Issing gegen kreditfinanzierte Konjunkturprogramme
10. März 2005 Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Skepsis gegenüber kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen geäußert. "In einem Land, in dem die Defizite der öffentlichen Hand ohnehin schon besorgniserregend hoch sind, sehe ich nicht, wie noch mehr schuldenfinanzierte Staatsausgaben das Wachstum anregen könnten", sagte EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Nach Einschätzung Issings hat sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gegenüber anderen Euro-Ländern durch die niedrigen Inflationsraten und die Lohnzurückhaltung bereits eindrücklich verbessert. Bis sich die Lohnzurückhaltung in steigender Beschäftigung niederschlage, brauche es aber Zeit. Die positiven Effekte drohten allerdings zu verpuffen, wenn die Regierung gleichzeitig beschäftigungsfeindliche Signale aussende, warnte Issing und übte damit unausgesprochen Kritik an dem Anti-Diskriminierungsgesetz, das die Regierungskoalition plant.
Zum starken Anstieg der Immobilienpreise in Ländern wie Frankreich und Spanien sagte Issing, es liege an dem jeweiligen Land, etwas gegen eine etwaige Überhitzung zu tun. Die Geldpolitik der EZB könne immer nur den Euro-Raum insgesamt berücksichtigen. Die Notenbanken der Welt seien sich darin einig, daß Vermögenspreise nicht als Zielgröße für die Geldpolitik in Frage kämen, sagte Issing weiter. Einigkeit bestehe auch darüber, daß Notenbanken "spekulative Preisblasen" an den Aktien- oder Immobilienmärkten nicht durch geldpolitische Entscheidungen zum Platzen bringen sollten. "Die Verwerfungen in der Volkswirtschaft, die Kosten wären viel zu hoch. Deshalb sollten die Notenbanken dies nicht tun und werden dies nicht tun."
Kritisch äußerte sich der EZB-Chefvolkswirt zu den Devisenmarkt-Interventionen einiger asiatischer Notenbanken. Solch eine Politik bewirke exportlastige Strukturen und werde letztlich in höherer Inflation enden. "Je länger man solch eine Politik verfolgt, desto größer sind die strukturellen Verwerfungen." Für die übrigen Länder bedeute dies, daß der Druck noch stärker werde, mehr für ihre Wettbewerbsfähigkeit zu tun, sagte Issing. "Aber das wird sich am Ende auszahlen."
Das vollständige Interview lesen Sie am Freitag, 11. März, in der F.A.Z., Seite 16
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: F.A.Z. / Helmut Fricke