"Kriegsbörsen haben lange Beine"

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"Kriegsbörsen haben lange Beine"

 
09.10.01 12:03
Stratege Grandinger erwartet jahrelange schwache Kursentwicklung. Ein Interview
Frankfurt/Main - Die Militärschläge rücken die politische Analyse in den Fokus. Erwin Grandinger, Chefstratege bei Euro Politics & Markets, rechnet insbesondere mit verheerenden Auswirkungen auf die US-Börsen und den Dollar. Mit ihm sprach Holger Zschäpitz.
DIE WELT: Aktienstrategen spielen Generäle: Statt Zahlen und Fakten zu interpretieren, spekulieren sie derzeit über militärische Winkelzüge. Bekanntermaßen haben aber politische Börsen kurze Beine. Sind die Ängste der Anleger übertrieben?
Erwin Grandinger: Keineswegs. Ich möchte ganz deutlich werden: Was jetzt als Terrorbekämpfung beginnt, ist in meinen Augen der Start zu einer Art Dritter Weltkrieg - ich will ihn den ersten Globalisierungskrieg nennen. Er wird die nächsten zwei bis drei Jahre andauern. Dabei geht es nicht nur um Afghanistan. Die Menschen müssen damit leben, dass es während der kompletten Amtszeit von US-Präsident Bush immer irgendwo Militäraktionen geben wird in der Welt. Der zeitlich und räumlich begrenzte Golfkrieg war dagegen ein Kinderspiel. Dieses Mal wird es schlimmer und grausamer werden.
DIE WELT: Damit ist anders als Anfang der Neunziger nicht mit einer schnellen und dauerhaften Erholung der Märkte zu rechnen?
Grandinger: Genau. Denn mit den andauernden Kriegshandlungen wird die Erholung der Wirtschaft wesentlich länger auf sich warten lassen, als das viele Strategen heute noch erhoffen. Vor allem die Konsumenten werden sich zurückhalten und eine schnelle Wende der Konjunktur und Märkte verhindern.
DIE WELT: Das klingt nach einem weltweiten Aktiencrash . . .

Grandinger: Ganz so schlimm wird es wohl nicht werden. Nur einen Kursanstieg können sich die Anleger abschminken: Kriegsbörsen haben lange Beine. Besonders gravierende Folgen kommen auf die USA zu. Ich erwarte eine einseitige Risikoverschiebung in Richtung der angelsächsischen Märkte. Kein Investor wird mehr sein Geld in den USA oder Großbritannien anlegen wollen. Spätestens die jüngste Rede Osama Bin Ladens hat klar gemacht, dass die USA im Mittelpunkt weiterer Terroranschläge stehen.
DIE WELT: Der Dollar würde damit seinen Status als "Sicherer Hafen"-Währung verlieren.
Grandinger: Schon seit den Terrorattacken vom 11. September ist eine Aufwertung des Euro festzustellen. Die blühenden Zeiten des Dollar sind endgültig vorbei.
DIE WELT: Was empfehlen Sie den Anlegern?
Grandinger: Ich würde nur in Euroland investieren und kritisch die Entwicklung beobachten.
DIE WELT: Wann sollten Investoren die Notbremse ziehen?
Grandinger: Die Situation in Pakistan ist ein Knackpunkt. Sollte das Land auf Grund innerer Unruhen aus der Anti-Terror-Allianz ausscheren, würde ich die Reißleine ziehen. Kritisch wird es auch, sollten die Kämpfe über den 17. November andauern. Dann beginnt mit dem Ramadan die religiöse Fastenzeit und weitere Terroranschläge wären wahrscheinlich.
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