Aus der FTD vom 18.9.2001 www.ftd.de/bawe
Terroristen sollen Kurse manipuliert haben
Von Bernd Weber, Rolf Lebert, Cornelia Knust und Titus Kroder
Weltweit haben Börsenaufsichtsbehörden mit der Untersuchungen von Wertpapiergeschäften im Umfeld der Terrorakte in den USA begonnen.
Die USA haben außerdem unter Führung des Finanzministeriums eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die im internationalen Finanzsystem angelegte Gelder von Terrororganisationen aufspüren und die finanzielle Infrastruktur dieser Organisationen zerschlagen soll. Diese Arbeitsgruppe aus Geheimdienst-, Rechts- und Finanzexperten soll eng mit den Aufsichtsbehörden und Geheimdiensten anderer Länder kooperieren.
Im Fadenkreuz stehen Finanztransaktionen des Terroristenführers Osama Bin Laden, der von den USA als Drahtzieher hinter den Anschlägen in New York und Washington angesehen wird. Gerüchten zufolge sollen Gefolgsleute Bin Ladens vor der Anschlagserie über Leerverkäufe und Terminmarktgeschäfte besonders in Aktien von Rückversicherern wie Münchener Rück und Schweizer Rück gewinnbringend an der Börse investiert haben.
Bei Leerverkäufen werden kurzfristig ausgeliehene Aktien am Markt in der Erwartung fallender Kurse verkauft. Sinken die Kurse tatsächlich, gewinnt der Erstverkäufer den Differenzbetrag zwischen Verkauf und Rückkauf abzüglich der Leihprämie. Am Terminmarkt kann man an nachgebenden Kursen mit dem Kauf von Put-Optionen verdienen. Deren Preis steigt, wenn das zu Grunde liegende Wertpapier im Kurs nachgibt.
Telefonkonferenz der IOSCO
Erste Konsultationen zwischen den Börsenaufsehern hat es bereits gegeben. Auf einer Telefonkonferenz der International Organization of Securities Commissions (IOSCO) habe man sich am Montag mit dem Thema befasst, sagte eine Sprecherin des Bundesamtes für den Wertpapierhandel (BaWe). Die einzelnen Behörden stünden weiter in Verbindung.
Das BaWe überprüfe deutsche Aktien auf ungewöhnliche Bewegungen, eine förmliche Insideruntersuchung sei aber noch nicht eingeleitet worden. "Weder das Ob noch das Wann stehen fest", so die Sprecherin.
Die Handelsüberwachungsstellen für Xetra, das Frankfurter Parkett und die Eurex haben nach Angaben eines Sprechers der Deutschen Börse AG keine Anhaltspunkte für die Erhärtung der Gerüchte gefunden: "Die Handelsüberwachung hat ausgewählte Werte analysiert und keine Auffälligkeiten festgestellt." Die französische Börsenaufsicht COB hat ebenfalls noch keine offiziellen Ermittlungen eingeleitet. Japans Börsenaufsicht prüft ebenfalls den Handel in Tokio und Osaka.
Fälle von Insiderhandel
Die britische Börsenaufsicht FSA untersuche Fälle von Insiderhandel, die im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in New York stehen, hieß es aus einer der FSA nahe stehenden Quelle. Die FSA stimme sich bei ihren Ermittlungen auch mit britischen Strafverfolgungsbehörden ab.
Erkenntnisse über Insidergeschäfte seien weniger aus den Handelsdaten, sondern vielmehr aus den Kundendaten zu gewinnen, sagten Wertpapierexperten. Und diese lägen bei den Banken. Nur eine internationale Kooperation großer Banken könne Vorgänge aufdecken, wie sie jetzt im Umfeld der Terroranschläge vermutet würden.
Ohne eine ausgefeilte finanzielle Infrastruktur sind Anschläge wie in New York und Washington gar nicht denkbar. Darüber sind sich Experten einig. Daraus ergibt sich zwingend, dass die von der US-Regierung ausgesprochene Kriegserklärung gegen die Terrororganisationen und ihre Hintermänner nicht nur eine militärische und politische Dimension hat, sondern eben auch eine finanzielle. Bei amerikanischen Experten gilt Geld seit langem als die mächtigste Waffe des Terrors. Die Zerstörung der finanziellen Infrastruktur gilt daher als zentrales Element im Kampf gegen den Terrorismus.
Restriktive Gesetze
Die Trockenlegung der Finanzströme wird allerdings nicht minder schwierig sein, als das von den USA angekündigte militärisch-polizeiliche Vorgehen gegen die Terrororganisationen. Eine Verschärfung der Geldwäsche-Kontrollen wird keinesfalls reichen. Die entsprechenden Gesetze werden ohnehin in den meisten Ländern Europas, den USA und Japan ziemlich restriktiv angewendet und von der Bankenaufsicht überwacht. In Deutschland müssen zum Beispiel Gelder zweifelhafter Herkunft zwingend an die Bankenaufsicht gemeldet werden. Allein bei der Deutschen Bank arbeiten in diesem Kontrollbereich hauptberuflich rund 35 Personen, die sich ausgeklügelter Computerprogramme bedienen, um schmutziges Geld zu orten und seine Herkunft zu ermitteln.
Aufsicht und Banken sind aber mit der Aufgabe überfordert, zu prüfen, ob der Auftraggeber über jeden Zweifel erhaben ist. "Wir erlassen Richtlinien und überprüfen deren Einhaltung", heißt es beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen.
Damit sind die bankinternen und aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten aber schon weitgehend erschöpft. "Um es einmal drastisch zu formulieren: Osama Bin Laden kommt nicht mit einem Koffer voller Bargeld an den Schalter und schreibt als Verwendungszweck "Terroranschlag in New York" auf den Einzahlungsschein", sagt ein Banker in Frankfurt. Hellhörig werde man natürlich dann, wenn ein bislang unbekannter Broker von den Cayman Islands plötzlich einen hohen Millionenbetrag bei einer deutschen Bank anlegen wolle. "Wenn das Geld allerdings von der Citigroup über London nach Frankfurt zur Gutschrift bei einer Bank in Luxemburg überwiesen wird, kommt doch keiner auf die Idee, die Seriosität der Citigroup in Zweifel zu ziehen", sagte ein Banker.
Da ist auch eine schwarze Liste des Office of Foreign Assets Control (Ofac), einer Abteilung des US-Finanzministeriums wenig hilfreich. Diese Liste enthält alle Staaten, Institutionen, Unternehmen und Personen, die von den Banken gemeldet werden müssen, sobald eine Kontenverbindung erkennbar ist. Allein die Unter-Liste "Terrorismus" enthält 199 Organisationen, darunter zahlreiche Banken, und 58 Einzelpersonen, mit denen die amerikanischen Banken keine Geschäfte machen dürfen. "Wir bedienen uns auch dieser Liste und haben alle Namen in unseren Computern gespeichert. Bisher hat noch nie eine der dort aufgeführten Adressen versucht, direkt mit uns Kontakt aufzunehmen", sagt ein Banker in Frankfurt.
Terroristen sollen Kurse manipuliert haben
Von Bernd Weber, Rolf Lebert, Cornelia Knust und Titus Kroder
Weltweit haben Börsenaufsichtsbehörden mit der Untersuchungen von Wertpapiergeschäften im Umfeld der Terrorakte in den USA begonnen.
Die USA haben außerdem unter Führung des Finanzministeriums eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die im internationalen Finanzsystem angelegte Gelder von Terrororganisationen aufspüren und die finanzielle Infrastruktur dieser Organisationen zerschlagen soll. Diese Arbeitsgruppe aus Geheimdienst-, Rechts- und Finanzexperten soll eng mit den Aufsichtsbehörden und Geheimdiensten anderer Länder kooperieren.
Im Fadenkreuz stehen Finanztransaktionen des Terroristenführers Osama Bin Laden, der von den USA als Drahtzieher hinter den Anschlägen in New York und Washington angesehen wird. Gerüchten zufolge sollen Gefolgsleute Bin Ladens vor der Anschlagserie über Leerverkäufe und Terminmarktgeschäfte besonders in Aktien von Rückversicherern wie Münchener Rück und Schweizer Rück gewinnbringend an der Börse investiert haben.
Bei Leerverkäufen werden kurzfristig ausgeliehene Aktien am Markt in der Erwartung fallender Kurse verkauft. Sinken die Kurse tatsächlich, gewinnt der Erstverkäufer den Differenzbetrag zwischen Verkauf und Rückkauf abzüglich der Leihprämie. Am Terminmarkt kann man an nachgebenden Kursen mit dem Kauf von Put-Optionen verdienen. Deren Preis steigt, wenn das zu Grunde liegende Wertpapier im Kurs nachgibt.
Telefonkonferenz der IOSCO
Erste Konsultationen zwischen den Börsenaufsehern hat es bereits gegeben. Auf einer Telefonkonferenz der International Organization of Securities Commissions (IOSCO) habe man sich am Montag mit dem Thema befasst, sagte eine Sprecherin des Bundesamtes für den Wertpapierhandel (BaWe). Die einzelnen Behörden stünden weiter in Verbindung.
Das BaWe überprüfe deutsche Aktien auf ungewöhnliche Bewegungen, eine förmliche Insideruntersuchung sei aber noch nicht eingeleitet worden. "Weder das Ob noch das Wann stehen fest", so die Sprecherin.
Die Handelsüberwachungsstellen für Xetra, das Frankfurter Parkett und die Eurex haben nach Angaben eines Sprechers der Deutschen Börse AG keine Anhaltspunkte für die Erhärtung der Gerüchte gefunden: "Die Handelsüberwachung hat ausgewählte Werte analysiert und keine Auffälligkeiten festgestellt." Die französische Börsenaufsicht COB hat ebenfalls noch keine offiziellen Ermittlungen eingeleitet. Japans Börsenaufsicht prüft ebenfalls den Handel in Tokio und Osaka.
Fälle von Insiderhandel
Die britische Börsenaufsicht FSA untersuche Fälle von Insiderhandel, die im Zusammenhang mit dem Terroranschlag in New York stehen, hieß es aus einer der FSA nahe stehenden Quelle. Die FSA stimme sich bei ihren Ermittlungen auch mit britischen Strafverfolgungsbehörden ab.
Erkenntnisse über Insidergeschäfte seien weniger aus den Handelsdaten, sondern vielmehr aus den Kundendaten zu gewinnen, sagten Wertpapierexperten. Und diese lägen bei den Banken. Nur eine internationale Kooperation großer Banken könne Vorgänge aufdecken, wie sie jetzt im Umfeld der Terroranschläge vermutet würden.
Ohne eine ausgefeilte finanzielle Infrastruktur sind Anschläge wie in New York und Washington gar nicht denkbar. Darüber sind sich Experten einig. Daraus ergibt sich zwingend, dass die von der US-Regierung ausgesprochene Kriegserklärung gegen die Terrororganisationen und ihre Hintermänner nicht nur eine militärische und politische Dimension hat, sondern eben auch eine finanzielle. Bei amerikanischen Experten gilt Geld seit langem als die mächtigste Waffe des Terrors. Die Zerstörung der finanziellen Infrastruktur gilt daher als zentrales Element im Kampf gegen den Terrorismus.
Restriktive Gesetze
Die Trockenlegung der Finanzströme wird allerdings nicht minder schwierig sein, als das von den USA angekündigte militärisch-polizeiliche Vorgehen gegen die Terrororganisationen. Eine Verschärfung der Geldwäsche-Kontrollen wird keinesfalls reichen. Die entsprechenden Gesetze werden ohnehin in den meisten Ländern Europas, den USA und Japan ziemlich restriktiv angewendet und von der Bankenaufsicht überwacht. In Deutschland müssen zum Beispiel Gelder zweifelhafter Herkunft zwingend an die Bankenaufsicht gemeldet werden. Allein bei der Deutschen Bank arbeiten in diesem Kontrollbereich hauptberuflich rund 35 Personen, die sich ausgeklügelter Computerprogramme bedienen, um schmutziges Geld zu orten und seine Herkunft zu ermitteln.
Aufsicht und Banken sind aber mit der Aufgabe überfordert, zu prüfen, ob der Auftraggeber über jeden Zweifel erhaben ist. "Wir erlassen Richtlinien und überprüfen deren Einhaltung", heißt es beim Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen.
Damit sind die bankinternen und aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten aber schon weitgehend erschöpft. "Um es einmal drastisch zu formulieren: Osama Bin Laden kommt nicht mit einem Koffer voller Bargeld an den Schalter und schreibt als Verwendungszweck "Terroranschlag in New York" auf den Einzahlungsschein", sagt ein Banker in Frankfurt. Hellhörig werde man natürlich dann, wenn ein bislang unbekannter Broker von den Cayman Islands plötzlich einen hohen Millionenbetrag bei einer deutschen Bank anlegen wolle. "Wenn das Geld allerdings von der Citigroup über London nach Frankfurt zur Gutschrift bei einer Bank in Luxemburg überwiesen wird, kommt doch keiner auf die Idee, die Seriosität der Citigroup in Zweifel zu ziehen", sagte ein Banker.
Da ist auch eine schwarze Liste des Office of Foreign Assets Control (Ofac), einer Abteilung des US-Finanzministeriums wenig hilfreich. Diese Liste enthält alle Staaten, Institutionen, Unternehmen und Personen, die von den Banken gemeldet werden müssen, sobald eine Kontenverbindung erkennbar ist. Allein die Unter-Liste "Terrorismus" enthält 199 Organisationen, darunter zahlreiche Banken, und 58 Einzelpersonen, mit denen die amerikanischen Banken keine Geschäfte machen dürfen. "Wir bedienen uns auch dieser Liste und haben alle Namen in unseren Computern gespeichert. Bisher hat noch nie eine der dort aufgeführten Adressen versucht, direkt mit uns Kontakt aufzunehmen", sagt ein Banker in Frankfurt.