Klar zur Wende
Der Trendwechsel an der US-Zinsfront ist da. Und verbreitet Unsicherheit. Was jetzt bei Aktien, Anleihen, Bar- und Baugeld zu beachten ist
von Michael Höfling
Volle Fahrt voraus: Die Zinsen in den USA werden wieder steigen
Foto: AP
Es ist das Wort der Stunde: 7130 Einträge findet die Suchmaschine Google im Internet zum Begriff "Zinswende". Bis Ende Juni könnten noch ein paar hinzukommen. Denn dann, meinen viele Marktteilnehmer, wird die US-Notenbank nach behutsamer verbaler Vorbereitung den Trend an der Zinsfront umkehren. "Die Fed wird dem Druck nachgeben und die Zinsen anheben", glaubt auch Zachary Karabell, Vize-Chef von Fred Alger.
Ein Bild, an das sich Anleger erst wieder gewöhnen müssen. Zuvor hatte Alan Greenspan, Chef der Federal Reserve, den marktbewegenden Zinssatz seit Anfang 2001 in 13 Schritten auf das Niveau von 1,0 Prozent zusammengestaucht. Ziel: die schwächelnde US-Konjunktur anzukurbeln. Das scheint gelungen. Die positiven Arbeitsmarktzahlen aus dem März wurden im April eindrucksvoll bestätigt, dazu stiegen die Auftragseingänge für Investitionsgüter, und auch das Verbrauchervertrauen hat sich befestigt. Höchste Zeit, inflatorischen Tendenzen vorzubeugen und den Mini-Zins aufzupäppeln. Als neutraler Satz für den Leitzins gelten etwa 3,0 Prozent. Keine leichte Ausgangslage für alle Entscheidungen rund ums Geld, geht es nun um die Kapitalanlage oder die Finanzierung.
- AKTIEN "Die Aufregung um die Zinswende ist kurz- bis mittelfristig vielfach überzogen", sagt Gertrud Traud, Aktienstrategin bei der Bankgesellschaft Berlin. Wenn sich die konjunkturelle Erholung in den USA fortsetze, halte die Dynamik der Unternehmensgewinne die negativen Auswirkungen aus dem Zinsanstieg in Schach - und lasse den Aktienmarkt damit nicht zwangsläufig weniger attraktiv erscheinen. "Nach unseren historischen Studien hat der Dax in den sechs Monaten vor dem ersten Zinsschritt im Schnitt 6,7 Prozent Rendite gebracht, der Dow Jones sogar zehn Prozent." Nach vergleichbaren Ergebnissen indes sieht es diesmal nicht aus. "Das liegt aber vor allem an der Unsicherheit über den hohen Ölpreis und seine weitere Entwicklung", vermutet Traud. In den einzelnen Sektoren hat die Marktstrategin zuletzt Veränderungen vorgenommen. So hat die Bankgesellschaft die Telekommunikation sowie die Kommunikationstechnologie auf "neutral" herabgestuft, den Energie- und den Chemiesektor dagegen auf "übergewichten" hochgestuft.
-STAATSANLEIHEN Auch der Rentenmarkt hat auf die veränderte Ausgangslage an der Zinsfront reagiert. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen hat sich seit Mitte März deutlich nach oben entwickelt, die Kurse sind entsprechend gefallen. "Die Zinsdifferenz vergleichbarer US-amerikanischer und deutscher Staatspapiere von rund 0,5 Prozentpunkten spiegelt die unterschiedlichen Erwartungen der Anleger zur Notenbanken-Politik wider", erklärt Thomas Koch, Rentenanalyst der HSH Nordbank. Während die Fed angesichts des US-Aufschwungs früher oder später an der Zinsschraube wird drehen müssen, gibt das moderate Wachstum in Euroland der Europäischen Zentralbank EZB keinen Anlass, über Zinserhöhungen nachzudenken. "Die Spekulationen über eine weitere Zinssenkung der EZB sind angesichts der preisauftreibenden Rohölpreise sowie des nachlassenden Aufwertungsdrucks des Euro aber auch vom Tisch", sagt Koch. Wer sein Anleihedepot aktiv manage und jetzt noch investiert sei, habe zweifellos den besten Zeitpunkt zum Ausstieg verpasst. "Für Buy-and-hold-Anleger, die ihre Anleihen unter Renditeaspekten gekauft haben und am Ende ihre Anleihe zu 100 Prozent zurückhaben wollen, ist das Ganze weniger erheblich." Neueinsteigern rät Koch zu Papieren mit Laufzeiten von maximal zwei bis drei Jahren.
-SCHWELLENLÄNDER-/FIRMENANLEIHEN Die Rentenpapiere aus den Emerging Markets haben lange Zeit von Sonderfaktoren profitiert. "Angesichts stark rückläufiger Kapitalmarktzinsen wichen institutionelle Anleger wie Versicherungen zum Teil auf risikobehaftetere Festverzinsliche aus", erläutert Thomas Koch. Dieses erhöhte Risiko spiegele sich natürlich in höheren Renditen, die es ermöglichten, die Lücke zwischen dem dem Kunden garantierten Zins und dem Kapitalmarktzins für bonitätsrisikofreie Anleihen zu schließen. Mit der Zinswende gerieten diese Papiere unter Druck. Sie büßten seit Anfang April runde acht Prozent ein. Seit der Spekulation um die Zinserhöhungen in den USA ist der Zinsabstand zwischen Anleihen der Schwellenländer und der USA im Schnitt von gut vier auf mehr als 5,5 Prozentpunkte gestiegen. Vor dem Hintergrund steigender Dollar-Zinsen fürchten Marktteilnehmer, die Finanzierungskosten der hoch verschuldeten Schwellenländer könnten zu Zahlungsstörungen führen. Die Analysten von Lehman Brothers erwarten jedoch mittelfristig wieder fallende Risikoprämien und sehen angesichts besserer Fundamentaldaten als in den Neunzigern sogar Chancen für risikobereite Investoren. Bei Unternehmensanleihen, die in den letzten 18 Monaten ebenfalls von den genannten Sonderfaktoren profitierten, rät Thomas Koch zu Gewinnmitnahmen. "Die Kurse der Corporate Bonds standen trotz des jüngsten Zinsanstiegs zum Teil unterdurchschnittlich unter Druck", sagt er. "Dies sollte sich ändern, da die steigenden Renditen im Staatsanleihesektor Kapital aus den risikobehafteren Anlageformen abziehen dürften."
-TAGESGELD CC-Bank, Diba, Postbank oder BMW-Bank: Zinsjäger sind informiert, parken ihr Geld mangels Alternativen und angesichts der großen Anlageunsicherheit auf Festgeldkonten. Bringt die Zinswende hier endlich wieder steigende Erträge? "Nein", gießt Rolf Püttgen aus dem Produktmanagement der Mönchengladbacher CC-Bank Anlegern Wasser in den Wein, "wir richten uns bei der Zinsgestaltung unserer Angebote natürlich nach der kurzfristigen Geldpolitik in unserem Währungsraum." Und in dem läuft es eben nicht so gut, dass die EZB schon über Zinserhöhungen nachdenken müsste. Laut Püttgen soll das beachtliche Angebot der CC-Bank, die bis zu einer Summe von 50 000 Euro 2,85 Prozent Zinsen zahlt, vorerst aber immerhin auch nach unten abgesichert sein.
-IMMOBILIEN- FINANZIERUNG Der EZB-Effekt gilt aber - eingeschränkt - auch umgekehrt. Wer einen Hausbau oder -kauf finanzieren will, muss angesichts der Zinswende in den USA nicht in Panik verfallen und auf Teufel komm raus eine Immobilie kaufen. "Die deutschen Hypothekenzinsen weisen mit leichter Verzögerung eine deutliche Korrelation zur Entwicklung der Kapitalmarktzinsen in Europa auf", erläutert Werner Fey, Rentenmarktexperte beim Frankfurt Trust. Entsprechend haben auch die Hypothekenzinsen in den vergangenen Wochen wieder angezogen. Da der Marktkonsens eine Zinserhöhung der EZB erst Anfang 2005 erwartet, dürfte ein eventueller weiterer Anstieg der Kosten für Baugeld moderat verlaufen. Wer indes das Objekt seiner Träume gefunden hat, sollte sich der Gunst des Augenblicks bewusst sein.
Artikel erschienen am 16. Mai 2004
Welt.de
Der Trendwechsel an der US-Zinsfront ist da. Und verbreitet Unsicherheit. Was jetzt bei Aktien, Anleihen, Bar- und Baugeld zu beachten ist
von Michael Höfling
Volle Fahrt voraus: Die Zinsen in den USA werden wieder steigen
Foto: AP
Es ist das Wort der Stunde: 7130 Einträge findet die Suchmaschine Google im Internet zum Begriff "Zinswende". Bis Ende Juni könnten noch ein paar hinzukommen. Denn dann, meinen viele Marktteilnehmer, wird die US-Notenbank nach behutsamer verbaler Vorbereitung den Trend an der Zinsfront umkehren. "Die Fed wird dem Druck nachgeben und die Zinsen anheben", glaubt auch Zachary Karabell, Vize-Chef von Fred Alger.
Ein Bild, an das sich Anleger erst wieder gewöhnen müssen. Zuvor hatte Alan Greenspan, Chef der Federal Reserve, den marktbewegenden Zinssatz seit Anfang 2001 in 13 Schritten auf das Niveau von 1,0 Prozent zusammengestaucht. Ziel: die schwächelnde US-Konjunktur anzukurbeln. Das scheint gelungen. Die positiven Arbeitsmarktzahlen aus dem März wurden im April eindrucksvoll bestätigt, dazu stiegen die Auftragseingänge für Investitionsgüter, und auch das Verbrauchervertrauen hat sich befestigt. Höchste Zeit, inflatorischen Tendenzen vorzubeugen und den Mini-Zins aufzupäppeln. Als neutraler Satz für den Leitzins gelten etwa 3,0 Prozent. Keine leichte Ausgangslage für alle Entscheidungen rund ums Geld, geht es nun um die Kapitalanlage oder die Finanzierung.
- AKTIEN "Die Aufregung um die Zinswende ist kurz- bis mittelfristig vielfach überzogen", sagt Gertrud Traud, Aktienstrategin bei der Bankgesellschaft Berlin. Wenn sich die konjunkturelle Erholung in den USA fortsetze, halte die Dynamik der Unternehmensgewinne die negativen Auswirkungen aus dem Zinsanstieg in Schach - und lasse den Aktienmarkt damit nicht zwangsläufig weniger attraktiv erscheinen. "Nach unseren historischen Studien hat der Dax in den sechs Monaten vor dem ersten Zinsschritt im Schnitt 6,7 Prozent Rendite gebracht, der Dow Jones sogar zehn Prozent." Nach vergleichbaren Ergebnissen indes sieht es diesmal nicht aus. "Das liegt aber vor allem an der Unsicherheit über den hohen Ölpreis und seine weitere Entwicklung", vermutet Traud. In den einzelnen Sektoren hat die Marktstrategin zuletzt Veränderungen vorgenommen. So hat die Bankgesellschaft die Telekommunikation sowie die Kommunikationstechnologie auf "neutral" herabgestuft, den Energie- und den Chemiesektor dagegen auf "übergewichten" hochgestuft.
-STAATSANLEIHEN Auch der Rentenmarkt hat auf die veränderte Ausgangslage an der Zinsfront reagiert. Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen hat sich seit Mitte März deutlich nach oben entwickelt, die Kurse sind entsprechend gefallen. "Die Zinsdifferenz vergleichbarer US-amerikanischer und deutscher Staatspapiere von rund 0,5 Prozentpunkten spiegelt die unterschiedlichen Erwartungen der Anleger zur Notenbanken-Politik wider", erklärt Thomas Koch, Rentenanalyst der HSH Nordbank. Während die Fed angesichts des US-Aufschwungs früher oder später an der Zinsschraube wird drehen müssen, gibt das moderate Wachstum in Euroland der Europäischen Zentralbank EZB keinen Anlass, über Zinserhöhungen nachzudenken. "Die Spekulationen über eine weitere Zinssenkung der EZB sind angesichts der preisauftreibenden Rohölpreise sowie des nachlassenden Aufwertungsdrucks des Euro aber auch vom Tisch", sagt Koch. Wer sein Anleihedepot aktiv manage und jetzt noch investiert sei, habe zweifellos den besten Zeitpunkt zum Ausstieg verpasst. "Für Buy-and-hold-Anleger, die ihre Anleihen unter Renditeaspekten gekauft haben und am Ende ihre Anleihe zu 100 Prozent zurückhaben wollen, ist das Ganze weniger erheblich." Neueinsteigern rät Koch zu Papieren mit Laufzeiten von maximal zwei bis drei Jahren.
-SCHWELLENLÄNDER-/FIRMENANLEIHEN Die Rentenpapiere aus den Emerging Markets haben lange Zeit von Sonderfaktoren profitiert. "Angesichts stark rückläufiger Kapitalmarktzinsen wichen institutionelle Anleger wie Versicherungen zum Teil auf risikobehaftetere Festverzinsliche aus", erläutert Thomas Koch. Dieses erhöhte Risiko spiegele sich natürlich in höheren Renditen, die es ermöglichten, die Lücke zwischen dem dem Kunden garantierten Zins und dem Kapitalmarktzins für bonitätsrisikofreie Anleihen zu schließen. Mit der Zinswende gerieten diese Papiere unter Druck. Sie büßten seit Anfang April runde acht Prozent ein. Seit der Spekulation um die Zinserhöhungen in den USA ist der Zinsabstand zwischen Anleihen der Schwellenländer und der USA im Schnitt von gut vier auf mehr als 5,5 Prozentpunkte gestiegen. Vor dem Hintergrund steigender Dollar-Zinsen fürchten Marktteilnehmer, die Finanzierungskosten der hoch verschuldeten Schwellenländer könnten zu Zahlungsstörungen führen. Die Analysten von Lehman Brothers erwarten jedoch mittelfristig wieder fallende Risikoprämien und sehen angesichts besserer Fundamentaldaten als in den Neunzigern sogar Chancen für risikobereite Investoren. Bei Unternehmensanleihen, die in den letzten 18 Monaten ebenfalls von den genannten Sonderfaktoren profitierten, rät Thomas Koch zu Gewinnmitnahmen. "Die Kurse der Corporate Bonds standen trotz des jüngsten Zinsanstiegs zum Teil unterdurchschnittlich unter Druck", sagt er. "Dies sollte sich ändern, da die steigenden Renditen im Staatsanleihesektor Kapital aus den risikobehafteren Anlageformen abziehen dürften."
-TAGESGELD CC-Bank, Diba, Postbank oder BMW-Bank: Zinsjäger sind informiert, parken ihr Geld mangels Alternativen und angesichts der großen Anlageunsicherheit auf Festgeldkonten. Bringt die Zinswende hier endlich wieder steigende Erträge? "Nein", gießt Rolf Püttgen aus dem Produktmanagement der Mönchengladbacher CC-Bank Anlegern Wasser in den Wein, "wir richten uns bei der Zinsgestaltung unserer Angebote natürlich nach der kurzfristigen Geldpolitik in unserem Währungsraum." Und in dem läuft es eben nicht so gut, dass die EZB schon über Zinserhöhungen nachdenken müsste. Laut Püttgen soll das beachtliche Angebot der CC-Bank, die bis zu einer Summe von 50 000 Euro 2,85 Prozent Zinsen zahlt, vorerst aber immerhin auch nach unten abgesichert sein.
-IMMOBILIEN- FINANZIERUNG Der EZB-Effekt gilt aber - eingeschränkt - auch umgekehrt. Wer einen Hausbau oder -kauf finanzieren will, muss angesichts der Zinswende in den USA nicht in Panik verfallen und auf Teufel komm raus eine Immobilie kaufen. "Die deutschen Hypothekenzinsen weisen mit leichter Verzögerung eine deutliche Korrelation zur Entwicklung der Kapitalmarktzinsen in Europa auf", erläutert Werner Fey, Rentenmarktexperte beim Frankfurt Trust. Entsprechend haben auch die Hypothekenzinsen in den vergangenen Wochen wieder angezogen. Da der Marktkonsens eine Zinserhöhung der EZB erst Anfang 2005 erwartet, dürfte ein eventueller weiterer Anstieg der Kosten für Baugeld moderat verlaufen. Wer indes das Objekt seiner Träume gefunden hat, sollte sich der Gunst des Augenblicks bewusst sein.
Artikel erschienen am 16. Mai 2004
Welt.de