsteig im Gange. Knüppelschwingende Bullen nahmen sich einzelne Leute vor. Ich sah, wie auf am Boden Liegende eingedroschen wurde, einer flog auf die gegenüberliegende Bahnsteigkante zu, zwei Bullen hinter ihm her, während dort gerade ein Zug der Gegenrichtung einfuhr. Der Geschlagenen kam kurz vor der Kante zum Stilliegen, die Bullen ließen von ihm ab, so daß er sich aufrappeln konnte. Er wäre um Haaresbreite mit dem rollenden Zug kollidiert. Wir hatten währenddessen hinter den Flüchtenden die Zugtüren zugemacht und hielten sie mit aller Kraft geschlossen. Draußen versuchten die knüppelschwingenden Bullen, die Türen aufzureißen. Man sah ihnen richtig an, wie sie Lust hatten, draufloszudreschen."
(aus einem Gedächtnisprotokoll)
"Hamburg, 30. August. Vier Tage nach den schweren Krawallen während des Strauß-Besuchs in Hamburg ist am Freitagmorgen der 16jährige Tischlerlehrling Olaf Ritzmann seinen schweren Verletzungen erlegen. Der Jugendliche, der als Vollwaise in einem Heim lebte, war nach der Demonstration vom Bahnhof Sternschanze aus über die Gleisanlagen gelaufen und dabei von einer S-Bahn erfaßt worden. Schwer verletzt wurde er in die Intensivstation des Krankenhauses Altona gebracht, erlangte aber das Bewußtsein nicht wieder. Die Polizei hat Vorwürfe, sie sei mitschuldig am Tod des Lehrlings, entschieden zurückgewiesen."
(Hamburger Abendblatt, 31.8.1980)
Erst "um 21.40 Uhr, also 17 Minuten, nachdem Olaf vor den Zug geraten war", ist eine Hundertschaft der Polizei eingetroffen.
(Hamburger Abendblatt, 28.8.1980)
"Die Polizei, die bisher immer nur von einem Einsatz im Sternschanzen-Bahnhof sprach, der um 21.40 begann, bestätigte dem Abendblatt gestern nun doch einen zweiten Einsatz am gleichen Ort."
(Hamburger Abendblatt, 5.9.1980)
"Vier Tage wurde Olaf Ritzmann noch künstlich am Leben gehalten. Erst am Freitag vorletzter Woche durfte der 16jährige Tischlerlehrling sterben. Gehirntot aber war er schon am Montag davor, als er von einem Zug der Hamburger S-Bahn erfaßt und auf die Gleise geschleudert wurde. Auf einen Wink der Polizei hatten die Ärzte das kurze Leben des jungen Mannes noch um ein paar Tage verlängert. Man wollte vermeiden, daß es im Anschluß an die blutigen Auseinandersetzungen nach einer Anti-Strauß-Demonstration auch noch zum Märtyrer-Mythos komme."
(Die Zeit, 12.9.1980)
"Die Anwendung von Tränengasgranaten wird ausdrücklich für den gesamten Demonstrationseinsatz bestritten. [...] Nach Darstellung der Polizei hatte Olaf R. zusammen mit anderen Jugendlichen den Bahnsteig verlassen und war auf den Gleisen bis zu einer Eisenbahnbrücke gegangen. Von dort seien Polizeibeamte, die sich unterhalb der Brücke im Einsatz befanden, mit Steinen beworfen worden. Als die Polizei nicht auf die Brücke gekommen sei, hätten sich die Jugendlichen auf den Rückweg zum Bahnsteig gemacht. Dabei sei Olaf R. von dem Zug, der nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte, angefahren worden. Erst danach sei ein Gruppe Bahnpolizei und später Schutzpolizei auf den Bahnsteig gekommen."
(taz, 1.9.1980)
"Nach übereinstimmenden Berichten der Polizei und Bahnpolizei tobten die zum Teil jugendlichen Demonstrationsteilnehmer [nach der Räumung des Bahnhofsvorplatzes] über die Gleise Richtung Altona weiter."
(Hamburger Abendblatt, 27.8.1980)
"Der Ermittlungsausschuß nahm auch Stellung zu Behauptungen der Polizei aus der ?Zeit? vom 12.9, diese wolle einen geplanten ?Märtyrer-Mythos? vermeiden. Aus diesem Grunde habe die Polizei den klinischen Tod Olafs um ein paar Tage verlängern lassen. Mit der gleichen Begründung wird heute die Beerdigung Olafs auf unbestimmte Zeit verschoben. Wir protestieren gegen diese Art von Politik mit dem toten Jungen seitens staatlicher Behörden. Der Ermittlungsausschuß und diejenigen, die seine Arbeit unterstützen, will keinen ?Märtyrer? schaffen oder gar ?Vermarktung eines Toten? betreiben, wie Bürgermeister Klose vorwirft; der Ermittlungsausschuß will die vollständige Aufklärung der Ereignisse vom 25.8. und die Bestrafung der Verantwortlichen. Er fordert dies auch im Interesse des Schutzes von Demonstranten vor solchen Polizeieinsätzen in der Zukunft."
(Presseerklärung des Ermittlungsausschuß, 16.9.1980)
"[...] der vom ?Ermittlungsausschuß? konstruierte Zusammenhang zwischen Polizeieinsatz und Tod von Olaf Ritzmann [bleibt] unbegründet. Der Junge wurde zu weit vom Bahnsteig entfernt vom Zuge getroffen. Er hätte ? wäre er tatsächlich vor der Polizei davongelaufen ? sehr viel Zeit gehabt, den entgegenkommenden Zug zu sehen. Überdies befand sich vor dem Unglück kein einziger Polizist auf dem Bahnsteig.
Und nicht einmal der ?Ermittlungsausschuß? will abstreitenden, daß die ?Flüchtenden? noch genügend Zeit gefunden hatten, die Polizei mit Steinwürfen zu pisacken. [...] Auch er Aufsichtsbeamte der Bahn sah vor dem Unfall keine Panik auf dem Bahnsteig. Mehrere Demonstranten aber berichteten noch etwas anderes: Jugendliche seien an diesem Tage mit einer bisher ungekannten Aggessivität gegen die Polizei vorgegangen, hätten immer wieder aus den Demonstrationsreihen heraus angegriffen. Lange hätte die Polizei die Angriffe defensiv hingenommen, erzählte ein Teilnehmer, erstaunt über die ?große Zahl unpolitischer Punker?. Einer von ihnen scheint Olaf Ritzmann gewesen zu sein. Bereits am Nachmittag war ihm ein Schlagstock abgenommen worden. Und angestachelt wurden die Jugendlichen auch noch von einer Demonstrationsleitung, die immer wieder aufforderte, die Polizeiketten zu durchbrechen.
Olaf Ritzmann wäre demnach nicht ? wie der ?Ermittlungsausschuß? behauptet ? das ?zweite Demonstrationsopfer in der Bundesrepublik nach Benno Ohnesorg?, sondern das erste Opfer einer schon bei den Bremer Krawallen beobachteten neuen Welle jugendlicher Brutalität."
(Die Zeit, 12.9.1980)