Heute in "DIE WELT" /Wirschaft /Marktplatz (Seite 14):
MARKTPLATZ
Karstadt könnte mit Letsbuyit seine Internet-Probleme lösen
VON FRANK SEIDLITZ
Die Internet-Gemeinde bangt ein weiteres Mal um eines der letzten Aushängeschilder des New Economy-Booms: den Online-Händler Letsbuyit. Am Freitag kündigte das niederländische Unternehmen den Bruch mit seinem Hauptinvestor an. 30 Mio. Euro wollte Shmulik Stein International (SSI) dem Unternehmen bereit stellen. Doch SSII, so teilte Letsbuyit mit, habe sich an die Vereinbarungen nicht gehalten. Nun droht der Gang zum Insolvenzrichter.
Einmal mehr steht der OnlineHändler vor dem finanziellen Aus. Bereits im Frühjahr hielten Investoren das Unternehmen durch eine 50 Mio. Euro-Finanzspritze am Leben. Umfangreiche Umstrukturierungen wurden durchgeführt, und der Vorstand war optimistisch, im Herbst
nächsten Jahres den Sprung in die Gewinn-zone zu erreichen. Aber seit Freitag ist wieder alles fraglich. Ob Letsbuyit überlebt oder Insolvenz beantragen muss, wird in dieser Woche entschieden. Es wird aber damit gerechnet, dass Europas größter Warenhaus-und Versandhandeis-konzern Karstadt-Quelle den Niederländern zur Seite springt. Vor einer Woche vereinbarten Letsbuyit und der Essener Konzern eine weitreichende Zusammenarbeit, die auch eine Option für eine finanzielle Beteiligung vorsah. Diese Option soll nun eingelöst werden. Der Einstieg von Karstadt-Quelle würde den On-line-Händler vor der Insolvenz retten, und der Essener Konzern hätte mit der finanziellen Beteiligung, die mittelfristig in eine Mehrheitsbeteiligung ausgebaut werden könnte, gleich mehrere Probleme auf einmal gelöst: Die E-Commerce-Strategie hätte endlich einen starken Markennamen und ein überzeugendes Konzept, die beide bei der Internationalisierung des Konzerns eingesetzt werden könnten.
Karstadt-Quelle bekäme außerdem Zugang zu einer Zielgruppe, die die Essener bisher nicht erreichen konnten: junge, einkommensstarke und kauffreudige Männer Vor allem aber hätte Karstadt-Quelle gegen seine ewigen Konkurrenten Kaufhof und die Kaufhof-Mutter Metro (Powershopping.de) gepunktet: Rechtzeitig zum Wegfall des Rabattgesetzes könnten die Essener mit Letsbuyit das richtige Konzept präsentieren, um diesen neuen Markt zu bedienen.
Seit vier Jahren versuchen sich die Essener an ihrer E-CommerceStrategie mit derzeit 90 Internet-Auftritten. Der wirtschaftliche Erfolg blieb vor allem bei der Sparte Karstadt aus. Lediglich Neckermann und Quelle gehören zu den Gewinnstützen des Konzerns.
Für das aktuelle Geschäftsjahr erwartet der neue Konzern-Chef Wolfgang Urban rund 1,3 Mrd. DM Umsatz. Der Gesamtumsatz beträgt rund 30 Mrd. DM. Urban will die Diskrepanz reduzieren und investiert dreistellige Millionen-Beträge ins Internet - auch, weil das traditionelle Warenhaus-Geschäft lahmt und die Produktivität hier rückläufig ist. Der Metro-Tochter Kaufhof attestieren Analysten eine höhere Produktivität: Während ein Karstadt-Mitarbeiter lediglich 303 700 DM im Jahr umsetzt, schafft sein Kaufhof-Kollege etwa 362 000 DM. Dazu kommen noch die Probleme mit den kleineren Karstadt-Filialen, die über weniger als 7000 Quadratmeter an Verkaufsfläche verfügen. Sie passen nicht mehr ins moderne Verkaufskonzept von Urban.
Der neue Konzernchef will nun dürch die E-Commerce-Strategie eine finanzielle Kompensation erreichen. Mit dem Einstieg bei Letsbuyit könnte Urban einen großen Schritt bei seinen Reformbemühungen nach vorn machen.