Ursache ist die hohe Liquidität
Kursanstieg verunsichert Finanzprofis
Dieses Phänomen macht Finanzprofis allmählich nervös: Seit dem Sommer 2003 haben Aktien und lang laufende Anleihen den gleichen Trend – nach oben. Selbst US-Notenbankchef Alan Greenspan ist ratlos: Die Entwicklung am Anleihemarkt sei ihm ein Rätsel und passe nicht ins historische Schema, sagte er vor ein paar Tagen.
HB DÜSSELDORF. Ökonomen und Marktstrategen machen die weltweit hohe Liquidität, die Geld in alle Anlageklassen strömen lässt, für das Phänomen verantwortlich. Eine solche Parallelentwicklung gibt es nur selten. Oft handelte es sich dabei um Vorboten starker Kursverluste. Die Finanzprofis halten den Anleihe- und US-Immobilienmarkt für anfällig und fahren eine vorsichtige Anlagestrategie.
Begonnen hat der Trend im Juni 2003. Seit damals stiegen Aktien und Anleihekurse vor allem hier zu Lande erheblich. Abgeschwächt ist der Trend gleich laufender Anleihe- und Aktienkurse auch in den USA zu beobachten. Ähnliche Entwicklungen gab es auch Mitte der 90er- und in den 80er-Jahren. Damals folgten Turbulenzen an den Aktienmärkten, die damals überhitzt waren wie derzeit Anleihen- und Immobilienmärkte.
Normalerweise läuft es so: Zieht die Konjunktur an, schichten Anleger gerne in Aktien um, weil sie sich dort höhere Kursgewinne erhoffen und bereit sind, mehr Risiko in Kauf zu nehmen. Die Nachfrage nach Anleihen geht zurück. Häufig besteht in einem solchen Umfeld auch Inflationsgefahr. Auch aus diesem Grund steigen die Zinsen, die Anleihekurse fallen entsprechend. Wenn die Wirtschaft stottert, ist es umgekehrt. Anleger flüchten aus den Aktien in sichere Anleihen. Entsprechend fallen die Aktien, Bonds dagegen werden teurer.
Zu viel Liquidität am Markt
Doch diesmal ist es anders. „Die Wirtschaft wächst. Bonds sind nicht deswegen nach oben gegangen, weil Anleger sichere Häfen suchen“, sagt der selbstständige Vermögensverwalter Gary Shilling aus New Jersey, der mit rechtzeitiger Spekulation auf Staatsanleihen zuletzt hohe Renditen erzielt hat. Shilling meint, dass das Muster derzeit ungewöhnlich ist. „Am Ende einer Rezession fängt die Fed gewöhnlich an, die Zinsen zu erhöhen. Dann fallen die Bonds, und die Aktien steigen, das ist normal.“ Seine Erklärung: „Es ist zu viel Liquidität im Markt. Und vieles wurde auf Pump investiert.“ Vor allem Hedge-Fonds hätten dafür gesorgt, dass in lange Positionen Geld fließe, weil sie damit kurzfristige Positionen absicherten.
Kapitalmarktanalyst Joachim Fels von Morgan Stanley rechnet vor, dass das Kreditvolumen der führenden Industrienationen inklusive China heute eineinhalbmal so groß ist wie das Sozialprodukt dieser Länder. Ende der 80er-Jahre waren beide Größen etwa gleich. In den USA ist das Kreditvolumen gar dreimal so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt. Das hatte es dort zuletzt vor siebzig Jahren in der Weltwirtschaftskrise gegeben.
Wegen seiner lockeren Geldpolitik wird Notenbankchef Greenspan auch „Easy Al“ an der Wall Street genannt. Kritiker werfen ihm vor, seine Politik des „leichten Geldes“ sei unwirksam geworden. Was mitschwingt: Eine Spekulationsblase hat es unter Greenspan schon gegeben. Droht nun eine weitere Blase? Und wenn ja, auf welchem Markt?
Analyst Fels spricht von Übertreibungen vor allem bei langfristigen Bonds sowie bei Risikoanleihen und Investitionen in den Schwellenländern. Auch Martin Ottmann, Leiter der Vermögensverwaltung bei der Weberbank, sieht Gefahren auf dem Bondmarkt. „Die Pensionsfonds und Versicherungen leiden weltweit unter einem Anlagenotstand“, sagt er, „in die Langläufer ist sehr viel Geld geflossen.“ Sollten die Investoren aus irgendeinem Grund plötzlich Geld entziehen, etwa weil die Inflationsrate unerwartet steigt, dann könne es zu einer Verkaufslawine kommen. Der US-Ökonom der Hypo-Vereinsbank, Roger Kubarych, warnt vor einer weiteren Blase: Die Preise am US-Immobilienmarkt sind deutlich überhöht.
Noch sehen Experten keine akute Gefahr. Die weltweit niedrige Inflation verhindere einen plötzlichen Zinsanstieg. Außerdem seien Aktien derzeit fair bewertet, meintWeberbank-Experte Ottmann. Er rät, schrittweise schon einmal Gewinne in der einen oder anderen Anlageklasse mitzunehmen und enge Marken für den Ausstieg zu setzen. Investor Shilling hält derzeit ziemlich viel Kasse. Sein Argument: „Das mache ich immer, wenn unklar ist, wo die Märkte hingehen.“
80er-Jahre. Die Inflation ging dank der strengen Geldpolitik von US-Notenbankchef Paul Volcker zurück – die Zinsen sanken, Anleihekurse stiegen. Auf dem Aktienmarkt kam es zu einem längeren Boom, 1987 zum Crash.
90er-Jahre. Bis 1997 entwickelten sich Aktien und Anleihen weitgehend parallel. Technische Neuerungen und Globalisierung sorgten für einen schärferen Preiswettbewerb. Die weltweite Inflationsrate ermäßigte sich weiter. Damit sanken die Zinsen, Anleihekurse stiegen. Produktivitätswachstum und Liquidität führten zu steigenden Aktienkursen. Greenspan versuchte ab 1998 einer Überhitzung mit Zinsanhebungen gegenzusteuern. Ohne Erfolg. Die Blase am Aktienmarkt platzte.
Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 01. März 2005, 10:27 Uhr
...be invested
Der Einsame Samariter
Kursanstieg verunsichert Finanzprofis
Dieses Phänomen macht Finanzprofis allmählich nervös: Seit dem Sommer 2003 haben Aktien und lang laufende Anleihen den gleichen Trend – nach oben. Selbst US-Notenbankchef Alan Greenspan ist ratlos: Die Entwicklung am Anleihemarkt sei ihm ein Rätsel und passe nicht ins historische Schema, sagte er vor ein paar Tagen.
HB DÜSSELDORF. Ökonomen und Marktstrategen machen die weltweit hohe Liquidität, die Geld in alle Anlageklassen strömen lässt, für das Phänomen verantwortlich. Eine solche Parallelentwicklung gibt es nur selten. Oft handelte es sich dabei um Vorboten starker Kursverluste. Die Finanzprofis halten den Anleihe- und US-Immobilienmarkt für anfällig und fahren eine vorsichtige Anlagestrategie.
Begonnen hat der Trend im Juni 2003. Seit damals stiegen Aktien und Anleihekurse vor allem hier zu Lande erheblich. Abgeschwächt ist der Trend gleich laufender Anleihe- und Aktienkurse auch in den USA zu beobachten. Ähnliche Entwicklungen gab es auch Mitte der 90er- und in den 80er-Jahren. Damals folgten Turbulenzen an den Aktienmärkten, die damals überhitzt waren wie derzeit Anleihen- und Immobilienmärkte.
Normalerweise läuft es so: Zieht die Konjunktur an, schichten Anleger gerne in Aktien um, weil sie sich dort höhere Kursgewinne erhoffen und bereit sind, mehr Risiko in Kauf zu nehmen. Die Nachfrage nach Anleihen geht zurück. Häufig besteht in einem solchen Umfeld auch Inflationsgefahr. Auch aus diesem Grund steigen die Zinsen, die Anleihekurse fallen entsprechend. Wenn die Wirtschaft stottert, ist es umgekehrt. Anleger flüchten aus den Aktien in sichere Anleihen. Entsprechend fallen die Aktien, Bonds dagegen werden teurer.
Zu viel Liquidität am Markt
Doch diesmal ist es anders. „Die Wirtschaft wächst. Bonds sind nicht deswegen nach oben gegangen, weil Anleger sichere Häfen suchen“, sagt der selbstständige Vermögensverwalter Gary Shilling aus New Jersey, der mit rechtzeitiger Spekulation auf Staatsanleihen zuletzt hohe Renditen erzielt hat. Shilling meint, dass das Muster derzeit ungewöhnlich ist. „Am Ende einer Rezession fängt die Fed gewöhnlich an, die Zinsen zu erhöhen. Dann fallen die Bonds, und die Aktien steigen, das ist normal.“ Seine Erklärung: „Es ist zu viel Liquidität im Markt. Und vieles wurde auf Pump investiert.“ Vor allem Hedge-Fonds hätten dafür gesorgt, dass in lange Positionen Geld fließe, weil sie damit kurzfristige Positionen absicherten.
Kapitalmarktanalyst Joachim Fels von Morgan Stanley rechnet vor, dass das Kreditvolumen der führenden Industrienationen inklusive China heute eineinhalbmal so groß ist wie das Sozialprodukt dieser Länder. Ende der 80er-Jahre waren beide Größen etwa gleich. In den USA ist das Kreditvolumen gar dreimal so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt. Das hatte es dort zuletzt vor siebzig Jahren in der Weltwirtschaftskrise gegeben.
Wegen seiner lockeren Geldpolitik wird Notenbankchef Greenspan auch „Easy Al“ an der Wall Street genannt. Kritiker werfen ihm vor, seine Politik des „leichten Geldes“ sei unwirksam geworden. Was mitschwingt: Eine Spekulationsblase hat es unter Greenspan schon gegeben. Droht nun eine weitere Blase? Und wenn ja, auf welchem Markt?
Analyst Fels spricht von Übertreibungen vor allem bei langfristigen Bonds sowie bei Risikoanleihen und Investitionen in den Schwellenländern. Auch Martin Ottmann, Leiter der Vermögensverwaltung bei der Weberbank, sieht Gefahren auf dem Bondmarkt. „Die Pensionsfonds und Versicherungen leiden weltweit unter einem Anlagenotstand“, sagt er, „in die Langläufer ist sehr viel Geld geflossen.“ Sollten die Investoren aus irgendeinem Grund plötzlich Geld entziehen, etwa weil die Inflationsrate unerwartet steigt, dann könne es zu einer Verkaufslawine kommen. Der US-Ökonom der Hypo-Vereinsbank, Roger Kubarych, warnt vor einer weiteren Blase: Die Preise am US-Immobilienmarkt sind deutlich überhöht.
Noch sehen Experten keine akute Gefahr. Die weltweit niedrige Inflation verhindere einen plötzlichen Zinsanstieg. Außerdem seien Aktien derzeit fair bewertet, meintWeberbank-Experte Ottmann. Er rät, schrittweise schon einmal Gewinne in der einen oder anderen Anlageklasse mitzunehmen und enge Marken für den Ausstieg zu setzen. Investor Shilling hält derzeit ziemlich viel Kasse. Sein Argument: „Das mache ich immer, wenn unklar ist, wo die Märkte hingehen.“
80er-Jahre. Die Inflation ging dank der strengen Geldpolitik von US-Notenbankchef Paul Volcker zurück – die Zinsen sanken, Anleihekurse stiegen. Auf dem Aktienmarkt kam es zu einem längeren Boom, 1987 zum Crash.
90er-Jahre. Bis 1997 entwickelten sich Aktien und Anleihen weitgehend parallel. Technische Neuerungen und Globalisierung sorgten für einen schärferen Preiswettbewerb. Die weltweite Inflationsrate ermäßigte sich weiter. Damit sanken die Zinsen, Anleihekurse stiegen. Produktivitätswachstum und Liquidität führten zu steigenden Aktienkursen. Greenspan versuchte ab 1998 einer Überhitzung mit Zinsanhebungen gegenzusteuern. Ohne Erfolg. Die Blase am Aktienmarkt platzte.
Quelle: HANDELSBLATT, Dienstag, 01. März 2005, 10:27 Uhr
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Der Einsame Samariter