Die Lage spitzt sich zu: DenVersicherern drohen angesichts des DAX-Absturzes riesige Abschreibungen. Damit geht es jetzt auch bei den Policen ans Eingemachte. Der Garantiezins soll gesenkt werden. Wie Verbraucher reagieren können
Manchmal hilft nur Zynismus: "Bis zum Aufschlag bei null", witzeln hilflose Börsianer derzeit, "ist es nicht mehr weit." Traurig, aber wahr. Allein in dieser Woche rauschte das Börsenbarometer der größten europäischen Volkswirtschaft zwischenzeitlich um zehn Prozent in die Tiefe und notierte am Mittwoch im Handelsverlauf bei 2188 Punkten - dem tiefsten Stand seit November 1995. Gegenüber seinem Allzeithoch im Jahr 2000 hat der DAX inzwischen 73 Prozent eingebüßt. "Wir sind mitten im Ausverkauf", diagnostiziert Joachim Paech, Leiter Sales Trading bei Julius Bär in Frankfurt. Vor allem Pensionsfonds und große europäische Versicherer "geben weiter massiv Papiere auf den Markt".
Die Lage der Versicherer ist mittlerweile ernst wie nie. Daran ändert auch die leichte Erholung des DAX zum Wochenende nichts. Welche Folgen die längste Börsen-Baisse der Geschichte für Versicherer - und Versicherte - hat, zeigt auch eine Studie der Rating-Agentur Fitch, die Anfang der Woche für reichlich Wirbel sorgte. Auf der Grundlage der Bilanzen der Versicherungsunternehmen von 2001 hatte Fitch berechnet, wie sich ein DAX-Verfall um weitere 35 Prozent auf die Bilanz 2002 auswirken würde. Das Ergebnis war erschreckend. Den deutschen Lebensversicherern, warnte Fitch-Analyst Marco Metzler, drohen "für 2002 stille Lasten und Abschreibungen von 45 bis 50 Milliarden Euro". Folge: Spätestens mit den Jahresabschlüssen 2003 dürften "35 Lebensversicherer auf der Kippe stehen", so Metzler gegenüber EURO.
Die Aussagen sorgten in der Branche für reichlich Wirbel. "Panikmache" wirft etwa der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) der Rating-Agentur vor. Die Studie sei "voreilig und unseriös", meinte GDV-Pressesprecherin Gabriele Hoffmann.
Auch Metzlers Kollegen sehen die Studie kritisch. Freilich weniger wegen des Inhalts: "Das Versicherungs- wie das Bankgeschäft ist ein Vertrauensgeschäft", sagt der Assekuranz-Analyst einer deutschen Bank, der lieber ungenannt bleiben will. "Die Hauptgefahr ist, dass die Kunden irgendwann das Vertrauen verlieren und auch das Neugeschäft leidet. Dann kommen wir in eine Abwärtsspirale hinein." Zugegeben, die Branche ist von diesem Szenario noch weit entfernt. Mit Argusaugen wacht das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen (Bafin) über die Versicherer. Selbst, wenn eine Versicherung in Schieflage gerät, steht inzwischen mit Protektor eine Auffanggesellschaft der Branche bereit und sichert die Ansprüche von Versicherten ab. Aber allein, dass inzwischen über eine Krise des gesamten Finanzsektors diskutiert wird, zeigt, wie ernst die Lage ist. Das bestreitet selbst der GDV nicht. Man könne "nicht ausschließen, dass es bei weiterem Börsenverfall in Einzelfällen zu Schwierigkeiten kommen kann", räumt auch Hoffmann ein. Unabhängige Beobachter sind da deutlicher: "Wenn der Markt sich nicht nachhaltig erholt, dann kann es spätestens nächstes Jahr für einzelne Versicherer richtig schwierig werden, für einige wenige sogar existenzbedrohend", prophezeit Volker Kudszus, Versicherungsanalyst bei WestLB Panmure in Düsseldorf. Zwar hält er den von Fitch genannten Abschreibungsbedarf für "viel zu hoch". Aber selbst bei grober Schätzung könnten zehn bis 15 Milliarden Euro zusammenkommen. Angesichts der Entwicklung brauchen viele Versicherer inzwischen frisches Eigenkapital. Allein bei der besonders gebeutelten Allianz dürften acht Millliarden Euro fällig sein, heißt es. Doch der Branchenprimus dementiert. "Das steht derzeit nicht auf der Tagesordnung", sagte Finanzchef Paul Achleitner erst vor kurzem im EURO-Interview. Möglich scheint aber, dass die Allianz eine Zwangswandelanleihe auflegt. Dabei erhalten Investoren einen Zinscoupon und zum Ablauf Allianz-Aktien. Eine Aussage könnte es bereits auf der Bilanz-Pressekonferenz am Donnerstag geben. Für andere Versicherer ist der Zugang zu frischem Eigenkapital dagegen praktisch vernagelt. "Wer würde denn dem schlechten Geld noch gutes hinterherwerfen", fragt Kudszus. Bei einigen, wie bei der ums Überleben kämpfenden Mannheimer, ist eine Kapitalerhöhung ohnehin utopisch. Andere Versicherer mit einer starken Mutter können wenigstens von ihr eine Geldspritze erhoffen. Doch eigenständige, nicht börsennotierte Gesellschaften wie die Hannoversche Leben haben selbst diese Möglichkeit nicht. "Bei denen wird’s wohl eng", heißt es in der Branche.
Die dramatische Entwicklung trifft auch die Verbraucher. Die Rendite von Lebensversicherungen setzt sich zusammen aus dem Garantiezins von derzeit 3,25 Prozent und einer möglichen Überschussbeteiligung. Angesichts boomender Aktienmärkte konnten Versicherer diese Überschüsse lange Jahre locker erwirtschaften. Doch die Aktien-Stampede ist erst mal vorbei, und die Überschussbeteiligungen schmelzen dahin. Während eine Lebensversicherung 2001 durchschnittlich noch insgesamt 7,25 Prozent abwarf, brachte sie im Vorjahr 6,13 Prozent. Für 2003 sollen es noch 4,79 Prozent sein. Doch Versicherer wie die Arag oder die Mannheimer können schon in diesem Jahr nur noch den gesetzlich garantierten Zins von 3,25 Prozent zahlen.
Und ab 2005 dürfte der Garantiezins für Neuverträge auf Druck der Versicherer sogar gesenkt werden. Möglich sei ein "Wert zwischen 2,75 bis 3 Prozent" , sagt Versicherungsmathematiker Martin Balleer, der Vorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), unter Verweis auf die Berechnungsbasis. Der Garantiezins entspricht nämlich maximal 60 Prozent des Mittelwerts der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen der vergangenen zehn Jahre. Auf dieser Basis könnte der Garantiezins erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg unter die psychologisch wichtige Marke von drei Prozent rutschen.
Das Wort der Mathematiker gilt in der Branche als vorentscheidend. Denn die DAV berät die Aufseher der Bafin bei der jährlichen Festsetzung des Garantiezinses. Die endgültige Entscheidung trifft dann das Bundesfinanzministerium. Die goldenen Zeiten scheinen also bei Lebensversicherungspolicen erst mal vorbei zu sein. Andererseits: Besser als gar nichts sind garantierte 2,75 Prozent allemal. Manchmal hilft eben nicht nur Zynismus, sondern auch Bescheidenheit. «
"35 Versicherer auf der Kippe"
EURO: Herr Metzler, der Ausverkauf an den Börsen geht weiter. Viele Versicherer stehen vor massiven Abschreibungen. Droht der deutschen Assekuranz eine Pleitewelle?
Metzler: Noch nicht. Auf Basis der 2002er-Abschlüsse nach HGB ist bei vielen Lebensversicherern die Welt noch in Ordnung. Viele nutzen die 2002 eingeführte Regelung nach Paragraph 341b des HGB. Danach sind Abschreibungen auf Wertpapiere nur bei dauerhaften Kursverlusten zwingend. Das heißt, sofern eine Aktie länger als sechs Monate 20 Prozent unter ihrem Buchwert notiert. Für viele Unternehmen ist das ein Hintertürchen, über das sie bislang um Abschreibungen herumgekommen sind und stattdessen stille Lasten gebildet haben.
EURO: Aber die Kursverluste sind doch dauerhaft, der DAX fällt weiter.
Metzler: Eben. Daher werden spätestens in den 2003er-Bilanzen satte Abschreibungen fällig, und dann kommt’s knüppeldick.
EURO: Wieso?
Metzler: Wir gehen allein für 2002 von Abschreibungen und stillen Lasten von 45 bis 50 Milliarden Euro aus, nur für die deutschen Lebensversicherer. Dem stehen stille Reserven in Immobilien und festverzinslichen Wertpapieren von zehn bis 15 Milliarden gegenüber. Die lassen sich im Notfall aber kaum realisieren.
EURO: Bei den Abschreibungen gehen die Schätzungen weit auseinander. Andere Experten rechnen eher mit zehn bis 30 Milliarden. Woher kommt diese Diskrepanz?
Metzler: Wenn Sie von den 45 bis 50 Milliarden die noch vorhandenen stillen Reserven abziehen, kommen Sie auf ähnliche Ergebnisse.
EURO: Einige Versicherer gelten bereits jetzt als angeschlagen. Werden die das überleben?
Metzler: Wohl kaum.
EURO: Wer ist am stärksten bedroht?
Metzler: Vor allem kleinere und mittelgroße Versicherer ohne starken Mutterkonzern. Für die dürfte es Ende 2003 ganz eng werden.
EURO: Wie viele wären das?
Metzler: Von den rund 120 Lebensversicherern in Deutschland dürften spätestens mit den Jahresabschlüssen 2003 und den bereits heute absehbaren Abschreibungen rund 35 auf der Kippe stehen.
Was tun
Sich nicht von Panik leiten lassen.
Wer seine Lebensversicherungen vorschnell kündigt, verliert Geld. Der Grund: Er bekommt nur den Rückkaufswert, der oft selbst nach acht Jahren noch niedriger liegt als die gezahlten Prämien. In den ersten beiden Jahren geht der Kunde meist ganz leer aus - sein Geld haben die Kosten für Vertragsabschluss, Todesfallschutz und Verwaltung aufgefressen. Wer kündigt, muss zudem Stornogebühren von drei bis fünf Prozent bezahlen und verliert den Anspruch auf den Teil der Überschussbeteiligung, der bei Vertragsende ausbezahlt wird. Als ob das nicht schon genug wäre, hält auch noch der Fiskus die Hand auf. Läuft der Vertrag bei Kündigung noch keine zwölf Jahre, wird Kapitalertragssteuer fällig. Wer eine neue Lebensversicherung abschließen will, muss einkalkulieren, dass er dort wieder Abschlusskosten von sechs bis acht Prozent bezahlt, die Frist für die Steuerfreiheit der Auszahlung von zwölf Jahren neu beginnt und eine neue Gesundheitsprüfung ansteht.
Alternative: Einzahlungen stoppen Rechnungszins und Überschussbeteiligung wirken sich nur auf den Sparanteil einer Lebensversicherung aus, also auf etwa 80 bis 55 Prozent der eingezahlten Beträge. Wer bereits längere Zeit in seinen Vertrag eingezahlt hat, kann diesen beitragsfrei stellen lassen. Das angesammelte Geld wird dann als Prämiendepot genutzt, aus dem die Beiträge für eine Versicherung mit deutlich verringerten Leistungen (Todesfallschutz und Ablaufleistung) bezahlt werden. Nach fünf Jahren Beitragszeit bleibt die Auszahlung steuerfrei. Vorteil: Es wird kein zusätzliches Geld investiert. Interessant bei Restlaufzeiten von drei bis fünf Jahren.
Alternative: Einzahlung verringern
Ohne steuerliche Nachteile kann man mit einem ungünstigen Versicherer vereinbaren, die Zahlungen zu verringern. Auf diese Weise lassen sich etwa die dynamische Anpassung der Prämien stoppen oder zusätzliche Komponenten wie erhöhte Auszahlung bei Unfalltod oder Berufsunfähigkeit kündigen. Lang laufende Versicherungen ungünstiger Anbieter kann man in der Laufzeit zurückfahren. Aber Achtung: Der Vertrag muss anschließend noch zwölf Jahre laufen, um den Steuervorteil zu erhalten. Die Verlängerung der Laufzeit bei niedrigerer Monatsprämie ist kein gutes Geschäft, dadurch steigt in der Laufzeit der Risikoanteil an.
Alternative: Police verkaufen
Wer seine Lebensversicherung an einen Investor verkaufen kann, bekommt im Durchschnitt zehn Prozent mehr Geld zurück als bei einer Kündigung. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland professionelle Käufer, der wichtigste ist Cashlife in München. Allerdings sind dort nicht alle Gesellschaften willkommen. Mindestanforderungen sind ein Investment-Grade-Rating von Moody’s oder Standard&Poor’s, ein Rückkaufswert von 10000 Euro und eine Restlaufzeit von unter 15 Jahren.
Manchmal hilft nur Zynismus: "Bis zum Aufschlag bei null", witzeln hilflose Börsianer derzeit, "ist es nicht mehr weit." Traurig, aber wahr. Allein in dieser Woche rauschte das Börsenbarometer der größten europäischen Volkswirtschaft zwischenzeitlich um zehn Prozent in die Tiefe und notierte am Mittwoch im Handelsverlauf bei 2188 Punkten - dem tiefsten Stand seit November 1995. Gegenüber seinem Allzeithoch im Jahr 2000 hat der DAX inzwischen 73 Prozent eingebüßt. "Wir sind mitten im Ausverkauf", diagnostiziert Joachim Paech, Leiter Sales Trading bei Julius Bär in Frankfurt. Vor allem Pensionsfonds und große europäische Versicherer "geben weiter massiv Papiere auf den Markt".
Die Lage der Versicherer ist mittlerweile ernst wie nie. Daran ändert auch die leichte Erholung des DAX zum Wochenende nichts. Welche Folgen die längste Börsen-Baisse der Geschichte für Versicherer - und Versicherte - hat, zeigt auch eine Studie der Rating-Agentur Fitch, die Anfang der Woche für reichlich Wirbel sorgte. Auf der Grundlage der Bilanzen der Versicherungsunternehmen von 2001 hatte Fitch berechnet, wie sich ein DAX-Verfall um weitere 35 Prozent auf die Bilanz 2002 auswirken würde. Das Ergebnis war erschreckend. Den deutschen Lebensversicherern, warnte Fitch-Analyst Marco Metzler, drohen "für 2002 stille Lasten und Abschreibungen von 45 bis 50 Milliarden Euro". Folge: Spätestens mit den Jahresabschlüssen 2003 dürften "35 Lebensversicherer auf der Kippe stehen", so Metzler gegenüber EURO.
Die Aussagen sorgten in der Branche für reichlich Wirbel. "Panikmache" wirft etwa der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) der Rating-Agentur vor. Die Studie sei "voreilig und unseriös", meinte GDV-Pressesprecherin Gabriele Hoffmann.
Auch Metzlers Kollegen sehen die Studie kritisch. Freilich weniger wegen des Inhalts: "Das Versicherungs- wie das Bankgeschäft ist ein Vertrauensgeschäft", sagt der Assekuranz-Analyst einer deutschen Bank, der lieber ungenannt bleiben will. "Die Hauptgefahr ist, dass die Kunden irgendwann das Vertrauen verlieren und auch das Neugeschäft leidet. Dann kommen wir in eine Abwärtsspirale hinein." Zugegeben, die Branche ist von diesem Szenario noch weit entfernt. Mit Argusaugen wacht das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen (Bafin) über die Versicherer. Selbst, wenn eine Versicherung in Schieflage gerät, steht inzwischen mit Protektor eine Auffanggesellschaft der Branche bereit und sichert die Ansprüche von Versicherten ab. Aber allein, dass inzwischen über eine Krise des gesamten Finanzsektors diskutiert wird, zeigt, wie ernst die Lage ist. Das bestreitet selbst der GDV nicht. Man könne "nicht ausschließen, dass es bei weiterem Börsenverfall in Einzelfällen zu Schwierigkeiten kommen kann", räumt auch Hoffmann ein. Unabhängige Beobachter sind da deutlicher: "Wenn der Markt sich nicht nachhaltig erholt, dann kann es spätestens nächstes Jahr für einzelne Versicherer richtig schwierig werden, für einige wenige sogar existenzbedrohend", prophezeit Volker Kudszus, Versicherungsanalyst bei WestLB Panmure in Düsseldorf. Zwar hält er den von Fitch genannten Abschreibungsbedarf für "viel zu hoch". Aber selbst bei grober Schätzung könnten zehn bis 15 Milliarden Euro zusammenkommen. Angesichts der Entwicklung brauchen viele Versicherer inzwischen frisches Eigenkapital. Allein bei der besonders gebeutelten Allianz dürften acht Millliarden Euro fällig sein, heißt es. Doch der Branchenprimus dementiert. "Das steht derzeit nicht auf der Tagesordnung", sagte Finanzchef Paul Achleitner erst vor kurzem im EURO-Interview. Möglich scheint aber, dass die Allianz eine Zwangswandelanleihe auflegt. Dabei erhalten Investoren einen Zinscoupon und zum Ablauf Allianz-Aktien. Eine Aussage könnte es bereits auf der Bilanz-Pressekonferenz am Donnerstag geben. Für andere Versicherer ist der Zugang zu frischem Eigenkapital dagegen praktisch vernagelt. "Wer würde denn dem schlechten Geld noch gutes hinterherwerfen", fragt Kudszus. Bei einigen, wie bei der ums Überleben kämpfenden Mannheimer, ist eine Kapitalerhöhung ohnehin utopisch. Andere Versicherer mit einer starken Mutter können wenigstens von ihr eine Geldspritze erhoffen. Doch eigenständige, nicht börsennotierte Gesellschaften wie die Hannoversche Leben haben selbst diese Möglichkeit nicht. "Bei denen wird’s wohl eng", heißt es in der Branche.
Die dramatische Entwicklung trifft auch die Verbraucher. Die Rendite von Lebensversicherungen setzt sich zusammen aus dem Garantiezins von derzeit 3,25 Prozent und einer möglichen Überschussbeteiligung. Angesichts boomender Aktienmärkte konnten Versicherer diese Überschüsse lange Jahre locker erwirtschaften. Doch die Aktien-Stampede ist erst mal vorbei, und die Überschussbeteiligungen schmelzen dahin. Während eine Lebensversicherung 2001 durchschnittlich noch insgesamt 7,25 Prozent abwarf, brachte sie im Vorjahr 6,13 Prozent. Für 2003 sollen es noch 4,79 Prozent sein. Doch Versicherer wie die Arag oder die Mannheimer können schon in diesem Jahr nur noch den gesetzlich garantierten Zins von 3,25 Prozent zahlen.
Und ab 2005 dürfte der Garantiezins für Neuverträge auf Druck der Versicherer sogar gesenkt werden. Möglich sei ein "Wert zwischen 2,75 bis 3 Prozent" , sagt Versicherungsmathematiker Martin Balleer, der Vorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), unter Verweis auf die Berechnungsbasis. Der Garantiezins entspricht nämlich maximal 60 Prozent des Mittelwerts der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen der vergangenen zehn Jahre. Auf dieser Basis könnte der Garantiezins erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg unter die psychologisch wichtige Marke von drei Prozent rutschen.
Das Wort der Mathematiker gilt in der Branche als vorentscheidend. Denn die DAV berät die Aufseher der Bafin bei der jährlichen Festsetzung des Garantiezinses. Die endgültige Entscheidung trifft dann das Bundesfinanzministerium. Die goldenen Zeiten scheinen also bei Lebensversicherungspolicen erst mal vorbei zu sein. Andererseits: Besser als gar nichts sind garantierte 2,75 Prozent allemal. Manchmal hilft eben nicht nur Zynismus, sondern auch Bescheidenheit. «
"35 Versicherer auf der Kippe"
EURO: Herr Metzler, der Ausverkauf an den Börsen geht weiter. Viele Versicherer stehen vor massiven Abschreibungen. Droht der deutschen Assekuranz eine Pleitewelle?
Metzler: Noch nicht. Auf Basis der 2002er-Abschlüsse nach HGB ist bei vielen Lebensversicherern die Welt noch in Ordnung. Viele nutzen die 2002 eingeführte Regelung nach Paragraph 341b des HGB. Danach sind Abschreibungen auf Wertpapiere nur bei dauerhaften Kursverlusten zwingend. Das heißt, sofern eine Aktie länger als sechs Monate 20 Prozent unter ihrem Buchwert notiert. Für viele Unternehmen ist das ein Hintertürchen, über das sie bislang um Abschreibungen herumgekommen sind und stattdessen stille Lasten gebildet haben.
EURO: Aber die Kursverluste sind doch dauerhaft, der DAX fällt weiter.
Metzler: Eben. Daher werden spätestens in den 2003er-Bilanzen satte Abschreibungen fällig, und dann kommt’s knüppeldick.
EURO: Wieso?
Metzler: Wir gehen allein für 2002 von Abschreibungen und stillen Lasten von 45 bis 50 Milliarden Euro aus, nur für die deutschen Lebensversicherer. Dem stehen stille Reserven in Immobilien und festverzinslichen Wertpapieren von zehn bis 15 Milliarden gegenüber. Die lassen sich im Notfall aber kaum realisieren.
EURO: Bei den Abschreibungen gehen die Schätzungen weit auseinander. Andere Experten rechnen eher mit zehn bis 30 Milliarden. Woher kommt diese Diskrepanz?
Metzler: Wenn Sie von den 45 bis 50 Milliarden die noch vorhandenen stillen Reserven abziehen, kommen Sie auf ähnliche Ergebnisse.
EURO: Einige Versicherer gelten bereits jetzt als angeschlagen. Werden die das überleben?
Metzler: Wohl kaum.
EURO: Wer ist am stärksten bedroht?
Metzler: Vor allem kleinere und mittelgroße Versicherer ohne starken Mutterkonzern. Für die dürfte es Ende 2003 ganz eng werden.
EURO: Wie viele wären das?
Metzler: Von den rund 120 Lebensversicherern in Deutschland dürften spätestens mit den Jahresabschlüssen 2003 und den bereits heute absehbaren Abschreibungen rund 35 auf der Kippe stehen.
Was tun
Sich nicht von Panik leiten lassen.
Wer seine Lebensversicherungen vorschnell kündigt, verliert Geld. Der Grund: Er bekommt nur den Rückkaufswert, der oft selbst nach acht Jahren noch niedriger liegt als die gezahlten Prämien. In den ersten beiden Jahren geht der Kunde meist ganz leer aus - sein Geld haben die Kosten für Vertragsabschluss, Todesfallschutz und Verwaltung aufgefressen. Wer kündigt, muss zudem Stornogebühren von drei bis fünf Prozent bezahlen und verliert den Anspruch auf den Teil der Überschussbeteiligung, der bei Vertragsende ausbezahlt wird. Als ob das nicht schon genug wäre, hält auch noch der Fiskus die Hand auf. Läuft der Vertrag bei Kündigung noch keine zwölf Jahre, wird Kapitalertragssteuer fällig. Wer eine neue Lebensversicherung abschließen will, muss einkalkulieren, dass er dort wieder Abschlusskosten von sechs bis acht Prozent bezahlt, die Frist für die Steuerfreiheit der Auszahlung von zwölf Jahren neu beginnt und eine neue Gesundheitsprüfung ansteht.
Alternative: Einzahlungen stoppen Rechnungszins und Überschussbeteiligung wirken sich nur auf den Sparanteil einer Lebensversicherung aus, also auf etwa 80 bis 55 Prozent der eingezahlten Beträge. Wer bereits längere Zeit in seinen Vertrag eingezahlt hat, kann diesen beitragsfrei stellen lassen. Das angesammelte Geld wird dann als Prämiendepot genutzt, aus dem die Beiträge für eine Versicherung mit deutlich verringerten Leistungen (Todesfallschutz und Ablaufleistung) bezahlt werden. Nach fünf Jahren Beitragszeit bleibt die Auszahlung steuerfrei. Vorteil: Es wird kein zusätzliches Geld investiert. Interessant bei Restlaufzeiten von drei bis fünf Jahren.
Alternative: Einzahlung verringern
Ohne steuerliche Nachteile kann man mit einem ungünstigen Versicherer vereinbaren, die Zahlungen zu verringern. Auf diese Weise lassen sich etwa die dynamische Anpassung der Prämien stoppen oder zusätzliche Komponenten wie erhöhte Auszahlung bei Unfalltod oder Berufsunfähigkeit kündigen. Lang laufende Versicherungen ungünstiger Anbieter kann man in der Laufzeit zurückfahren. Aber Achtung: Der Vertrag muss anschließend noch zwölf Jahre laufen, um den Steuervorteil zu erhalten. Die Verlängerung der Laufzeit bei niedrigerer Monatsprämie ist kein gutes Geschäft, dadurch steigt in der Laufzeit der Risikoanteil an.
Alternative: Police verkaufen
Wer seine Lebensversicherung an einen Investor verkaufen kann, bekommt im Durchschnitt zehn Prozent mehr Geld zurück als bei einer Kündigung. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland professionelle Käufer, der wichtigste ist Cashlife in München. Allerdings sind dort nicht alle Gesellschaften willkommen. Mindestanforderungen sind ein Investment-Grade-Rating von Moody’s oder Standard&Poor’s, ein Rückkaufswert von 10000 Euro und eine Restlaufzeit von unter 15 Jahren.