Kohle zu Asche

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Kohle zu Asche

 
05.01.02 10:28

2800 Tonnen Geldscheine und 100.000 Tonnen Münzen müssen nach der Währungsumstellung entsorgt werden. Milliarden gehen in Rauch auf.


Schwieriger Abschied von der Mark: Wohin mit all dem Geld?


Im Erdgeschoss der Landeszentralbank Sachsen-Thüringen, Hauptstelle Dresden, wird Geschichte geschreddert. Eine wuchtige Maschine vom Typ Giesecke & Devrient 3000 frisst die gute, alte Deutsche Mark. 40 Geldscheine pro Sekunde rauschen durch das lärmende Ungetüm, bis sie endlich als kleine Schnipsel in den Keller gesogen werden - 800 Fetzen pro Schein. Gepresst zu handlichen Pellets rutschen täglich Millionen Mark in eine unscheinbare braune Biotonne.
An Futter für die unersättliche Maschine besteht kein Mangel. In den nächsten Monaten, schätzt die Deutsche Bundesbank in Frankfurt, müssen im Zuge der Euro-Umstellung 2,6 Milliarden Banknoten im Wert von rund 260 Milliarden Mark vernichtet werden - ein Mammut-Projekt ohne Vorbild, das seit Monaten im Verborgenen vorbereitet wurde, sich über Jahre hinziehen wird. Und die Republik vor ein bis dahin unbekanntes Problem stellt: Wohin mit all dem Geld?

Schwundquote liegt zwischen Sofapolstern oder in Brunnen

Allein die Scheine wiegen rund 2800 Tonnen und würden übereinander gestapelt mehr als 300 Kilometer in den Himmel ragen. Außerdem sind 48,5 Milliarden Münzen im Umlauf, Wert: 12,1 Milliarden Mark. Ein beträchtlicher Teil davon - die so genannte Schwundquote - liegt zwar zwischen Sofapolstern, in Gullys oder in der Fontana di Trevi; diese Münzen werden deshalb auch nicht wieder zur Bundesbank zurückkehren. Doch fast 100 000 Tonnen Pfennig-, Groschen- und Markstücke müssen von Januar an unter höchsten Sicherheitsauflagen entsorgt werden.

Am Anfang glaubte Bundesbankdirektor Hermann Handlos noch an einfache Lösungen. Handlos, Chef einer unauffällig in München operierenden Arbeitsgruppe mit der Mission, die demnächst wertlosen D-Mark-Scheine zu verwerten, setzte von Anfang an ganz auf Bio. Da die bunten Banknoten nahezu vollständig aus Baumwolle bestehen, galt die Kompostierung zunächst als Königsweg.

Die Mark ist Problemmüll

Doch das Bayerische Institut für Abfallforschung in Augsburg setzte dem Traum der Banker, die Milliarden flugs in Humus zu verwandeln, ein jähes Ende. Das Ergebnis ihrer Expertisen, nachzulesen in einem internen Papier der Bundesbank, weist als Ökoballast aus: organische Farbpigmente und Lösemittel, Melaminformaldehydharz, Kupfer, Harze und Öle. Kurzum: Die geliebten Scheine waren fortan Problemmüll, höchstens zur Abdeckung von Deponien geeignet. Aus Imagegründen kam das nicht in Frage.

Auch manch andere wegweisende Idee, die gute alte Mark zu recyceln, blieb auf der Strecke. Eine bayerische Firma verwendete zerkleinerte Banknoten vermischt mit alten Etiketten zur Ziegelherstellung. Der Baustoff war zwar zu gebrauchen, doch das Unternehmen stellte wegen technischer Probleme und mangelnder Rendite den Betrieb ein.

Hunni als Dämmstoff

Eine hessische Firma fand heraus, dass sich mit Hunnis und Riesen auch Dämmstoffe zwischen Dachsparren stabilisieren lassen. Der Öko-Pionier könnte aber jährlich höchstens 300 Tonnen verarbeiten - zu wenig.

Selbst die Papierindustrie macht um die Lappen einen großen Bogen. Grund: Selbst völlig durchnässt sind die Scheine noch so reißfest, dass sie aufwendig mit Auflösern zersetzt werden müssten. Deshalb lässt auch nur der Essener Papiergroßhändler Classen solch ein Wertpapier herstellen - in Gmund am Tegernsee produziert er Briefbögen, die er Recynote/Money nennt. Das "Erlebnisfeinstpapier aus recycelten DM-Scheinen" ist bei Banken, Versicherungen und Rechtsanwälten schon jetzt der Renner.

"Man spürt den Geist der alten Mark"

Vier bis fünf Tonnen werden jährlich geordert; 1000 Bogen, auf denen deutlich die wertlosen Überreste der D-Mark zu erkennen sind, kosten beim Großhändler 520 Mark. "Man spürt den Geist der alten Mark", glaubt die Classen-Marketingabteilung. So umhüllen denn auch Landeszentralbanken gern ihre Geschäftsberichte mit dem Schnipselpapier.

Mangels Alternative wird der Großteil der weltweit geachteten deutschen Währung aber doch nur durch den Schornstein gejagt. So verfeuern die Bayern ihre Scheine zusammen mit zerhackten Armaturenbrettern und Kunststofffolien bei 2000 Grad in einem Zementwerk in Rohrdorf bei Rosenheim. 40 Prozent des gesamten D-Mark-Bestandes wird nach Schätzungen von Bundesbankdirektor Handlos in den Bundesländern verbrannt - Kohle zu Asche, wenigstens unter Gewinnung von Energie.
Im Osten, wo die Menschen einst für die D-Mark auf die Straße gingen, soll die lang ersehnte Währung dagegen nicht nutzlos verpuffen. Berlin, Brandenburg und Sachsen verwandeln ihre Banknoten im Kraftwerk Schwarze Pumpe in eine farblose, leicht entzündliche Flüssigkeit - Methylalkohol. Das Methanol taugt als Treibstoffersatz für Brennstoffzellen. DaimlerChrysler hat erste Tests beendet - erfolgreich, wie es heißt.

Geschreddertes im Glas

Und doch lässt sich auch ohne aufwendige Aufbereitung aus geschreddertem Altpapier wieder richtig Geld machen. So bietet etwa ein Aachener Anonymus mit dem Decknamen "euregiokajo" im Internet-Auktionshaus Ebay zerkleinerte Banknoten im Wert von jeweils 1000 Mark "in Folie eingeschweißt" an.

Auch der Online-Händler Hamburg-Trading verdient im World Wide Web gut mit DM-Schnipseln: Für 19,95 Mark verkauft er geschreddertes Geld im Einmachglas an. "Endlich mal richtig Kohle für wenig Pinkel", so der Verkaufsslogan im Internet.

Dabei ist die "wertsteigernde Entsorgung von Altgeld" eigentlich die Domäne von Victor Bonato. Seit 1994 taucht der Kölner Künstler regelmäßig in der Düsseldorfer Landeszentralbank auf, um säckeweise gehäckselte Banknoten in sein Atelier zu schleppen. Den August-Macke-Preisträger reizt es, aus "zerstörter Materie etwas Neues zu schaffen".

In Schubkarren ruht der Lohn der Arbeit

Kultur ist Kapital, meint Bonato mit Blick auf seinen Werkzyklus, der bis vor kurzem auf der Düsseldorfer Kö zu bewundern war. Dort stand sie dann, die Installation "Peanuts": Erdnussdosen vollgestopft mit D-Mark-Schnipseln. Ein Polizeischlagstock, mit Schreddergeld veredelt, trägt den Titel "Dein Freund (Die Macht des Geldes)". Und von der Decke hängen Maurerschubkarren, randvoll gefüllt mit zerrissenen Banknoten: "Lohn der Arbeit".

Die Arbeit von Bundesbankdirektor Thomas Szewczyk ist nur mit schwerer Technik zu bewältigen. Der Banker muss von Januar an 100 000 Tonnen Münzschrott entsorgen - vom Pfennig bis zum Fünf-Mark-Stück. Behilflich ist dabei die bundeseigene Firma Vebeg, die meistbietende Interessenten für die Hinterlassenschaft der Bundesbank sucht.

Münzen landen im Hochofen

Das Hartgeld ist eine heikle Ware. Zunächst musste die Bundesbank investieren und für mehrere Millionen Mark Entwertungsanlagen entwickeln lassen - Decoiner genannt. Die Anlagen walzen auf die Markstücke eine Art Waffelmuster, dann werden sie verbogen. Dieser Geld-Schrott wird weiterverkauft. Das Unternehmen will 150 Millionen Mark bei dem Deal verdienen, der sich bis zu zwei Jahre hinziehen wird.

245 Tonnen Markstücke hat die EuroCoin AG in Schwerte bereits zum Schmelzen gebracht. Gemischt mit Rohmetall landen die Kupfer-Nickel-Legierungen bei über 1000 Grad im Hochofen und werden noch im Werk weiterverarbeitet. Die Deutschen tragen die Mark so auch weiterhin im Portmonee: Der äußere Ring des Zwei-Euro-Stücks entsteht ebenso aus der D-Mark wie der Kern des Ein-Euro-Stücks. Der Rest der harten Mark wird von EuroCoin in exotische Länder geliefert. Der thailändische Bath und der malaysische Ringgit werden aus dem Metall der alten D-Mark gemünzt.

Stilgründe verbaten das D-Mark-Toilettenpapier

Für wehmütige Freunde der Mark hat auch EuroCoin kunstvoll vorgesorgt. Im hauseigenen Shop können Manschettenknöpfe, "handgefertigt aus der original entwerteten D-Mark" für 129 Mark erstanden werden. Zum Schwellenpreis von 9,99 Mark (5,11 Euro) steht die unveredelte, aber verformte Mark zum Verkauf - in der Schmuckschachtel mit Echtheitszertifikat.

Und doch eignet sich die alte Mark nicht für jede innovative Geschäftsidee. Einem Unternehmer, der aus D-Mark-Scheinen Toilettenpapier herstellen wollte, musste Hermann Handlos schließlich absagen. Aus Stilgründen




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