Denke auch, daß die sich wieder erholen.
Gruß
EXPRO
Firmengründer Schambach bekräftigt wachsende Bedeutung des Internet-Handels
Intershop sieht Turbulenzen gelassen
Intershop-Gründer Stephan Schambach sieht in der Börsen-Baisse auch Vorteile für sein Software-Unternehmen: Konkurrierende Start-Ups können sich schwerer etablieren. Der Arbeitsmarkt entspannt sich.
JOACHIM DORFS, SILKE KERSTING
HANDELSBLATT, 20.10.2000
BERLIN. Der aktuelle Kursverfall der High-Tech-Aktien behindert das Wachstum von Unternehmen der New Economy. „Einige Unternehmensübernahmen, die noch vor einem halben Jahr an der Börse auf Begeisterung gestoßen sind, wären heute nicht mehr möglich“, meint Stephan Schambach, Gründer und Chef der Jenaer Intershop Communications AG.
„Investoren betrachten heute den High-Tech-Sektor kritischer als vor einigen Monaten“, sagte Schambach im Gespräch mit dem Handelsblatt. Für Intershop, den nach den US-Firmen Broadvision und Open Market weltweit drittgrößten Anbieter von E-Commerce-Software, sei das nicht unbedingt ein Nachteil. „Für uns als etabliertes Unternehmen ist es nicht schlecht, wenn die Eintrittsbarrieren in der Branche höher werden.“ Mit anderen Worten: Für Neugründungen wird es bei den derzeitigen Börsenkursen schwerer, frisches Kapital zu erhalten.
Seit Anfang September ist der Wert der Intershop-Aktie um mehr als die Hälfte auf nunmehr knapp über 50 Euro eingebrochen. Dies entspricht einem Rückgang des Börsenwerts von rund 9 Mrd. auf 4 Mrd. Euro. Seit März hat Intershop sogar 8 Mrd. Euro an Marktkapitalisierung verloren. Der Titel wird am Frankfurter Neuen Markt und seit Ende September auch an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq notiert.
Den jüngsten Kursverfall führen Analysten unter anderem auf die unklare Gewinnsituation zurück. Intershop hatte im ersten Halbjahr 2000 erstmals schwarze Zahlen ausgewiesen, meldete aber für das dritte Quartal einen Verlust. Nun zweifeln Analysten an der Intershop-Prognose, im Gesamtjahr schwarze Zahlen schreiben zu wollen. Oliver Graf Wrangel, Analyst bei Merck, Finck & Co., erwartet ein leicht negatives Ergebnis, wenngleich er für die Intershop-Aktie positiv gestimmt bleibt. Umgesetzt hat Intershop in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 91 Mill. Euro, doppelt so viel wie im Gesamtjahr 1999. Der Umsatz von Marktführer Broadvision lag im vergangenen Jahr bei 115 Mill. $.
Schambach hält trotz der gegenwärtigen Kursschwäche Investitionen in E-Commerce-Unternehmen für eine solide Geldanlage. „E-Commerce hat wenig mit ,Hype’ zu tun. Bei E-Commerce geht es um die Automatisierung externer Geschäftsprozesse.“ Und der Druck zur Automatisierung nehme zu: „Das wird künftig entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit sein.“ Studien zufolge liegen die Wachstumsaussichten der E-Commerce-Branche bei 13 Mrd. $ in 2002. 1999 lag das Volumen bei 1,7 Mrd. $. Intershop selbst hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: 2003, gab Finanzvorstand Wilfried Beeck schon im März bekannt, will Intershop 1 Mrd. $ Umsatz erzielen.
Eine der größten Wachstumsbremsen der New Economy sieht Schambach im Mangel an qualifiziertem Personal. Zwar habe sich „der Arbeitsmarkt entspannt“. Es gebe sogar wieder „Leute aus dot-com-Firmen im Silicon Valley“. Dort hatte Intershop 1996 einen weiteren Unternehmenssitz eröffnet. Aber auch Deutschland – in Jena ist die Intershop-Produktentwicklung angesiedelt – hält Schambach weiter für einen „guten Standort für die New Economy“. Kritik übt er an der Green-Card-Regelung, die, verglichen mit den USA, „keine ist“, am Arbeitsrecht („zu unflexibel“) und der Bildungspolitik („zu wenig praxisnah“). Um an geeignete Mitarbeiter zu kommen, übernimmt Intershop auch ganze Unternehmen – so geschehen in diesem Frühjahr mit der Thüringer Owis GmbH samt 100 Softwaretüftlern.
HANDELSBLATT, Freitag, 20. Oktober 2000